Immer wieder liest man in MRT-Befunden die folgende Frage: „Vorliegen eines Knochenödems – Zustand nach extrakorporaler Stoßwellentherapie?“ Diese Frage ist umso erstaunlicher, als dass unseres Wissens nach kein einziger entsprechender Befund in der internationalen Literatur dokumentiert wurde.
Umgekehrt konnte kürzlich einer von uns (P.C.L.) in einer systematischen Übersichtsarbeit zeigen, dass adäquate, auch hochenergetische extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) für Behandlungen von Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates bei Vorlage eines Knochenödems eine effektive und sichere Behandlungsoption darstellt [1]. Der andere von uns (C.S.) konnte in Zusammenarbeit mit Kollegen der Orthopädie an der LMU München schon vor 20 Jahren zeigen, dass bei der Behandlung der Plantarfasziopathie mit ESWT das Vorliegen eines Knochenödems im Kalkaneus ein prognostisch günstiges Zeichen ist [2]. Auch für die Behandlung von Leistenschmerz und der Osteitis pubis (mit Vorliegen eines Knochenödems) mittels ESWT konnte in der bisher einzigen randomisiert kontrollierten Studie zu diesem Thema gegenüber Scheinbehandlung eine deutliche Verbesserung der klinischen Situation erzielt werden [3]. Leider wurden in dieser Studie keine Kontroll-MRTs gezeigt, aus denen man ableiten könnte, wie sich das Knochenödem im Behandlungsverlauf verändert hat (die Autoren schilderten lediglich einen Rückgang des Knochenödems im Zeitverlauf, allerdings auch bei Scheinbehandlung).
Diese Frage möchten wir am Beispiel der Beteiligung der Schambeinäste bei Leistenschmerzen im Profisport beantworten – ein Krankheitsbild, das sicher jedem Sportmediziner bekannt ist. Die Frage nach der zugrundeliegenden Kausalität und Ursache sowie eine Einordnung in das Beschwerdebild sind individuell sehr unterschiedlich. Bei der Lösung bedarf es vor allem Erfahrung, eines ganzheitlichen Blickes und guten funktionierenden Netzwerkes. In der Planung und Durchführung der Behandlungsstrategie kommen für uns Mannschaftsärzte erschwerende Phänomene, wie der erhöhte Zeitdruck und das fachliche Beurteilungsdefizit des sportlichen Umfeldes, hinzu. Jeder Mannschaftsarzt kennt die Situation, wenn Trainer oder Sportchef mit eigenen Erfahrungen oder Experten „helfen“ wollen und ggf. dadurch den Sportler verunsichern und das Vertrauensverhältnis zu uns und den Physiotherapeuten belasten. Einen besonders wichtigen Aspekt in der multimodalen Therapie der Leisten- und Adduktorenprobleme stellt die Osteitis pubis dar. Aufgrund unserer Expertise und Erfahrung mit Knochenödemen empfehlen wir bei Leisten- und Adduktorenproblemen, bei denen eine Osteitis pubis im MRT gesichert ist (Abb. 1a), die Ergänzung der multimodalen Therapie um die Behandlung der begleitenden Knochenpathologie. Es werden zunächst Nebenpathologien, wie z. B. eine Instabilität der Symphyse mit ggf. dem secondary cleft sign, der weichen Leiste oder lumbalen Einflüssen überprüft. Weitergehend bedeutet dies, dass neben der Grundbehandlung mit Infiltrationen (z. B. PRP, Blutderivate oder LA/Traumeel), der intensiven, strukturierten physiotherapeutischen Behandlung und der Optimierung von muskulären Dysbalancen der ventralen und dorsalen Stabilität, auch eine Optimierung des Knochenstoffwechsels erfolgen sollte.
Am LANS Medicum Hamburg wird das Knochenödem als eine Pathologie erfasst, dessen Ursprung in einer biomechanischen Störung der Statik mit oft einhergehender Fehlbelastung und/oder einer defizitären Stoffwechselsituation zu suchen ist. Der oben genannte multimodale therapeutische Ansatz ist denkbar einfach und sollte als ein Standard ab der ersten Minute mit in das Gesamtkonzept integriert werden. Konkret wird nach Kontrolle des spezifischen Knochenlabors und der Knochendichtemessung der Knochenstoffwechsel mit Hochdosis Vitamin D-Gabe (Zielwert mind. 40 ng/ml) optimiert. (Anmerkung der Redaktion: Eine Kombination D3 und K2 wird in einer Working-Group Nutrition der sportärztezeitung gerade geprüft. Weitere Infos dazu finden Sie auch in dem Artikel “Vitamin K2 – Kombination mit D3“, Dr. Klaus Pöttgen, sportärztezeitung 01/21). Sollte eine katabole Situation bestehen (crosslaps erhöht), kann der zweimalige Einsatz eines Antiresorptivums in 4-wöchigem Abstand diskutiert werden (z. B. Bisphosphonat oder einmalig Prolia als off-label Gabe). Anschließend setzen wir die fokussierte ESWT 2-3-mal wöchentlich ein; die radiale ESWT ist (bei geringerer Eindringtiefe) alternativ möglich. Dieses Procedere wird über einen Zeitraum von 4 Wochen beibehalten. Eine deutliche Schmerzreduktion sollte im Verlauf vom Sportler angegeben werden. Der Rückschluss auf die positiven Therapieeffekte am Schambein kann dann im Kontroll-MRT nachgewiesen werden. Hier ist jedoch eine komplette Remission frühestens erst nach 6 – 7 Wochen aufgrund der Knochenbiologie feststellbar (Abb. 1b). Leitsymptom der positiven Wirkung der Therapie ist der Rückgang des Belastungs- und Druckschmerzes über den Schambeinen. Am LANS Medicum Hamburg setzten wir begleitend die Magnetfeldtherapie ein.
Literatur
[1] Häußer et al., J Orthop Surg Res 2021;16(1):369
[2] Maier et al., J Rheumatol 2000;27(10):2455 – 2462.
[3] Schöberl et al., Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2017;25(6):1958 – 1966.
Autoren
ist Inhaber des Lehrstuhls II der Anatomischen Anstalt der Ludwig-Maximilians Universität München und wissenschaftlicher Beirat der sportärztezeitung.
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Spezielle Unfallchirurgie und Sportmedizin. Er ist Gründer und Inhaber des LANS Medicum. Seine mannschaftsärztlichen Betreuungen umfassten u. a. das Handballteam des HSV sowie von 2011-2014 die Erstligafußballmannschaft des Hamburger SV. Heute betreut er mit seinem Team mehrere Fußball- und Hockeyteams sowie das Hamburger Ballett von John Neumeier. Außerdem ist Prof. Catalá-Lehnen als Professor für den Schwerpunkt Orthopädie an der Medical School Hamburg und am UKE in der Lehre für das Fach Knochenpathologie tätig.