Für Sportler bedeuten Läsionen der Rotatorenmanschette häufig eine Einschränkung oder ein Pausieren der sportlichen Betätigung. Bei ausbleibender Besserung der Beschwerden unter nicht-operativer Therapie besteht, insbesondere bei sportlich aktiven Patienten, oft die Indikation zur Rekonstruktion der Rotatorenmanschette. Für den Sportler bedeutet eine Operation in der Regel eine lange Rehabilitationsphase mit der Frage, ob und auf welchem Niveau zum Sport zurückgekehrt werden kann.
Indikationsstellung
Läsionen der Rotatorenmanschette sind eine häufige Ursache für Schulterschmerzen. Ihre Inzidenz nimmt mit dem Alter deutlich zu. Drei wichtige Unterscheidungskriterien sind:
- das Alter des Betroffenen,
- die Lokalisation und das Ausmaß der Läsion (welche Sehne(n) sind betroffen/Partial- vs. Komplettruptur) und
- die Ätiologie der Läsion: traumatisch vs. degenerativ
Im Kollektiv der Amateur- und Leistungssportler finden sich überdurchschnittlich häufig traumatische Läsionen, auch zum Teil bei sehr jungen Patienten. Die meisten Läsionen, die im Alltag versorgt werden, sind, entsprechend der Inzidenz in der Allgemeinbevölkerung, degenerative Läsionen der Supraspinatussehne, die zwar am Sport hindern, aber nicht zwingend durch diesen entstanden sind. Der klinische Verlauf ist häufig schleichend. Davon zu unterscheiden sind traumatische Läsionen, die häufig bei Kontakt- und Risikosportarten durch z. B. Sturz auf den Arm oder Luxationen der Schulter entstehen. Hierbei handelt es sich häufiger um anterosuperiore Läsionen mit Beteiligung der Sehne des M. subscapularis. Klinisch ist in diesen Fällen häufig ein akuter Funktionsverlust zu beobachten. Hier sind eine zügige Diagnostik und dann operative Versorgung wichtig.
Nicht jede Rotatorenmanschetten-Läsion ist pathologisch
Im speziellen Kollektiv der Überkopf- und Wurfsportler können partielle Läsionen Teil der Anpassungsreaktion der Schulter auf das repetitive Mikrotrauma der Wurf-/Schlagbewegung sein. Im Rahmen eines posterosuperioren Impingements kommt es durch eine massiv erhöhte Außenrotation zu einem pathologischen Kontakt der Supra- und Infraspinatussehne mit dem superioren Glenoid. Hier kommt es in diesem Bereich zu den artikularseitigen Läsionen. Hier kann eine operative Versorgung dieser Läsionen zwar zu einer Ausheilung führen, aber den Sportler gleichzeitig an der vollständigen Ausführung der Wurfbewegung hindern. Dies kann die Rückkehr auf das ursprüngliche Leistungsniveau verhindern. Im operativen Vorgehen kann speziell bei Wurfsportlern auf hohem Leistungsniveau daher auch bei tiefen Partialläsionen das Debridement der Sehne einer Rekonstruktion vorgezogen werden [1] (Abb. 1 a/b).
Rekonstruktionstechnik
Zur Operationstechnik lässt sich festhalten, dass die arthroskopische Technik die offene vollständig abgelöst hat. Durch die minimal-invasive Technik und eine effektive perioperative Schmerztherapie ist die Durchführung eines solchen Eingriffs in der Regel auch ambulant möglich. Bei der Refixation der Rotatorenmanschette ist eine größtmögliche Stabilität der Rekonstruktion anzustreben. Hier bietet die Doppelreihen-Rekonstruktion aktuell eine optimale Versorgung. In der Analyse der Ergebnisse der letzten Jahre hat die Doppelreihen-Rekonstruktion eine verbesserte Einheilungsrate der Rotatorenmanschette nach der Operation gezeigt [2]. Diese ist insbesondere im Kollektiv der eher jüngeren Sportler anzuwenden (Abb. 2 a – c).
Begleitverletzungen
Zu den häufigsten Begleitverletzungen gehören die Pathologien im Verlauf der langen Bicepssehne. Hier sind besonders die ursprungsnahen SLAP-Läsionen zu nennen. SLAP-Läsionen sind nicht zwingend eine Indikation zur operativen Versorgung. Insbesondere beim älteren Überkopfsportler sind degenerative Veränderungen in diesem Bereich häufig und es muss genau geprüft werden, ob eine relevante Instabilität der Sehne vorliegt. Nur dann liegt eine klare Indikation zur operativen Versorgung vor. Hier hat sich insbesondere in Europa ein klarer Trend weg von der Refixation der SLAP-Läsionen am Glenoid hin zur Tenodese der langen Bicepssehne am Humerus gezeigt. Gründe sind neben einer postoperativen Bewegungseinschränkung auch eine bessere RTS-Rate in einigen Studien [3]. Im eigenen Vorgehen wird nur in absoluten Ausnahmefällen eine Refixation einer SLAP-Läsion durchgeführt und quasi immer die Tenodese bevorzugt. Beim speziellen Kollektiv der Wurfsportler ist die Indikation, aufgrund des unklaren Beitrags der Sehne zur Propriozeption, kritisch zu prüfen.
Nachbehandlung
Bei der Nachbehandlung ist das primäre Ziel, zunächst optimale Voraussetzungen für die Einheilung der rupturierten Sehne zu schaffen und dabei soweit möglich eine frühestmögliche Mobilisation zu erlauben. Im Kollektiv der Sportler stellt dies durch die häufig hohe Motivation und der leistungsorientierten Einstellung eine besondere Herausforderung für den Arzt und besonders den Therapeuten dar. In aller Regel ist eine Phase der Immobilisation in einer Orthese zwischen drei und sechs Wochen unumgänglich. Trotzdem wird mit passiver Mobilisation direkt begonnen. Nach sechs Wochen wird mit aktiver Mobilisation gestartet und erste sportliche Betätigungen ohne Beteiligung der Schulter können vorsichtig begonnen werden. Wurf- und Überkopfsportarten werden in der Regel erst nach ca. sechs Monaten vollständig wieder erlaubt.
Die verwendeten Nachbehandlungspläne sind aus organisatorischen Gründen häufig starr und zielen sehr darauf ab, Komplikationen wie Rerupturen durch zu frühe Mobilisation zu verhindern. Hier wäre in der Zukunft eine individualisierte Nachbehandlung wünschenswert, die noch optimaler den einzelnen Sportler zügig zu seinem Sport zurückführen kann. Hier muss die Kommunikation zwischen Arzt, Patient und Therapeut verbessert werden. Hilfreich wären hier klinische Tests für den Return to sports. Diese gibt es für andere Pathologien (Schulterinstabilitäten) und Gelenke (vorderes Kreuzband). Für die Rotatorenmanschette fehlen diese bisher leider, sodass die Freigabe zum Sport weitgehend subjektiv erteilt werden muss.
Return to sports/competition
In der Literatur findet sich nur eine geringe Anzahl von Studien zur Rückkehr zum Sport nach Rotatorenmanschetten-Rekonstruktion. Im Jahr 2008 konnten wir eine der ersten Studien zu diesem Thema publizieren [4]. Ausgehend von unseren damaligen Ergebnissen sind seitdem nur eine geringe Anzahl weiterer Studien veröffentlicht worden, wie eine aktuelle systematische Reviewarbeit zeigt. Insgesamt konnten in dieser Arbeit die Daten von 15 Studien mit knapp 350 Sportlern eingeschlossen und analysiert werden. Insgesamt zeigte sich eine RTS-Rate von 70,2 % auf das Vorverletzungsniveau.
Amateur- und Freizeitsportler können mit einer erfolgreichen Rückkehr zum Sport rechnen
In der Literatur findet sich hier eine Rate zwischen 76,9 % und 89 % für verschiedene Sportarten wie Schwimmen oder Tennis. Im eigenen Kollektiv konnten wir in unserer Arbeit 2008 zeigen, dass eine Rückkehr zum Sport nach arthroskopischer Rotatorenmanschetten-Rekonstruktion – damals noch in Einzelreihentechnik – für Freizeit- und Amateursportler ein realistisches Ziel ist. In einer Studie mit 21 Überkopf- und Wurfsportlern (Follow-up 25,7 Monate) fanden wir, dass Wurf- und Überkopfsportler nach RM-Rekonstruktion mit gleicher Häufigkeit und Spielstärke zu ihrem Sport zurückkehren konnten. Entsprechend unserem damaligen Nachbehandlungsschema lag der Zeitpunkt der Rückkehr zum Sport bei 6,3 Monaten postoperativ. Patienten, die auf eigene Verantwortung früher zurückkehrten, hatten ein höheres Risiko für eine Re-Ruptur der Sehne. Insgesamt wurde der subjektive Level der Aktivität auf 91,9 % eingeschätzt. Hier war auffällig, dass Frauen sich höher einschätzten als Männer (98,6 % vs. 88,6 %).
Bei Profisportlern ist die Situation etwas anders. Die Ergebnisse bezüglich der RTS-Rate sind hier leider schlechter. In der Review-Arbeit war die RTS-Rate auf dem gleichen Level bei Profisportlern nur 61,5 %, für Überkopf- und Wurfsportler sogar nur 38 %. Eine weitere Review-Arbeit zeigte nur eine Rückkehrrate von 49,9 % [6]. Dies liegt auch an der Tatsache, dass ein Großteil der vorliegenden Daten von amerikanischen Profi-Baseball-Pitchern kommt. Dies ist ein sehr spezielles Kollektiv und die Erfahrungen dieser speziellen Sportler lässt sich nicht ohne weiteres auf andere Sportarten wie Tennis, Handball oder andere Wurfsportarten übertragen. Aber auch bei anderen Sportarten ist bekannt, dass die Rückkehr zum Sport auf dem gleichen Level schwieriger wird, je höher das Niveau des Sportlers ist.
Fazit
Verletzungen der Rotatorenmanschette sind für Patient und Behandler gleichermaßen eine große Herausforderung insbesondere im Kollektiv der Sportler. Bei traumatischen Läsionen und bei ausbleibender Besserung unter konservativer Behandlung sollte eine stabile operative Rekonstruktion angestrebt werden. Die Nachbehandlung ist langwierig und erfordert eine Balance zwischen Schutz der Rekonstruktion und Mobilisation. Die Rückkehr zum Sport auf gleichem Niveau ist im Amateur und Freizeitbereich in den meisten Fällen realistisch. Bei Profi-Sportlern ist dies eine weit größere Herausforderung.
Literatur
[1] Scott B Reynolds, Jeffrey R Dugas, E Lyle Cain, Christopher S McMichael, James R Andrews; Débridement of small partial-thickness rotator cuff tears in elite overhead throwers; Clin Orthop Relat Res. 2008 Mar;466(3):614-21. doi: 10.1007/s11999-007-0107-1. Epub 2008 Feb 10
[2] Al-achraf Khoriati,∗ Tony Antonios, Abhinav Gulihar, and Bijayendra Singh; Single Vs Double row repair in rotator cuff tears – A review and analysis of current evidence; J Clin Orthop Trauma. 2019 Mar-Apr; 10(2): 236–240. Published online 2019 Jan 30. doi: 10.1016/j.jcot.2019.01.027
[3] Pascal Boileau, Sebastien Parratte, Christopher Chuinard, Yannick Roussanne, Derek Shia, Ryan Bicknell; Arthroscopic treatment of isolated type II SLAP lesions: biceps tenodesis as an alternative to reinsertion; Am J Sports Med. 2009 May;37(5):929-36. doi: 10.1177/0363546508330127. Epub 2009 Feb 19.
[4] Dennis Liem, Sven Lichtenberg, Petra Magosch, Peter Habermeyer; Arthroscopic rotator cuff repair in overhead-throwing athletes. Am J Sports Med. 2008 Jul;36(7):1317-22. doi: 10.1177/0363546508314794. Epub 2008 Apr 28. PMID: 18443274
[5] Burak Altintas, Nicole Anderson, Grant J Dornan, Robert E Boykin, Catherine Logan, Peter J Millett; Return to Sport After Arthroscopic Rotator Cuff Repair: Is There a Difference Between the Recreational and the Competitive Athlete? Am J Sports Med. 2020 Jan;48(1):252-261. doi: 10.1177/0363546519825624. Epub 2019 Mar 11.
[6] Shahnaz Klouche , Nicolas Lefevre, Serge Herman, Antoine Gerometta, Yoann Bohu; Return to Sport After Rotator Cuff Tear Repair: A Systematic Review and Meta-analysis; Am J Sports Med. 2016 Jul;44(7):1877-87. doi: 10.1177/0363546515598995. Epub 2015 Aug 27.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie. Von 2008 – 2019 leitete er die Sektion Schulterchirurgie und Sportorthopädie am Universitätsklinikum Münster. Hier bekleidet er seit 2012 eine Professur für Orthopädie mit entsprechenden Lehr- und Forschungsaufgaben. Seit 2019 ist er Mitglied des sporthopaedicums Berlin. Er ist aktives Mitglied der deutschen (DVSE), europäischen (SECEC) und amerikanischen (ASES) Gesellschaft für Schulter- und Ellenbogenchirurgie und wird seit Jahren in der Fokus-Liste als Schulter-Spezialist geführt. (dennisliem.com)