Nach unserem Artikel zu Cannabidiol (CBD) in der letzten Ausgabe der sportärztezeitung (04/19) erreichte uns viel unterschiedliches Feedback. CBD ist ein Thema, das die Gemüter erregt. Und CBD ist ein Thema, das aktuell in die falsche Richtung zu kippen droht.
Während die Forschung lange nicht abgeschlossen ist und vieles noch spekulativ ist, wird die Diskussion längst nicht mehr sachlich und rein wissenschaftlich geführt. So schadet sie der Substanz mehr, als dass sie der Substanz hilft. Vieles hiervon kann man auf die Frage reduzieren: „Was ist eigentlich CBD?“ Ist es ein Medikament? Ist es eine Droge? Ist es ein Nahrungsergänzungsmittel? Ist es eine Dopingsubstanz? Ist es überhaupt erlaubt? Ist CBD rezeptpflichtig? Oder ist es einfach nur legales Kiffen? So einfach die Frage ist, so schwer ist die Antwort.
Von den mehr als 100 Komponenten des Cannabis ist neben dem Tetrahydrocannabinol (THC) das Cannabidiol (CBD) die am besten untersuchte Substanz. Reines CBD hat keine halluzinogene Wirkung, da der THC-Anteil des Cannabis eliminiert wurde. Es bindet an CB1 und CB2-Rezeptoren und wirkt außerdem als Agonist am G-Protein gekoppelten Rezeptor GPR5S. CBD ist chemisch klar definiert und wirkt nachgewiesenermaßen antiepileptisch. Es bestehen mehrere medizinische Indikationen, für die eine Zulassung besteht und es ist somit verschreibungsfähig. So ist es z. B. bei Kindern oral für bestimmte Epilepsieformen zugelassen. Ferner bestehen weitere vermutete, aber noch nicht vollständig belegte Wirkungen. Diese umfassen analgetische, antipsychotische, anxiolytische, antiinflammatorische und antikarzinogene Wirkungen. Es wird als Zusatztherapie bei manchen Patienten mit Multipler Sklerose eingesetzt. Weitere Behandlungsgebiete werden aktuell beforscht, so z. B. der Einsatz bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Ebenfalls hat CBD einen Stellenwert in der Schmerzmedizin.
Damit könnte man CBD klar als Medikament definieren und schon stellt sich die Frage, ob es damit apotheken- oder gar verschreibungspflichtig ist. In einem Leserbrief wies uns ein Apotheker darauf hin, dass das Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), also immerhin eine staatliche Behörde, auf seiner Homepage schreibt: „Dem BVL ist derzeit keine Fallgestaltung bekannt, wonach Cannabidiol (CBD) in Lebensmitteln, also auch in Nahrungsergänzungsmitteln, verkehrsfähig wäre. Aus Sicht des BVL muss für CBD-haltige Erzeugnisse vor dem Inverkehrbringen entweder ein Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels oder ein Antrag auf Zulassung eines neuartigen Lebensmittels gestellt werden. Im Rahmen dieser Verfahren ist die Sicherheit des Erzeugnisses vom Antragsteller zu belegen.“ Aus Sicht des BVL ist CBD also aktuell schlicht nicht verkehrsfähig; was jedoch nichts daran ändert, dass es aktuell leicht in Shops oder über das Internet in verschiedenen Konzentrationen und Qualitäten erworben werden kann, ohne dass diese Praxis abgemahnt würde. Dass alleine eine Apothekenpflicht den verantwortungsvollen Umgang verbessern würde, erscheint zwar erst logisch, trifft aber leider nicht zu. CBD ist zunächst einmal ein Markt, mit dem man viel Geld verdienen kann. In Darmstadt beispielsweise wird CBD mit dem Slogan beworben: „Kauf dein Gras nicht auf der Straße. Legales Cannabis gibt’s bei uns.“, oder es hängen große Poster vor Schulen: „Jetzt auch in Darmstadt: Legales Cannabis“. Verantwortungsvoll geht anders! Der Bezug zum Drogenkonsum wird hier bewusst hergestellt und CBD als „Lifestylesubstanz“ dargestellt. Dass es jetzt bereits einen Automaten in Darmstadt gibt, an dem man rund um die Uhr CBD-haltige Produkte (deren Hauptlogo eine Cannabispflanze ist) beziehen kann, könnte als Satire betrachtet werden, ist aber bereits Realität. Wenn man bei Youtube das Suchwort CBD eingibt, erscheint als erster Treffer: „CBD Selbstversuch: Legales Kiffen? Alles, was Du über CBD wissen must.“ Der Film hat aktuell > 500.000 Zugriffe. CBD hat somit eine klare Positionierung im Markt bekommen und während die Mehrheit der Ärzteschaft mit dem Begriff immer noch nichts anfangen kann, informiert sich die Zielgruppe selbst über CBD bei Influencern, aber nicht bei Ärzten oder Apothekern.
Worauf wir zur zweiten Frage kommen. Ist CBD legales Kiffen? Die Antwort ist ein klares Jein! Als Kiffen bezeichnet man eigentlich den Gebrauch (oder Missbrauch) von Cannabis bzw. THC, dem anderen gut erforschten Bestandteil von Cannabis. THC ist klar als psychoaktive Substanz mit Suchtpotential definiert. Um den THC-Anteil sollten CBD-Produkte eigentlich bereinigt sein. In der Realität handelt es sich aber bei vielen frei verkäuflichen CBD-Ölen um Stoffgemische, die als Extrakt aus Hanfsamen gewonnen werden. Hierbei ist häufig ein mehr oder weniger großer THC-Anteil weiterhin nachweisbar ist. Das ist auch der Grund, weshalb die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) vor dem Einsatz von CBD im Leistungssport warnt. CBD ist aktuell zwar nicht als verbotene Substanz klassifiziert und somit kein Dopingmittel und prinzipiell erlaubt, es besteht jedoch nicht nur der begründete Verdacht, sondern es wurde bereits mehrfach nachgewiesen, dass Athleten, die CBD einnehmen, positiv auf THC getestet werden können. Bei THC handelt es sich allerdings um eine Substanz, die auf der Liste der verbotenen Substanzen der NADA steht. Ähnliche Risiken bestehen übrigens auch bezüglich der Fahrtüchtigkeit, wenn bei Fahrern bei einer Verkehrskontrolle oder nach Unfällen THC durch verunreinigtes CBD nachgewiesen wird.
Ist CBD ein Nahrungsergänzungsmittel (NEM)? Definitiv nein. NEM substituieren in der Regel einen nachgewiesenen oder vermuteten Mangel, bzw. unterstützen den Organismus in Phasen eines erhöhten Bedarfs mit Substanzen oder Wirkstoffen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Omega-3-Fettsäure. Es ist bekannt, dass bei Sportlern ein erhöhter Omega-3-Bedarf besteht, bzw. häufig ein Omega-3-Mangel vorliegt. Hier ist eine Substitution therapeutisch oder prophylaktisch sinnvoll. Auch bei NEM ist der Übergang zu Medikamenten manchmal fließend und auch hier wächst der Markt in den letzten Jahren deutlich an. CBD gehört formal nicht in diesen Markt. Es sind beim Menschen keine CBD-Mangelzuständen bekannt, die substituiert werden sollten. Wie oben beschrieben, ist die Diskussion, ob es sich bei CBD um ein Nahrungsmittel oder ein Medikament handelt, nicht abgeschlossen und es ist durchaus möglich, dass die aktuell freie Verfügbarkeit von CBD zukünftig eingeschränkt werden wird.
CBD ist allerdings momentan eine Realität. Es wird von vielen Menschen und auch von Sportlern vielfach verwendet. Viele der nachgewiesenen oder postulierten Wirkungen sind potenziell auch für Sportler günstig und können die Regeneration fördern, bzw. den Stresslevel reduzieren. Die Einnahme von CBD steht für einige für einen bestimmten Lifestyle. Dies wird von vielen Vorbildern, Youtubern und Influencern propagiert. Influencer und Youtuber haben vielfach eine höhere Reichweite als Ärzte (und sind im Übrigen häufig viel besser als Ärzte über CBD informiert). Ärzte die Sportler betreuen, müssen sich deshalb, unabhängig davon, ob sie CBD empfehlen oder davon abraten, mit CBD auseinandersetzen. Sie müssen ihren Standpunkt erklären können und dies geht nur über eine Kenntnis der Fakten. Sollten Ärzte CBD empfehlen, so sollten sie nicht die Substanz alleine, sondern ein Produkt empfehlen, von dessen Qualität und Reinheit sie überzeugt sind. Außerdem sollte eine klare Abgrenzung von Drogenkonsum vorgenommen werden. „Kiffen light“ zu propagieren ist keine Aufgabe für Ärzte oder Apotheker.
Autoren
ist Chefarzt der Inneren Medizin/Kardiologie am Katholischen Klinikum Koblenz-Montabaur und war langjähriger Teamarzt des 1. FSV Mainz 05. Seit 2015 ist er wiss. Beirat der sportärztezeitung, gehört zu deren Redaktionsteam und ist seit 2023 Mitherausgeber.
ist Assistenzärztin der Klinik für Allg. Innere Medizin/ Kardiologie, Katholisches Klinikum Koblenz-Montabaur Marienhof Koblenz, Mitglied der Medical Commission der EUSA und Team-Ärztin Universade 2015, 2019.
ist seit Anfang 2018 Arzt in Weiterbildung in der Inneren Medizin/Kardiologie, Katholisches Klinikum Koblenz und arbeitet zurzeit an einer Promotion im Fachbereich Sportmedizin.