Wandern als Freizeitaktivität erfreut sich großer Beliebtheit. Jährlich besuchen rund 150 Millionen Gäste die Alpen, Tendenz steigend [2]. Um auf Wetterumschwünge vorbereitet zu sein, müssen die notwendige Ausrüstung und Wechselkleidung mitgeführt werden. Außerdem wandern 29 % der Menschen gerne mit ihren Familien. Kleinkinder werden dabei in Tragesitzen (Kraxe) transportiert, wenn ein eigenständiges Wandern nicht möglich ist. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Familien mit Kleinkindern auf Wanderungen Rucksäcke / Kraxen von ±15 kg tragen.
Aktuelle Unfallstatistiken bestätigen, dass im Jahr 2020 ein Anstieg der Notrufe beim Bergsteigen und Wandern zu verzeichnen war, insbesondere von unverletzten Personen, die sich verlaufen hatten oder wegen Erschöpfung aufgeben mussten [2, 6]. Aufgrund der Einschränkung der Sportmöglichkeiten während der Covid-19 Pandemie suchten mehr Menschen Erholung in den deutschen Alpen [3], die zuvor nicht dort gewesen waren. Es stellt sich daher die Frage, ob dieser Anstieg an Notrufen auf eine suboptimale Tourenplanung oder eine eigene Überschätzung der Belastungen am Berg, aufgrund mangelnder körperlicher Fitness zurückzuführen sind. In diesem Kontext sei darauf hingewiesen, dass nicht nur die mit dem Aufstieg verbundene positive dynamische Aktivität, sondern auch der Abstieg mit negativer dynamischer Arbeit bei der Einteilung der individuellen Energiereserven berücksichtigt werden sollte [4]. Der Abstieg wird subjektiv oft als weniger anstrengend empfunden und daher oft vernachlässigt, da kardiopulmonal nur etwa ein Drittel des Sauerstoffbedarfs der positiven Arbeit beim Aufstieg benötigt wird [4]. Im Abstieg ist vermehrt eine fehlerhafte Einstufung der individuellen Kraft- und Energiereserven zu erkennen [5]. Zudem werden Rucksäcke und Ausrüstungsgegenstände in der Regel unabhängig von Geschlecht und Leistungsfähigkeit gepackt, sondern auf Basis der notwendigen Ausrüstung. Folglich tragen Frauen und generell kleinere Menschen im Verhältnis zu ihrer Körperkonstitution höhere Gewichte und benötigen daher für vergleichbare Belastungen ein höheres Fitnesslevel als größere Menschen [5, 9]. Es stellt sich daher die Frage, welche Wirkungen das Gewicht eines Rucksacks auf die aktuelle Leistungsfähigkeit hat und in welcher Form ein vorbereitendes Ausdauertraining notwendig ist.
Empfehlungen zur Adaptation der Belastung und Regeneration
Das Tragen eines Rucksacks von bis zu 30 % des Körpergewichts führt zu einer Adaptation des kardiopulmonalen Systems, die sich in einer höheren kardiopulmonalen Beanspruchung manifestiert. Die zusätzlich zu tragende Zusatzlast wird durch eine Leistungsminderung kompensiert, indem die aerobe und anaerobe Schwelle mit einer geringeren Geschwindigkeit erreicht werden. Diese Geschwindigkeitsreduzierung steigt proportional zur Höhe der Zusatzlast (Abb. 1), ohne dass eine Verlängerung der Regenerationszeit erforderlich ist. Kleinere Personen, unabhängig vom Geschlecht, benötigen jedoch eine höhere aerobe kardiopulmonale Kapazität, um das Gewicht des Rucksacks während einer Belastung zu kompensieren als größere Personen [5].
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass eine Zusatzlast von bis zu 30 % des Körpergewichts durch eine hohe aerobe Ausdauerleistungsfähigkeit und eine Reduzierung der Belastungsintensität kompensiert werden kann. Die aerobe Schwelle ist das Maß für die anzustrebende Belastungsintensität, um Zusatzlasten zu tolerieren und einer Überbeanspruchung entgegenzuwirken [5]. Belastungen oberhalb der aeroben Schwelle führen mit Zusatzlast zu einem überproportionalen Anstieg der Beanspruchung [5]. Daher wird ein regelmäßiges Training der aeroben Ausdauer zur Vorbereitung auf Belastungen mit Rucksack empfohlen, wie z. B. bei Wanderungen oder Bergtouren mit leichtem bis mäßiges Gepäck (bis zu 30 %). Einen Rucksack von 50 % des individuellen Körpergewichts führt bereits bei Gehgeschwindigkeit zu einem Wechsel in eine aerob-anaerobe Stoffwechsellage. Um dies über ein langsames Gehtempo hinaus kompensieren zu können, müsste eine außerordentliche Ausdauerleistungsfähigkeit [8] vorhanden sein, um einem extremen Leistungsabfall entgegenzuwirken und das Risiko von Überlastungsschäden zu minimieren (Abb. 2). Zudem sollte ein weiterer Schwerpunkt auf die gezielte Regeneration gelegt werden. Es wird daher empfohlen, schwere Rucksäcke in Stehphasen und während Pausen abzusetzen, um die Beanspruchung zu reduzieren (Abb. 2).
Trainingsempfehlungen zur Vorbereitung auf das Tragen von Zusatzlasten
Für den Freizeit- und auch Gesundheitssport lässt sich sagen, dass regelmäßig sportlich aktive Männer und Frauen zwischen 18 und 35 Jahren eine Zusatzlast von bis zu 15 % des individuellen Körpergewichts tolerieren können, wenn die individuelle aerobe Schwelle als Maß für die anzustrebende Belastungsintensität herangezogen wird, um das Risiko einer Überlastung zu minimieren. Darüber hinaus wird ein regelmäßiges Training der Grundlagenausdauer als vorbereitende Maßnahme empfohlen. Für ambitionierte Freizeit- und Leistungssportarten kann bestätigt werden, dass Rucksäcke von bis zu 30 % des individuellen Körpergewichts toleriert werden können. Auch hier sollte die aerobe Schwelle als Maß für die Belastungsintensität angestrebt werden, um das Risiko einer Überbeanspruchung zu minimieren. Neben einem regelmäßigen Training der Grundlagenausdauer ist ein Training zur Steigerung der kardiopulmonalen Fitness [8] als vorbereitende Maßnahme anzuraten. Die Konkretisierung der Beanspruchung beim Tragen von Rucksäcken kann genutzt werden, um bergsportbegeisterte Frauen und Männer für die Bedeutung einer optimalen Abstimmung von Intensität und Regeneration sowie von vorbereitenden Trainings im Bergsport zu sensibilisieren und damit die Häufigkeit von Unfällen und Todesfällen am Berg durch Stürze, Stolpern, Ausrutschen oder Abstürze zu reduzieren [1, 7].
Literatur
- Deutscher Alpenverein e.V.: Sicher unterwegs auf Hochtouren, 2020. https://www.alpenverein.at/shop_wAssets/docs/pdfs-webshop/Cardfolder-Hochtouren.pdf; (Zuletzt geprüft am: 10.11.2022)
- Faulhaber, Martin; Gatterer, Hannes (2019): Trainingslehre und Steigtaktik beim Bergwandern und Bergsteigen. In: Berghold et al. (Hg.): Alpin- und Höhenmedizin. 2. Auflage: Springer, S. 27–35.
- Faulhaber, Martin; Ruedl, Gerhard; Burtscher, Martin (2012): Unfälle beim Bergwandern, auf Hochtouren und beim Klettern–Ursachen für Verletzungen und präventive Maßnahmen. In: Flugmedizin·Tropenmedizin·Reisemedizin-FTR 19 (04), S. 171–175.
- Hollmann, Wildor; Strüder, Heiko K. (2009): Sportmedizin. 5., völlig neu bearb. und erw. Aufl. Stuttgart [u.a.]: Schattauer
- Klughardt, S.: Kardiopulmonale und metabolische Leistungsfähigkeit unter besonderer Berücksichtigung von Zusatzlasten. Berlin: Lehmanns Media (Sportwissenschaften, 18). 2022
- Krenn, Michaela; Domej, Wolfgang; Schwaberger, Günther (2005): Leistungsdiagnostik im Bergsport. In: Wiener Medizinische Wochenschrift 155, S. 7–8.
- Österreichisches Kuratorium für Alpine Sicherheit: Alpinunfälle Jahresrückblick 2020. https://www.alpinesicherheit.at/de/Alpinunfaelle-2020/; (Zuletzt geprüft am: 10.11.2022)
- Riebe, D.; Ehrman, J. et al.: ACSM’s guidelines for exercise testing and prescription. 10th edition. Philadelphia, Baltimore, New York: Wolters Kluwer 2018; 93-94, 134
Autoren
absolvierte ein Studium der Sportwissenschaften an der TU München. Sie ist wiss. Mitarbeiterin im Forschungs- und Lehrbereich „Trainingswissenschaft“ und promovierte 2022 an der Universität der Bundeswehr München zum Thema „Kardiopulmonale und metabolische Leistungsfähigkeit unter besonderer Berücksichtigung von Zusatzlasten“. Darüber hinaus sammelte sie Berufserfahrung in der betrieblichen Gesundheitsförderung und als Sporttherapeutin in verschiedenen stationären und ambulanten Rehabilitationskliniken.
ist Professorin für Trainingswissenschaft am Institut für Sportwissenschaft, Fakultät für Humanwissenschaft der Universität der Bundeswehr München. Ihre aktuellen Forschungsbereiche beinhalten Untersuchungen von Anforderungsprofilen und Belastungsprofilen in verschiedenen Settings unter gesundheitsorientierten, trainingswissenschaftlichen Fragegestellungen.