Die Gesundheit des Sportlers sollte sowohl im Amateur- als auch im Spitzensport an erster Stelle stehen. Aus der Praxiserfahrung heraus werden dennoch häufig mehr Ressourcen für die Optimierung von Material und Umfeld investiert, als in das System Mensch. Auch in der sportmedizinischen Versorgung zeigt sich vielfach eine sehr eingeschränkte Nutzung von aktuellen Möglichkeiten, hier in besonderem Maße auch im Feld der laborchemischen Analysen.
In überwiegender Mehrheit werden nur die klinischen Standardparameter erfasst, d. h. ein großes Blutbild eventuell ergänzt um Leber- und Nierenwerte, Ferritin, Fettstoffwechsel und einige Serummineralstoffe. Der Sportler erhält eine Aussage über seinen Gesundheitszustand im Sinne der Abwesenheit von Krankheit. Was auch definitiv sein muss. Doch sagen die klassischen Parameter nichts aus über den Versorgungszustand mit Mikro- und Makronährstoffen, die Entgiftungskapazitäten, die Verdauungsleistung oder die Regenerationsfähigkeit. Alle diese Faktoren führen zu weniger Infekten, reduzierten verletzungsbedingten Ausfällen, besserer Belastungsverträglichkeit und Regeneration und somit zu einer insgesamt höheren Trainingsqualität. In diesem Artikel soll eine kurze einführende Übersicht über mögliche Themenfelder einer individualisierten Labordiagnostik in der Athletenbetreuung gegeben werden. Die im Folgenden aufgeführten Parameter sind nicht vollständig und sollen als erster Einstieg und Ideenbildung gesehen werden. Die Diagnostik muss immer individuell auf den Sportler abgestimmt und angefordert werden.
Mikronährstoffe
Sportler zeigen häufig eine suboptimale Versorgung mit einzelnen Mikronährstoffen, was u. a. aufgrund der erhöhten Stoffwechselleistungen und der Verluste über den Schweiß erklärbar ist. Doch kann hier eine Gabe von Mikronährstoffen im „Gießkannenprinzip“ nicht zielführend sein. Zwar können breit gefächerte Multiprodukte eine gute Basisversorgung bilden, jedoch nie individuelle Schwachpunkte ausgleichen. Die Analyse jedes einzelnen Sportlers ist notwendig, um individuell vorliegende Versorgungslücken aufdecken zu können. Dabei sollte beachtet werden, dass einige Mineralstoffe bzw. Spurenelemente überwiegend in den Blutzellen konzentriert sind und sich daher Serumanalysen entziehen. Empfehlenswert sind hier Vollblutmineralanalysen der gängigen Mineralstoffe und Spurenelemente. Nur so kann eine optimierte Ernährungsumstellung und Nahrungsergänzung umgesetzt werden. Um den Eisen-Status zu bestimmen eignet sich das Serum Eisen nur eingeschränkt. Sinnvoller sind dabei das Ferritin und die Transferrinsättigung. Auch rein intrazelluläre Analysen können ergänzend sinnvoll sein, so wird z. B. Kalium in der Zelle benötigt, um in Regenerationsphasen die Glykogenspeicherung zu ermöglichen. Bei intrazellulärem Kaliummangel kommt es zu einer unvollständigen Auffüllung der Kohlenhydratreserven und bei Belastung daher zu einer schnelleren Erschöpfung des Athleten.
Überwiegend intrazellulär
– Kalium, Magnesium, Eisen, Zink, Selen
Überwiegend extrazellulär
– Natrium, Calcium, Kupfer
Neben den Mineralstoffen sieht die Versorgungslage im Bereich der Vitamine und Vitaminoide nicht besser aus. So zeigen z. B. Vitamin D, Vitamin B12, Folsäure oder Coenzym Q10 genauso wie in der Gesamtbevölkerung auch bei Sportlern relativ schlechte Spiegel.
Vitamin D ist neben seiner Bedeutung in der Osteogenese auch für die Angiogenese, die Zellproliferation und –differenzierung sowie für die Apoptose notwendig. Vitamin D beeinflusst Gene der Proteinbiosynthese, welche Muskelmasse und -funktion betreffen. Zusätzlich kann es durch die Inhibierung von Interleukin-6 Entzündungen reduzieren. Die positiven Einflüsse auf das Immunsystem sind weitläufig bekannt. Eine Vitamin D/K Kombi ist immer zu empfehlen. B-Vitamine und Coenzym Q10 haben einen herausragenden Stellenwert in der aeroben Energiegewinnung im Rahmen einzelner Enzymkomplexe der Atmungskette. Vitamin C zur adäquaten Funktion von Immunsystem, Kollagenbildung und Entgiftung sollte ausreichend aufgenommen werden. In der Diagnostik ist eine valide Vitamin C- Bestimmung etwas aufwendiger, weil die Probe stabilisiert und lichtgeschützt werden sollte.
Mögliche Marker Mikronährstoffe:
- Mineralstoffe (Natrium, Kalium, Calcium, Selen, Zink, Kupfer, Mangan, Ferritin)
- Vitamine (Vitamin B6, Vitamin B12 (evtl. als Holotranscobalamin), Vitamin D, Vitamin C, Folsäure, Coenzym Q10)
Makronährstoffe
Aminosäuren sind die Baustoffe jeglicher Proteinstrukturen im menschlichen Organismus. Dies betrifft natürlich Muskelprotein und passive Strukturen, aber auch Enzyme, Rezeptoren und andere Organ- und Zellbestandteile. Einen absoluten Eiweißmangel findet man sehr selten. Lediglich bei vorhandenen Gewichts- und Essstörungen oder in extremen katabolen Stoffwechselzuständen eines Übertrainingssyndroms wird dieser sichtbar. Was hingegen durch einseitigen Verbrauch und Konsum entstehen kann, ist ein Ungleichgewicht im Aminosäurestatus. Dann fehlt es im System an einzelnen Bausteinen, welche in Folge zum limitierenden Faktor der Funktion werden.
Immunsystem | Arginin, Glutamin, Taurin |
Kollagen | Glycin, Prolin, Hydroxyprolin |
Hormone / Neurotransmitter | Tyrosin, Phenylalanin, Tryptophan |
Muskeln | Leucin, Isoleucin, Valin |
Entgiftung / Glutathion | Cystein, Glutamin, Glycin |
Wider der Bekanntheit von Aminosäuren im Sport und dem verbreiteten Verzehr von Nahrungsergänzungen in Form von Shakes oder Riegeln, findet sich in der Praxis sehr oft eine unzureichende Proteinversorgung unter Sportlern. Häufig wird sogar eine Minimalempfehlung von 1,5 g Eiweiß / kg Körpergewicht nicht erreicht. Findet hier eine Regulierung von Ernährung und Ergänzung statt, lassen sich viele Beschwerden wie Erschöpfung, rezidivierende Verletzungen oder schlechte Regeneration positiv beeinflussen. Die Funktion von Fettsäuren im Körper, hier stehen im Vordergrund die langkettigen ungesättigten Fettsäuren (EPA, DHA), sind im klinischen Bereich der Herz-Kreislauf Funktion gut untersucht. Auch für den Sportler zeigen sich in kleineren Studien positive Effekte auf Lungenfunktion, Herzfrequenzvariabilität und Regeneration. Dies hat einerseits mit Strukturfunktionen zu tun – Omega-3 Fettsäuren werden in Zellmembranen eingebaut und halten diese fluide – auf der anderen Seite stehen anti-entzündliche Effekte vor allem von EPA im Vordergrund. Interessant ist in der Diagnostik der Omega-3-Index, d. h. das Verhältnis der Omega-3 Fettsäuren zur Gesamtsumme der Fettsäuren und die Eicosanoid-Balance, welche die anti-entzündliche Kapazität aufzeigt. Bis zu einem gewissen Umfang sollte auch auf die Versorgung mit gesättigten Fettsäuren geachtet werden. Diese werden z. B. zur Steroidsynthese benötigt.
Mögliche Marker Makronährstoffe:
- Aminosäurestatus (21 proteinogene AS)
- Fettsäuren i.d. Erythrozytenmembran (Omega-3 Index -EPA/DHA, Eicosanoid-Balance)
- L-Carnitin Status (frei/gesamt)
Der Darm
Einen gesunden Darm als Grundvoraussetzung für eine kontinuierlich hohe Leistungsfähigkeit zu betrachten, ist unter Sporttherapeuten heutzutage noch wenig verbreitet. Hierzu ist auch der Artikel von Dr. med. Henning Sartor, sportärztezeitung 02.2021, zu empfehlen. Ohne spezifische Symptome kommt es selten zu einer genaueren Diagnostik des Darms. Wohingegen jegliche Unterstützung mit Nahrungsergänzung diese voraussetzen sollte, um abzuklären, ob der Darm die substituierten Substanzen adäquat aufnehmen kann. Auffällig häufig findet man bei Sportlern eine leichte Reizung der Darmschleimhaut und/oder ein Integritätsverlust der Epithelzellen (Leaky Gut). Beides führt zu Strukturveränderungen, beeinträchtigt Nährstoffaufnahme und kann zu o. g. suboptimaler Versorgung mit Mikro- und Makronährstoffen führen. Zusätzlich bedeutet eine Reizung im Darm auch immer eine Daueraktivierung des Immunsystems, welche im Organismus zu verzögerter Regeneration und vermehrter Entzündungsbereitschaft führen kann. Rezidivierende Band- und Sehnenreizungen oder eine Zunahme an Nahrungsmittelunverträglichkeiten können hier die Folge sein.
Findet man Auffälligkeiten im roten Blutbild, kann es sinnvoll sein, Mikroblutungen über den Nachweis von Häm- und Haptoglobin im Stuhl auszuschließen. Dieser Nachweis ist sensitiver als der gängige Test nach okkultem Blut im Stuhl. Neben der Konstitution der Darmschleimhaut spielt auch die bakterielle Besiedlung des Darms, das intestinale Mikrobiom, eine bedeutende Rolle. Eine ausgeglichene Bakterienwelt sorgt für das richtige Milieu, um schädliche Gattungen an einer Überbesiedlung zu hindern und lässt günstige Arten kolonialisieren. Auch Bakterien selbst erzeugen in ihrem Stoffwechsel wichtige Metabolite, welche verdauungsfördernd, antientzündlich – antioxidativ und mucosa-nutritiv wirken.
Mögliche Marker der Darmgesundheit:
- Mikrobiom (Bakterielle Besiedlung)
- Zonulin (Leaky Gut)
- Calprotectin (Entzündung)
- Sekretorisches IgA (Schleimhautimmunsystem)
- Verdauungsrückstände (Verdauungsleistung, Unverträglichkeiten)
Stress und Überlastung
Es ist bis heute sehr schwer, durch einmalige Analysen Überlastungs- oder Übertrainingszustände adäquat abzubilden oder vorherzusagen. Dennoch zeigen sich auch im ambitionierten Amateursport vermehrt Zeichen von Erschöpfungszuständen, wiederkehrenden Verletzungen, muskulären Problemen oder ausbleibenden Trainingsadaptationen. Hier kann eine Diagnostik aus dem klinischen Bereich hilfreich sein. Die Aktivierung des Stresssystems kann z. B. durch ein Cortisol-Tagesprofil oder ein Neurotransmitterprofil abgebildet werden. Ein typisches Bild für Sportler, welche über Probleme mit morgendlichem Training oder frühen Wettkämpfen klagen, ist ein auffällig verminderter Cortisolwert eine Stunde nach dem Aufstehen. Neben den Anlaufschwierigkeiten am Morgen lässt sich hier auch eine eingeschränkte Regeneration in der Nacht vermuten. Bei häufigem Auftreten von Muskelverhärtungen, Sehnenentzündungen, aber auch Knochenödemen kann die Messung auf übermäßigen Strukturabbau mittels Crosslinks (Pyridinolin, Desoxypyridinolin) Einblick in die metabolische Situation des Athleten geben. Ursächlich sind hier unzureichende Regenerationszyklen und in besonderem Maße eine mangelhafte Proteinversorgung, welche zu endogenem Strukturverschleiß und somit Funktionsverlust führt (Vorsicht bei Nachwuchsathleten, in Wachstumsphasen sind die Crosslinks physiologisch erhöht). Übermäßige Radikalbelastungen durch Sauerstoff- und Stickstoffradikale sind bei ausreichender Versorgung mit Mikronährstoffen selten ein grundlegendes Problem. Bis zu einem gewissen Ausmaß und kurzzeitig auftretend sind diese Radikale wichtige Messenger der Adaptationen auf Trainingsreize und sollten nicht um jeden Preis abgefangen werden. Interessant im Bereich Nachwuchsentwicklung im Leistungssport kann eine genetische Untersuchung auf Varianten der Glutathionperoxidase und der Superoxiddismutase als Basisenzyme der Radikalentgiftung sein. Sind hier Mutationen vorhanden, kann eine über Jahre latente Belastung mit Radikalen zu dauerhaften Schäden an Organstrukturen führen.
Mögliche Marker Stress / Überlastung:
- Cortisol-Tagesprofil (Stressverarbeitung)
- Neurotransmitterprofil (Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, Serotonin, GABA, Glutamat)
- hsCRP, IL-6 (Entzündungsgeschehen)
- Lipidperoxidation, Nitrotyrosin (Sauerstoff- / Stickstoffradikale)
- Pyridinolin / Desoxypyridinolin (Strukturabbau)
- TSH, fT3, fT4 (Schilddrüse-Stoffwechsel)
Abschließend zu bemerken ist, dass eine labordiagnostische Untersuchung immer individuell am Athleten, seinen Symptomen sowie Lebens- und Trainingsgewohnheiten orientiert sein sollte. Auch eine an verschiedene Trainingszyklen angepasste Diagnostik erscheint sinnvoll.
Autoren
ist Sportwissenschaftler M.A. und Therapeut für Mikronährstoffmedizin. Er hat einen CAS in Integrative Diagnostik und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei biovis Diagnostik MVZ GmbH, Limburg.