Rekonstruktionen des vorderen Kreuzbandes mit autologer Quadrizepssehne zeigen im Vergleich zum Hamstring-Autograft niedrigere Re-Ruptur-Raten, aber ein gleiches subjektives klinisches Outcome
Ein Vergleich von 875 Patienten
Bei der hier vorgestellten Arbeit handelt sich um eine Kohortenstudie (Evidenz-Level 3), in die 875 Patienten mit einer primären vorderen Kreuzband (VKB)-Ruptur nicht randomisiert eingeschlossen wurden. Die operative Versorgung erfolgte in 658 (75,2 %) Fällen mit Hamstringsehnen (HT) und bei 217 (24,8 %) Patienten mit der Quadrizepssehne (QT). 479 (54,7 %) Patienten nahmen vollumfänglich am 2-Jahres-Follow-up teil (365 (76,2 %) HT vs. 114 (23,8 %) QT). Erhoben wurden mittels Fragebögen der Lysholm- und Tegner-Score sowie die VAS. Aktuell sind die am häufigsten verwendeten Transplantate die Hamstring- und die Patellasehne (BTB) mit ihren bekannten Vor- und Nachteilen. In den letzten Jahren rückt die Quadrizepssehne, die mit oder ohne patellaren Knochenblock entnommen werden kann, immer mehr in den Fokus.
Die Re-Ruptur nach VKB-Ruptur ist eine bekannte Komplikation mit einer Häufigkeit kurz- bis mittelfristig von 1,8 % – 10,4 %. Betrachtet wurden zudem die kontralateralen VKB-Rupturen. Intrinsische und extrinsische Risikofaktoren sind für eine Re-Ruptur des VKB oder Ruptur der Gegenseite bekannt. Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Rekonstruktion ist die anatomische Bohrkanalplatzierung, was verschiedene Arbeiten auch der Vergangenheit zeigen. Das Alter, der Aktivitätslevel und die Transplantatwahl spielen nach Aussage der Autoren entsprechend ihrer erfassten Daten die entscheidende Rolle. Nicht relevant seien das Geschlecht sowie das Vorliegen von Begleitverletzungen.
Verschiedene Arbeiten zeigen keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der Re-Ruptur-Rate zwischen BTB und QT, während die Rate bei Verwendung der HT auch im Vergleich zum BTB signifikant höher ist. Runer et al. finden in ihren Daten eine 2,7-fach erhöhte Re-Ruptur-Rate bei Verwendung der HT (4,9 %) gegenüber der QT (2,8 %). Betrachtet man nur die Patienten mit hohem Aktivitätslevel (Tegner Score 7 – 10), zeigt sich der Unterschied noch deutlicher: HT 11,1 % vs. QT 5,0 % in der high-level-Gruppe, demgegenüber HT 3,2 % vs. QT 1,0 % in der low-level-Gruppe (Tegner Score 0 – 3). Betrachtet man die Rate der VKB-Rupturen der Gegenseite zeigt sich hier eine andere Verteilung: niedriges Aktivitätsniveau 4,1 %, mittel 0,9 % und hoch 3,8 % (HT 4,2 %; QT 2,8 %). Kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen zeigte sich in sämtlichen erhoben Scores, so dass das klinische und funktionelle Outcome als gleich bewertet wurde.
Eine Arbeit aus den dänischen Registerdaten von Lind et al. (2019) zeige zwar vordergründig eine höhere Re-Ruptur-Rate bei der Verwendung der QT, wenn man alle Daten aus den high- und low-volume-Zentren zusammenfasst. Bei selektiver Auswertung nur der Daten aus den high-volume-Zentren liege die Rate allerdings wiederum unterhalb der der HT. Aufgrund der höheren Re-Ruptur-Rate der HT beim Vergleich beider Transplantate postulieren die Autoren eine vermeintlich niedrigere Stabilität des HT- gegenüber dem QT-Transplantat im Vergleich zum originären VKB, da sich die Ruptur-Rate kontralateral in beiden Patientengruppen gleich zeigte. Unterstrichen werden kann diese Vermutung, wenn man berücksichtigt, dass das von den Autoren verwendete QT-Transplantat (ξ 44,5 mm2) tendenziell sogar eher etwas kleinkalibriger war als das HT-Transplantat (ξ 47,6 mm2). Der durchschnittliche Durchmesser (bezogen auf einen runden Querschnitt) betrug somit zwischen 7,5 mm (= 44,1 mm2) bis 8,0 mm (50,3 mm2). Da in der QT-Gruppe mehr junge und sehr aktive Patienten eingeschlossen wurden und diese dennoch bessere Ergebnisse gegenüber der HT-Gruppe zeigten, könne daher möglicherweise empfohlen werden, Patienten dieser beiden Gruppen eher mit QT als mit HT zu versorgen.
Zusammenfassung
Die von Runer et al. vorgestellten Daten unterstreichen den Stellenwert der VKB-Rekonstruktion mit der Quadrizepssehne als Alternative zu den aktuell noch häufiger verwendeten Hamstringsehnen. Dabei scheinen insbesondere junge hoch aktive Patienten von diesem Verfahren zu profitieren zumindest hinsichtlich der Re-Ruptur-Rate. Die klinischen und funktionellen Scores hingegen zeigten keine Unterschiede bei beiden Gruppen.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Notfallmedizin. Er ist Inhaber der Praxis SPORTORTHO rheinmain in Bad Homburg und war langjähriger Mannschaftsarzt u. a. in der Fußball-Bundesliga (Eintracht Frankfurt, TSG 1899 Hoffenheim) und ist Kooperationsarzt verschiedener Vereine und Athleten insbesondere in den Bereichen Fußball, Leichtathletik, Handball, Bob.