Ein Knorpelschaden am Kniegelenk kann für den betroffenen Sportler das Ende der Karriere bedeuten. Insbesondere in der Vorbereitung vor einem großen Wettkampf können lokale Knorpelschäden die Leistung erheblich beeinträchtigen, sodass Qualifikation, Teilnahme und Ergebnis gefährdet sind. Daher ist die Therapie des Knorpelschadens beim Sportler eine große Herausforderung [1,2].
Ein Nachteil vieler Verfahren sind lange Ausfallzeiten. Auch offene OP-Techniken verzögern die Rehabilitation, was sich negativ auf die Wiederkehr zum Sport auswirken kann. Die matrixgestütze Chondrogenese ist ein neues einzeitiges Verfahren zur Behandlung lokaler Knorpelschäden [1,2]. Dabei wird eine Knochenmarkstimulation mit einer azellulären Matrix bedeckt. Die Indikation für dieses Verfahren liegt derzeit zwischen der Mikrofrakturierung und der Knorpelzelltransplantation (lokale Defekte Grad 3–4 mit einer Größe < 2,5 cm²). Die Verwendung einer Matrix aus Hyaluronsäure (Hyalofast®, Plasmaconcept) ist aus mehreren Gründen vorteilhaft für dieses Verfahren. Die hyaluronsäurereiche Umgebung bietet optimale Bedingungen für die Chondrogenese und die Entwicklung mesenchymaler Stammzellen. Dadurch wird die zelluläre Differenzierung zu Knorpelgewebe unterstützt. Auch der dreidimensionale Aufbau der Matrix trägt zur Differenzierung der mesenchymalen Stammzellen bei und verbessert gleichzeitig die Defektauffüllung. Ein weiterer Vorteil ist, dass Hyalofast® adhäsive Kräfte zum Knochen aufweist, daher ist es arthroskopisch implantierbar. So wird die Morbidität während der postoperativen Rehabilitation reduziert.
Fallbericht
Ein 1989 geborener Eisschnellläufer stellt sich zehn Monate vor den olympischen Winterspielen 2018 mit erheblichen vorderen Knieschmerzen in der Sprechstunde vor. Aufgrund der Beschwerden sei die sportliche Leistung zu diesem Zeitpunkt erheblich beeinträchtigt gewesen. Die MRT zeigte lokale 3°– 4° Knorpelschäden an der Patella und im Bereich der Trochlea. Hinweise für ein Patella-Maltracking bestanden nicht. Ziel war die Qualifikation und Teilnahme an den olympischen Spielen in Südkorea 2018. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, war es erforderlich, im August 2017 wieder in das Training einzusteigen, da die Qualifikationswettkämpfe im Oktober 2017 stattfanden. Aufgrund dieses Zeitplans schied eine autologe Knorpelzelltransplantation als Therapieverfahren aus (zweizeitig). Eine osteochondrale Transplantation hätte bei zwei Defekten im Femoropatellargelenk das Risiko einer nicht unerheblichen Entnahmemorbidität beinhaltet. Beide Verfahren hätten eine Arthrotomie erfordert, die sich nachteilig auf die Rehabilitationszeit ausgewirkt hätte. Damit bot sich in diesem Fall die matrixinduzierte Chondrogenese als Therapieverfahren an.
OP Technik
Arthroskopisch fanden sich lokale dritt- bis viertgradige Knorpelschäden an der medialen Patellafacette (Größe: ca. 1,5 cm²) und zentral im Bereich der Trochlea mit Delaminierungen (Größe: ca. 1,5 cm²) (Abb. 1). Die Patella lief zentral. Es erfolgte eine Randstabilisierung und eine Mirkofrakturierung (Abb. 3). Dann wurde die Matrix mit einem Tasthaken in den Defekt gedrückt (Abb. 4). Dieser Vorgang erfolgte unter Flüssigkeitsfüllung. Postoperativ sollte der Patient das Kniegelenk für sechs Wochen nur mit 10 kg Teilkörpergewicht bei freier Beweglichkeit belasten.
Ergebnis
Der Patient konnte wie geplant Mitte August 2017 in das sportspezifische Training einsteigen. Im Oktober 2017 erzielte er bei der nationalen Meisterschaft seines Landes im 500m Sprint den ersten Platz und qualifizierte sich für die olympischen Spiele 2018 in Südkorea. Im Februar 2018 erfolgte die Teilnahme an den olympischen Spielen im 500 m Sprint. Eine olympische Medaille wurde hier jedoch nicht erreicht. Bei einer Vorstellung 15 Monate nach der Operation wird über eine Beschwerdelinderung berichtet. Die MRT zeigt, dass beide Defekte komplett mit eine knorpelähnlichen Matrix gefüllt sind (Abb. 5). Retropatellar sind noch leichte subchondrale Reaktionen erkennbar.
Diskussion
Der hier beschriebene Fall zeigt die Problematik der Therapie von Knorpelschäden beim Leistungs- und Hochleistungssportler. Die meisten Verfahren zur Knorpelregeneration sind zeitaufwendig. Diese Zeit wird dem Sportler im modernen Hochleistungssport leider oft nicht eingeräumt. Zu eng sind die Wettkampfkalender getaktet; zu hoch sind die finanziellen Einbußen. Der hier beschriebene Fallbericht zeigt jedoch, dass mit der matrixgestützten Chondrogenese eine schnelle Wiederkehr zum Sport sowie zum präoperativen Wettkampflevel zu erzielen ist. Ob die vom Hochleistungssport geforderte „Hochgeschwindigkeitsregeneration“ für die Behandlung von Knorpelschäden medizinisch auch langfristig sinnvoll ist, mag dahingestellt sein. Eine längere Rekonvaleszenz wäre sicher auch in dem hier beschriebenen Fall sinnvoll gewesen, um dem biologischen Regenerationsprozess des Gewebes gerecht zu werden. Die klinische Erfahrung zeigt jedoch, dass Hochleistungssportler therapeutische Lösungen bevorzugen, die eine schnelle Rückkehr zum Sport versprechen.
Literatur
[1] Petersen W, Weigert A (2017) Die matrixinduzierte Chondrogenese: ein Literaturreview. Sportorthopädie, Sportraumatologie, 33, 4:392–403
[2] Petersen, W., Karpinski, K., Hees, T. et al. A Arthroskopische matrixgestützte Chondrogenese mit einer Matrix aus Hyaluronsäure. Arthroskopie (2019) 32: 218.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnungen Spezielle Unfallchirurgie, Sportmedizin und Physikalische Therapie. Er ist Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie und Ärztlicher Leiter der physikalischen Therapie des Martin-Luther Krankenhauses Berlin. Außerdem ist er Mitglied im Vorstand und Past-Präsident der Deutschen Kniegesellschaft.