Die Arthroskopie besitzt inzwischen einen hohen Stellenwert bei verschiedenen Verletzungen des Ellbogengelenks. Insbesondere bei der Behandlung von Frakturfolgezuständen, der Entfernung freier Gelenkkörper, der Arthrolyse sowie der Instabilitätsdiagnostik ist sie ein standardisiertes und weit verbreitetes Verfahren [1, 2].
Erstmalig wurde eine Arthroskopie am Ellbogen im Rahmen einer Kadaverstudie von Burman im Jahre 1932 durchgeführt [3]. Im weiteren Verlauf gab es stetig neue Forschungsergebnisse, sodass sich das Spektrum der Ellbogenarthroskopie stetig vergrößerte. Im Jahre 1996 berichteten Liu et al erstmals über eine arthroskopische Versorgung bei Frakturen am Ellbogengelenk [4]. Es wurden in zwei Fällen bei einer Koronoidfraktur einmal ein Debridement durchgeführt sowie einmal ein freier Gelenkkörper entfernt [4]. Im weiteren Verlauf nahm die Anzahl an Fallberichten über die arthroskopische Frakturversorgung stetig zu.
Arthroskopisch möglich ist prinzipiell die Entfernung freier Knorpel- und Knochen-Fragmente, ein Debridement sowie die Erkennung und Behandlung von ligamentären Begleitverletzungen [1, 2]. Von zunehmendem Interesse ist weiterhin auch die arthroskopische Reposition und interne Fixation beispielsweise mittels Drähten, Schrauben, Pins oder Ausziehnähten. Für größere Gelenke wie das Knie und die Schulter wird dieses Verfahren schon regelhaft angewendet. Die arthroskopische Frakturversorgung am Ellenbogen befindet sich noch in der Entwicklung. Bisher liegen lediglich Casereports und kleinere Fallstudien vor [5]. Größere prospektive Multicenterstudien fehlen und sind zur Beurteilung der Evidenz und des zukünftigen Stellenwerts notwendig. Für bestimmte Frakturtypen zeigt die Literatur jedoch durchaus gute und interessante Ergebnisse [5]. Die Arbeitsgruppen um Rausch et al aus Bochum und Köln veröffentlichten hierzu 2018 eine Übersichtsarbeit der vorhandenen Literatur sowie eine Beschreibung der bisher verfügbaren Möglichkeiten zur arthroskopisch gestützten Frakturversorgung [1]. Studien liegen beispielsweise für die Versorgung von Radiuskopffrakturen, Koronoidfrakturen, Capitulumfrakturen sowie auch Verletzungskombinationen nach stattgehabter Luxation vor [4, 6 – 10].
Als Vorteile der arthroskopischen Versorgung sind vor allem die geringe Zugangsmorbidität, die exakte Beurteilbarkeit der Reposition mit geringeren Durchleuchtungszeiten und die Behandlung von Begleitpathologien anzuführen. Eine Herausforderung stellt hingegen noch die limitierte Datenlage sowie das zeitaufwändige und technisch schwierige Vorgehen mit einer flachen Lernkurve dar. Im eigenen Vorgehen erfolgt nach präoperativer Diagnostik und entsprechender Indikationsstellung die operative Versorgung in Seitenlage. Standardmäßig erfolgen hierbei der diagnostische Rundgang und die Dokumentation aller vorliegenden Befunde und Pathologien. Insbesondere begleitende Knorpel- sowie Bandverletzungen können so sicher diagnostiziert und anschließend adressiert werden. Sollten sich intraoperativ komplexere Verletzungsmuster zeigen, die einem alleinigen arthroskopischen Vorgehen nicht zugänglich sind, ist auch die Konversion zu einem offenen Vorgehen möglich.
Radiuskopffrakturen
Für Radiuskopffrakturen liegen mehrere Fallberichte vor [7, 11, 12]. Insbesondere für Mason II Frakturen konnten hierbei gute Ergebnisse erzielt werden [11]. Nach der durchgeführten diagnostischen Arthroskopie kann die Radiuskopffraktur mittels Tasthaken reponiert werden. Die temporäre Fixation erfolgt in diesem Fall über Kirschnerdrähte. Die definitive Fixation erfolgt über (kanülierte-) Schrauben oder, bei kleinen Fragmenten, auch über die Fixation mittels biodegradierbarer Pins. Einige Studien beschreiben auch die Entfernung der Frakturfragmente, wenn diese weniger als 25 % der Gelenkfläche einnehmen [10].
Koronoidfrakturen
Die operative Versorgung von Koronoidfrakturen ist anhand der Studienlage sowohl für kleinere Spitzenfragmente als auch für basisnahe Frakturen beschrieben (Typ Regan-Morrey I-III) [4, 8]. Bezüglich der Koronoidfrakturen ist anzugeben, dass diese häufig Teil von Komplexverletzungen sind. Eine präoperative Diagnostik mittels CT und MRT ist somit unbedingt sinnvoll, um das Verletzungsausmaß nicht zu unterschätzen. Nach arthroskopischer Darstellung der Fraktur erfolgt die Reposition und temporäre Fixation über Kirschnerdrähte. Die Drähte werden dabei von der streckseitigen Ulna aus eingebracht. Anschließend kann eine retrograde Schraubenosteosynthese erfolgen. Je nach Fragmentgröße können eine oder mehrere Schrauben verwendet werden. Für Koronoidspitzenfrakturen sind auch operative Versorgungsmöglichkeiten mittels Fadenzerklage und Fixierung über einen Button beschrieben. Bei dieser Art der operativen Versorgung ist ein Zielgerät, wie beispielsweise aus der Kreuzbandchirurgie, bekannt, sowohl zur Reposition als auch zur Anlage der Bohrkanäle hilfreich. Perkutan werden Bohrungen von der dorsalen Ulnakante zum Frakturbett durchgeführt. Anschließend wird die Koronoidspitze mit der ggf. anheftenden Kapsel durchstochen, die Fäden über die Bohrungen hervorgeshuttelt und die Fraktur durch Zug reponiert. In einer Studie von Won-Taek Oh aus Korea wurden 25 Patienten mit einer retrograden Schraubenosteosynthese oder Kirschnerdraht-Osteosynthese versorgt [8]. Es zeigten sich dabei keine signifikanten Unterschiede bezüglich der klinischen Scores, der Prävelenz von heterotopen Ossifikationen sowie Arthrose. Die operationsbedingten Komplikationen waren jedoch in der Gruppe der arthroskopischen Versorgung mit 13,3 % deutlich geringer als in der Gruppe des offen chirurgischen Vorgehens mit 40 % [8].
Capitulumfrakturen
Es liegen ebenfalls Fallberichte zur arthroskopischen Versorgung von koronaren Abscherfrakturen des distalen Humerus vor [9, 13]. Trümmerfrakturen sind dem arthroskopischen Vorgehen nicht zugänglich, u. a. aufgrund der erschwerten Reposition. Ähnlich dem offenen Vorgehen wird nach durchgeführter diagnostische Arthroskopie das Fragment mittels Tasthaken reponiert und über mehrere K-Drähte fixiert. Im Anschluss kann die Fixation über kanülierte Kopfgewindeschrauben erfolgen.
Terrible-Triad-Verletzung
Im Fokus der Forschung liegt aktuell ebenfalls die arthroskopische Versorgung von Ellenbogengelenkluxationsfrakturen. Die Terrible-Triad-Verletzungen beschreibt dabei die Verletzungskonstellation aus Ellbogenluxation, Radiuskopffraktur und Koronoidfraktur. Hierzu liegt eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2020 einer koreanische Arbeitsgruppe um Suang Hyun Lee vor [10]. Im Rahmen dieser Studie mit 24 Patienten erfolgte die Fixation des Koronoidfragments über Ausziehnähte oder eine Kirschnerdraht-Osteosynthese. Die Radiuskopffraktur wurde über eine Kirschnerdraht- oder Schraubenosteosynthese sowie in 46 % einer Fragmentresektion versorgt. Weiterhin erfolgte eine arthroskopische Refixation der Kollateralbänder. Dabei konnten zufriedenstellende klinische Ergebnisse erzielt werden. Berichtet wurde über fünf Komplikationen. Hierbei handelte es sich um vier Pseudarthrosen und eine Reizung der Einstichstelle. Unter Berücksichtigung der längeren OP-Zeiten, des aufwendigen Setting sowie des hohen Schwierigkeitsgrads erfolgt im eigenen Vorgehen die Versorgung von Terrible Triad Verletzungen offen chirurgisch.
Fazit
Die arthroskopische Frakturversorgung am Ellenbogen bietet vielversprechende Möglichkeiten bei jedoch noch begrenzter Datenlage. Folglich sind weitere prospektive Studien notwendig, um die Evidenz und den Stellenwert der Arthroskopie in diesem Bereich eindeutig beurteilen zu können. Die vorliegende Datenlage beschränkt sich überwiegend auf Fallstudien und Casereports. Der arthroskopischen Frakturversorgung sind potenziell Radiuskopffrakturen (Typ Mason II), unifragmentäre Koronoidfrakturen (Typ Regan-Morrey I-III), Capitulumfrakturen ohne Trümmerzone sowie Terrible-Triad-Verletzungen zugänglich. Grundsätzlich ist zu beachten, dass die arthroskopische Frakturversorgung ein technisch äußerst anspruchsvolles Verfahren mit einer flachen Lernkurve, längeren Operationszeiten und aufwendigem Setting ist. Die präoperative Röntgen-, CT-, MRT-Diagnostik zur Erfassung der Verletzungsausmaße und Operationsplanung ist erforderlich. Die Weiterentwicklung der arthroskopischen Frakturversorgung erscheint vielversprechend, insbesondere aufgrund der Vorteile der geringeren Zugangsmorbidität, der exakten Beurteilbarkeit der Reposition mit geringeren Durchleuchtungszeiten und der Erkennung von Begleitpathologien. In der Versorgung von Verletzungsfolgezuständen, zur Instabilitätsdiagnostik sowie bei der Arthrolyse ist die Ellenbogengelenksarthroskopie bereits fester Bestandteil des klinischen Alltags.
Literatur
1. Rausch, V., Wegmann, K., Müller, L., Schildhauer, T. A. & Seybold, D. Frakturen des Ellenbogengelenks. Arthroskopie 31, 32–40 (2018).
2. Hackl, M., Müller, L. P. & Wegmann, K. Arthroskopisch assistierte Frakturversorgung am Ellenbogen. Obere Extremität 13, 14–22 (2018).
3. BURMAN, M. S. ARTHROSCOPY OF THE ELBOW JOINT: A Cadaver Study. JBJS 14, (1932).
4. Liu, S. H., Henry, M. & Bowen, R. Complications of type I coronoid fractures in competitive athletes: Report of two cases and review of the literature. Journal of Shoulder and Elbow Surgery 5, 223–227 (1996).
5. Yeoh, K. M., King, G. J. W., Faber, K. J., Glazebrook, M. A. & Athwal, G. S. Evidence-Based Indications for Elbow Arthroscopy. Arthroscopy: The Journal of Arthroscopic & Related Surgery 28, 272–282 (2012).
6. Moskal, M. J., Savoie, F. H. & Field, L. D. ELBOW ARTHROSCOPY IN TRAUMA AND RECONSTRUCTION. Orthopedic Clinics of North America 30, 163–177 (1999).
7. Rolla, P. R., Surace, M. F., Bini, A. & Pilato, G. Arthroscopic Treatment of Fractures of the Radial Head. Arthroscopy: The Journal of Arthroscopic & Related Surgery 22, 233.e1-233.e6 (2006).
8. Oh, W.-T. et al. Comparison of arthroscopy-assisted vs. open reduction and fixation of coronoid fractures of the ulna. Journal of Shoulder and Elbow Surgery 30, 469–478 (2021).
9. Hardy, P., Menguy, F. & Guillot, S. Arthroscopic treatment of capitellum fracture of the humerus. Arthroscopy: The Journal of Arthroscopic & Related Surgery 18, 422–426 (2002).
10. Lee, S. H., Lim, K. H. & Kim, J. W. Case Series of All-Arthroscopic Treatment for Terrible Triad of the Elbow: Indications and Clinical Outcomes. Arthroscopy: The Journal of Arthroscopic & Related Surgery 36, 431–440 (2020).
11. Michels, F., Pouliart, N. & Handelberg, F. Arthroscopic management of Mason type 2 radial head fractures. Knee Surg Sports Traumatol Arthr 15, 1244–1250 (2007).
12. Haasters, F. et al. The value of elbow arthroscopy in diagnosing and treatment of radial head fractures. BMC Musculoskelet Disord 20, 343 (2019).
13. Kuriyama, K., Kawanishi, Y. & Yamamoto, K. Arthroscopic-Assisted Reduction and Percutaneous Fixation for Coronal Shear Fractures of the Distal Humerus: Report of Two Cases. The Journal of Hand Surgery 35, 1506–1509 (2010).
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Er ist als Facharzt in der Klinik für Arthroskopische Chirurgie, Sporttraumatologie und Sportmedizin des BG Klinikums Duisburg tätig. Von 2020-2021 betreute er den Fußballverein KFC Uerdingen 05.
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Er ist Chefarzt der Klinik für Arthroskopische Chirurgie, Sporttraumatologie und Sportmedizin des BG Klinikums Duisburg und AGA Instruktor. Außerdem ist Dr. Schoepp seit 2012 Mannschaftsarzt des MSV Duisburg.