Im Vorfeld des 2. Symposiums „Professional Sports Treatment“ in München im November 2017 wurde von einer Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Florian Pfab, Dr. Henning Ott, Dr. Christian Schneider und dem Autor ein Fragebogen zu aktuell relevanten medizinischen Fragestellungen im Hochleistungssport entwickelt, mit der Intention, Thematiken für weitere sportmedizinische/sportorthopädische Symposien zu erarbeiten.
Um eine möglichst große Zahl an Kollegen zu erreichen, die im Hochleistungs- und Profisport tätig sind, wurden die Fragebögen an die Teilnehmer des erwähnten Symposiums sowie der jährlich stattfindenden DFB-Tagung für die Mannschaftsärzte der Bundesligavereine verteilt und im Anschluss an die jeweiligen Tagungen wieder anonymisiert eingesammelt. Insgesamt konnten so 50 Fragebögen zur Auswertung gelangen.
Folgende 3 Themenkomplexe wurden abgefragt:
- Muskelverletzungen (Therapie/Prophylaxe)
- Überlastungsschäden/Knorpel (Therapie/Prophylaxe)
- Forensische /juristische Probleme
Das besondere Interesse der Autoren lag dabei in der Ermittlung des Stellenwertes verschiedener Behandlungsstrategien bei den verschiedenen Krankheitsbildern/Verletzungen:
- Myofasziale Behandlung und deren Techniken
- extrakorporale Stoßwellentherapie
- PRP/ACP
- Segmentale Behandlung/ WS-Infiltrationen
Je nach subjektiver Relevanz der Antworten zu den Fragen konnte diesen eine Ziffer zwischen 1 und 11 je nach Anzahl der vorgegebenen Antworten zugeordnet werden, wobei 1 die am ehesten zutreffende Antwort darstellt und die weniger relevanten Antworten entsprechend der aufsteigenden Ziffern zugeordnet wurden. Die Auswertung der Fragebögen erfolgte unter Ermittlung des sogenannten Modalwertes. Im Folgenden soll ein ausführlicher Überblick über die Ergebnisse zu den Themenkomplexen Muskelverletzungen und Überlastungsschäden/Knorpel gegeben werden. Der Bereich forensische/juristische Probleme soll nur kurz Erwähnung finden.
Themenblock muskuläre Verletzungen
Zur Frage nach Ursachen von Muskelverletzungen zeigt die Auswertung, dass ein schlechter Trainingszustand des Sportlers sowie eine falsche Trainingssteuerung als die wichtigsten Ursachen bevorzugt genannt werden, wohingegen ungenügende muskuläre Behandlungen sowie falsche Ernährung eine eher untergeordnete Rolle spielen. Dementsprechend werden als wichtigste Parameter zur Vorbeugung von muskulären Verletzungen eine optimale Trainingssteuerung sowie ein Funktionelles Training mit Korrektur eventuell vorhandener Defizite von der Mehrheit der Befragten angegeben. Eine psychologische Betreuung und Steuerung des Sportlers sowie die Behandlung von myofaszialen Triggerpunkten scheinen erstaunlicherweise in der Prophylaxe von muskulären Verletzungen von geringer Relevanz zu sein (Abb. 1).
Beim Thema der Behandlung von Muskelverletzungen der Kategorie 3 nach Müller-Wohlfahrt Klassifikation (Muskelfaser- und Muskelbündelriss) sind die häufigsten Antworten mit der höchsten Relevanz die intraläsionale Infiltration mit PRP/ACP, gefolgt von manueller Behandlung proximal und distal der Läsion und im Weiteren die Infiltration der LWS als segmentale Behandlung. Am wenigsten relevant wird von den Befragten die Magnetfeldtherapie gefolgt von der Infiltration des Muskels mit Actovegin und Lokalanästhetika eingestuft. Auch dem DryNeedling wird hier nur eine untergeordnete Relevanz zugeordnet. Zur gezielteren Frage der zu infiltrierenden Substanzen begleitend zu ACP/PRP, Traumeel S und Actovegin bei der lokalen Behandlung von Muskelverletzungen kann evaluiert werden, dass bei der Infiltration von ACP am häufigsten keine weitere Substanz additiv verabreicht wird, selten jedoch auch die Anwendung in Kombination mit Traumeel S stattfindet. Lokalanästhetika und weitere nicht genannte und gefragte Substanzen spielen nur eine unwesentliche Rolle. In Kombination mit Traumeel S sowie Actovegin wenden die befragten Kollegen im Gegensatz hierzu jedoch in deutlich vermehrte Häufigkeit Lokalanästhetika in Kombination an, obwohl diesen eine gewisse Myotoxizität zugesprochen wird. Eine letzte Frage im Komplex der Muskelverletzungen beschäftigt sich mit dem Thema der myofaszialen Triggerpunkte und deren Behandlung. Hier werden insbesondere manuelle Therapie und die eigenständige Behandlung mit der Faszienrolle als wesentliche Therapieoptionen angegeben, gefolgt von der Behandlung mit extrakorporaler Stoßwellentherapie. Dehnen und überraschenderweise auch das DryNeedling werden als am wenigsten relevant eingestuft.
Themenkomplex Überlastungsschäden im Bereich des Gelenkknorpels
In der Frage zur optimalen konservativen Therapie eines Knorpelschadens im Kniegelenk wird sowohl für den akuten als auch chronischen Knorpelschaden von 10 möglichen Antworten die Infiltration von ACP gefolgt von Infiltration mit Hyaluronsäure als wichtigste genannt. Von weiterer hoher Relevanz wird ein entsprechender Muskelaufbau zum Schutz des Gelenkes angegeben. Fokussierte Stoßwellentherapie sowie die Einnahme von Bisphosphonaten sind die am wenigsten relevant eingestuften Antwortmöglichkeiten. Die Infiltrationstherapie bei Knorpelschäden mit ACP, Hyaluronsäuren und weniger häufig auch Traumeel S erscheint somit als sicher etablierte Behandlungsform im Hochleistungssport. Auch hier haben wir im Folgenden nach zusätzlich infiltrierten Substanzen neben den vorgenannten gefragt. Analog zur Therapie der Muskelverletzungen wird das ACP in der Regel als singuläre Substanz injiziert, wohingegen die Hyaluronsäure oft in Kombination mit einem Lokalanästhetikum sowie einem Kortikoid, insbesondere Lipotalon, angewendet wird. Bei der Infiltration von Traumeel S kommt es ebenfalls meist zu einer Kombinationsbehandlung entweder mit Lokalanästhetikum oder auch mit dem Zusatz der Substanz Zeel (Abb. 2).
Zur Frage nach der Freigabe zum Mannschaftstraining oder Wettkampf bei Ergussbildung im Gelenk geben 56 % der Befragten an, den Sportler nur mit ergussfreiem Gelenk dieser Belastung auszusetzen. Ein Viertel der Befragten gibt eine Menge bis 20 ml als Grenzwert an und 16 % sehen das subjektive Empfinden des Sportlers als wesentliches Kriterium zur Trainingsfreigabe an. Zur Frage der Prävention von Überlastungsschäden im Bereich Gelenkknorpel werden 9 Antwortmöglichkeiten vorgegeben und von den Befragten in der Wichtigkeit wie folgt bewertet – von höchst relevant zu kaum relevant: Trainingssteuerung gefolgt von Optimierung des Bewegungsablaufes/der Funktionalität über zuvor durchgeführte Bewegungsanalysen/biomechanische Testungen und daraus folgender Interventionen, gutes Aufwärmen sowie an vierter Stelle eine optimale Kommunikation im Betreuerstab und zum Athleten. Am wenigsten relevant bewertet werden eine positive innere Einstellung des Sportlers/psychologische Aspekte sowie interessanterweise auch die Ernährung.
Beim Themenkomplex zu juristischen/forensischen Fragestellungen ist insbesondere hervorzuheben, dass 60 % der Befragten eine gewisse Unsicherheit und Besorgnis hinsichtlich einer genügenden Haftpflichtabdeckung in der Betreuung von Hochleistungs- und Profisportlern angeben, wohingegen Sterilitätsprobleme in der Arbeit z. B. am Spielfeldrand als wenig relevant eingestuft werden.
Fazit des Autors aus der Auswertung der Fragebögen:
- Die Behandlung verschiedener Krankheitsbilder mit ACP/PRP scheint derzeit in der Sportorthopädie
einen hohen Stellenwert zu genießen. - Die klassische Infiltrationsbehandlung bei Muskelverletzungen mit Actoegin scheint immer mehr in
den Hintergrund zu treten, wobei die Frage nicht geklärt ist, ob dies aus einer Überzeugung heraus
oder vielleicht auch aufgrund einer gewissen Beschaffungsproblematik geschieht und Off-Label-Use. - Myofasziale Behandlungen in Prophylaxe und Therapie von muskulären Verletzungen scheinen
im ärztlichen Denken nur von mäßiger Relevanz: eine Frage fehlender angeeigneter Technik oder mangelnden Wissens zu den Therapiealgorythmen in diesem Bereich? - Das DryNeedling als Therapieform im Bereich myofasziale Probleme ist bisher wenig verbreitet in der Anwendung: auch hier vielleicht fehlende Ausbildung bezüglich Technik oder auch nur Informationslücke?
- Die ESWT in der Behandlung von Muskelverletzungen ist in der Befragung nur von mäßiger Relevanz. Hier ist sicher mit einer weiteren Verbreitung in Kürze zu rechnen.
- Psychologische Aspekte in der Behandlung im Hochleistungs- und Profisport sind scheinbar nur
von geringer Relevanz. Ist das wirklich so oder bietet sich gerade hier noch ein großes Potenzial? - Insbesondere versicherungstechnische Fragen für den betreuenden Arzt im Hochleistungs-/Profisport sind bereits heute und bei den steigenden Transferwerten von Spielern gerade im Profifußball sicher von zunehmender Bedeutung: wird eine Haftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von 10 Mio. Euro für Spieler mit einem Transferwert von 200 Mio. Euro einen ausreichenden Schutz bieten? Hier ist sicherlich in naher Zukunft ein intensiver Austausch mit den Vereinen und Versicherern notwendig.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie mit Zusatzbezeichnung Sportmedizin. Seine Schwerpunkte sind die konservative Behandlung bei sporttraumatologischen Erkrankungen und Verletzungen der Muskulatur, der Sehnen, der Gelenke und des Rumpfes. Seit 2007 ist er leitender Arzt, ATOS MediaPark Klinik Köln, Abteilung für Orthopädie/Unfallchirurgie und Sportmedizin, seit 2014 Geschäftsführender Gesellschafter des IFD Cologne. Außerdem ist Dr. Klein seit 2004 Mannschaftsarzt des 1. FC Köln sowie wiss. Beirat der sportärztezeitung.