Wie in der Übersichtsarbeit zu sportmedizinischen Aspekten des Wasserballs (Sportärztezeitung 03/19) gezeigt wurde, ist das Schultergelenk das Gelenk, was vorrangig beim Wasserball belastet wird. Infolgedessen gerät das mindestens ebenso wichtige Hüftgelenk jedoch zunehmend außer Beachtung. Im folgenden Artikel sollen Hüftprobleme anhand zweier Fallbeispiele von Juniorenwasserballspielern vorgestellt werden, die primär als Adduktorenzerrungen behandelt wurden, sowie eine Möglichkeit der Prophylaxe.
Die primäre Hüftbelastung eines Wasserballspielers entsteht durch den stetigen Versuch sich über Wasser zu halten und im Zweikampf gegen den Gegner zu bestehen. Hierfür bedient sich der Spieler des sog. Wassertretens (engl. eggbeater kicking). Mittels dieser Bewegung, die vorrangig durch eine technisch saubere und kraftintensive Beinarbeit gewährleistet wird, führt der Spieler sämtliche Sprung-, Start- und Stoppbewegungen aus, die im Rahmen der Abwehrarbeit, Konterabwehr und zur Durchführung der Wurfbewegung benötigt werden. Hiervon betroffen sind insbesondere Torhüter, da diese vorrangig aus den Beinen arbeiten, um im Tor zu springen und die Bälle abzuwehren, weshalb das Wassertreten für diese eine Grundvoraussetzung darstellt. Hierzu ist eine sehr gute Hüftbeweglichkeit erforderlich. Das liegt daran, dass bei umso besserer Hüftbeweglichkeit, die Wasserlage umso höher ausfällt. Zu diesem Zwecke schaffen gute Torhüter fast einen Männerspagat. Ist diese Voraussetzung erfüllt, können gute Torhüter sich dieser Technik optimal bedienen und schaffen es dadurch bis über die Oberschenkelansätze aus dem Wasser zu kommen und sich auch einige Zeit weit über Wasser zu halten. Das Wassertreten erfordert hierfür neben einer sauberen und technisch versierten Durchführung auch viel hartes Training, wodurch der Spieler einer hohen Hüftbelastung ausgesetzt wird (siehe Abb. 1a – c). In Untersuchungen wurde festgestellt, dass insbesondere die Wasserballspieler kein korrektes Wassertreten beherrschen, die keine technisch korrekte Brustgrätsche ausführen können und mithin einen Scherenbeinschlag aufweisen. Des Weiteren stellt die Tatsache, dass immer weniger Kinder technisch richtig schwimmen können, ein großes Problem für die Nachwuchsarbeit der Vereine dar.
Case I – 19-jähriger Wasserballer (U19 Nationalmannschaft, Torhüter)
- Trainingshäufigkeit pro Woche 5 x Wasser-, 2 x Krafttraining
- Klagt über Hüftbeschwerden und OS Beschwerden nach Belastung durch Wassertreten mit und ohne Gewichtsbelastung, sowie über LWS Beschwerden
- Diagnose Adduktorenzerrung, Schonung sechs Wochen, Analgesie, danach wieder Trainingsaufnahme, nach zwei Tagen erneute Beschwerden, Arztbesuch, dieselbe Diagnose, wieder Schonung, keine weitere bildgebende Diagnostik. Spieler quält sich durch die Trainingseinheiten, mit mal mehr, mal weniger Beschwerden
- Im August 2015 Vorstellung in unserer Klinik wegen bevorstehendem Vereinswechsel zu Bundesligamannschaft
Die Untersuchung ergab folgenden Befund (siehe Abb. 2 a + b):
- Hüfte links: Ex/Flex 0/0/120, Aro/Iro 30/0/15 endgradig schmerzhaft, Abd/Add 30/0/30
- Leistendruckschmerz, kein Trochanterdruck- und Klopfschmerz
- Kein Zug-,Stauch-, Wackelschmerz
- DMS peripher intakt, BL gleich, Trendelenburg negativ
- LWS: Druck- und Klopfschmerz über Dornfortsätzen der LWS
- Druckschmerz über den Lig lumbale bds., DS über den ISG Gelenken, ausgeprägter paravertebraler Hartspann bds. LWS mit tastbaren Myogelosen, pos. Valleixsche Druckpunkte li, DMS peripher intakt
- Hüftdysplasie mit ca. 1/3 Überdachung
- Deutliche Sklerosierung und Gelenkspaltverschmälerung
- CCD-Winkel re 134,3°, li 141,3° (Coxa valga)
Die Therapie erfolgte konservativ mit Krankengymnastik und Rückenstabilisierung. Die Trainingsbelastungen wurden auf Wassertreten ohne Gewichtsbelastung reduziert. Zudem wurde bei weiteren Beschwerden die operative Abtragung des Bumps empfohlen. Der Spieler hat das Training wieder aufgenommen, selbiges aber wegen weiterer Beschwerden im Rahmen des Wasserballs als Leistungssport aufgehört.
Case II – 16-jähriger Juniorennationalspieler mit ähnlicher Symptomatik
Auch hier wurde auf Adduktorenzerrung behandelt, ohne eine bildgebende Diagnostik.
Bei der Vorstellung ergab sich folgendes Bild:
- 16-jähriger U17 Nationalspieler (Feldspieler) klagt über Hüftbeschwerden rechts nach Training
- Trainingshäufigkeit/Woche 4 x Wasser- und 2 x Krafttraining
- Auffällig nach Schulsport und Training teilweise hinkendes Gangbild
- Bisher dito keine bildgebende Diagnostik, Therapie bisher Schonung, Analgesie
- Vorstellung in unserer Klinik, da seit einem Jahr keine Besserung
- Diagnosen: Coxa valga rechts et antetorta & re Hüftdysplasie mit Gelenkspaltverschmälerung cranial. Therapie ebenfalls konservativ:
- KG und MT Verbesserung Beweglichkeit und Kapseldetonisierung
- Schuherhöhung von 1 cm zum Längenausgleich auch für Sportschuh
- Vermeidung von Wassertreten mit hohen Gewichten vor und über dem Körper (Hantelscheiben, Medizinbälle)
- Keine Exzentrischen Übungen im Krafttraining an Land
- Bei fortbestehenden Beschwerden kann nach Wachstumsende eine prophylaktische Umstellungsosteotomie in Betracht gezogen werden
Dem Spieler geht es derzeit gut, er nimmt voll am Trainingsbetrieb teil und die zu vermeidenden Belastungen werden, nach Rücksprache mit dem Trainer, eingehalten. Nach vollständigem Verschluss der Wachstumsfugen wird eine Umstellungsosteotomie empfohlen.
Trainingsaufwand und Trainingsformen
Das Wassertreten per se stellt hohe Anforderungen an die Gelenkbeweglichkeit und deren Belastbarkeit. Aus diesem Grund entstehen erhöhte Anforderungen an Trainingsaufwand und -intensität, um bei korrekter Technik und Kraft hoch aus dem Wasser zu springen bzw. sich als Torhüter auch über Wasser zu halten. Hierzu sind Trainingsformen mit Gewichtsbelastungen erforderlich, die durch die Nutzung von Medizinbällen, Hantelscheiben und Gewichtswesten gewährleistet und unterstützt werden.
Die italienische Nationalmannschaft nutzt hierfür ein speziell entwickeltes Gurtsystem (Abb. 5 a + b). Infolgedessen entsteht beim Wassertreten die Gefahr der Überlastung, wenn das Gewicht zu hoch gewählt und/oder nicht korrekt über dem Körper gehalten wird. Hierbei kommt es zu Fehlbelastungen durch Überlastung und daraus resultierenden Beschwerden wie bspw. der Reizung der Gelenkschleimhaut, Trochanterbursitiden und im schlimmsten Fall zu Knorpelschäden. Aus diesen Gründen ist eine korrekte Durchführung des Wassertretens, wie auch in Abb. 6 b gezeigt, unerlässlich, nicht so wie in Abb. 6 a.
Eine optimale Trainingsform stellt das Training mit einem Gummiband dar, da der Spieler durch das Gummiband reglementiert wird. Je müder er wird, desto weniger Belastung ist er im Stande zu bewältigen. Abb. 7a – d zeigt die Anwendung des Gummibandes bei einem Jugendspieler.
Fazit
- Hüftbeschwerden bei jungen Leistungswasserballern sollten einer bildgebenden Diagnostik zugeführt werden, um Fehlstellungen und Dysplasien auszuschließen
- Grundlage: technisch korrekt durchgeführtes Wassertreten
- Wassertreten mit Gewichten (Hantelscheiben, Medizinbälle > 2 kg) sollte erst im Alter von 14 – 15 Jahren begonnen werden. Zu vorige Kraftbelastungen sollten mit Gummibändern gewährleistet werden, da dieses dynamisch ist, wodurch eine Überbelastung weitestgehend vermieden wird
- Kraftbelastungen mit Gewicht sollten senkrecht auf den jugendlichen Körper wirken und nicht vor dem Körper um somit Fehlhaltungen und Fehlbelastungen gegenzuwirken
Wird dieses Wissen bei der Trainingsgestaltung weitestgehend in Betracht gezogen, kann hierdurch weitestgehend Verletzungen infolge von Überlastungen vorgebeugt werden. Weiterhin sollte bei jungen Leistungssportlern, die Beschwerden aufweisen, auf eine bildgebende Diagnostik zurückgegriffen werden, um Fehlstellungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Aus diesem Grund verlangt der Deutsche Schwimmverband eine jährliche sportärztliche Untersuchung seiner Wasserballspieler. Hier sollten Hüftsonografiebilder der U1 Untersuchung mit herangezogen werden. Dante Dettamanti, seines Zeichens US Coach der Stanford University, sagte einmal, es sollte nicht der schlechteste Spieler ins Tor gestellt werden, sondern der, der laut Sonografie eine 1A Hüfte aufweist.
Wir, als Sportmediziner, haben die verantwortungsvolle Aufgabe, die bestmögliche Behandlung und Betreuung der Leistungssportler zu gewährleisten, um diese von der Jugend bis Erwachsenenalter weitgehend verletzungsarm und gesund zu halten, damit sie in ihrem Sport erfolgreich sein können.
Hierfür ist erforderlich, sich mit den Bewegungsabläufen der Sportart bestmöglich vertraut zu machen, um eine richtige Therapie einzuleiten. Auch die Trainer müssen darauf achten, dass falsche Bewegungsabläufe korrigiert werden und sich nicht verselbständigen, da nur hierdurch erreicht werden kann, möglichst gesunde und erfolgreiche Sportler zu betreuen. Korrekte Technik und mit den richtigen Hilfsmitteln durchgeführtes Training führen auch zu einem guten Ergebnis.
In Bezug auf den Wasserballsport heißt das: Zunächst Erlernen der korrekten Ausführungsweise, gefolgt von Ausdauer- und Krafttraining. So kann ein Wasserballer, über Wasser spielen und agieren, Tore schießen, Abwehrarbeit leisten und als Torhüter Tore verhindern.
Autoren
ist Facharzt für Allgemeinchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, mit Zusatzbezeichnungen spez. Unfallchirurgie, Sportmedizin und Notfallmedizin. Er arbeitet an der Orthopädischen Uniklinik Würzburg König-Ludwig-Haus und ist Verbandsarzt des Deutschen Schwimmverbandes für Wasserball. Außerdem betreut er mannschaftsärztlich Teams des SV05 Würzburg (von E-Jugend bis Masters und 1. Bundesliga), die Bundesligamannschaft des SSV Esslingen, die U17 und U19 Junioren Nationalmannschaft männlich und seit 2019 die Frauen Wasserball Nationalmannschaft. Er war selbst aktiver Zweitligawasserballer beim SV Heilbronn und hat bis vor fünf Jahren noch aktiv Deutsche Masters gespielt.
studiert an der Uni Würzburg im 3. Semester Humanmedizin und im 4. Semester Jura. Er spielt seit seinem 9. Lebensjahr Wasserball beim SVW05 Würzburg, war in mehreren Jugend-Auswahlen und im erweiterten Kader der U18-Nationalmannschaft. Derzeit ist er in der 1. Bundesligamannschaft von Würzburg mit 4-maligem Training die Woche aktiv.