2019 begannen wir von thesportgroup GmbH gemeinsam mit ausgewählten Partnern und Experten das Thema Arthrosemanagement intensiver zu bearbeiten. Zunächst im Februar 2019 auf unserem „tag der sporternährung“ in Mainz, darauf aufbauend im Juni 2019 in Bad Nauheim mit unserem Expertenmeeting Arthrosemanagement.
Auch in den letzten Monaten haben wir uns diesem Thema gemeinsam in unserer Arbeitsgemeinschaft gewidmet, um für Sie Struktur, Klarheit, Transparenz und Objektivität in diese Thematik zu bringen. Hierbei geht es uns weniger darum, das Rad neu zu erfinden, als schon vorhandenes Wissen und Erfahrungen gesammelt darzustellen. Natürlich lohnt sich auch hier der Blick in die qualitativ hochwertige Literatur; gleichzeitig stellen sich bei der Lektüre aber auch weitere Fragen, die wir in Zukunft gemeinsam mit Ihnen weiter diskutieren und erörtern möchten. An dieser Stelle möchten wir exemplarisch auf das 2019 erschienene Buch „Knorpel und Arthrose im Sport – 5. GOTS-Expertenmeeting“ verweisen. Dort gibt z.B. Prof. Dr. Thomas Hügele in seinem Kapitel „Ernährung, Nahrungsergänzung und Medikation bei Arthrose“ eine gute Übersicht gerade über die Rolle und Potenziale von Ernährung und Nahrungsergänzungen. So verweist er darauf, dass „klinisch relevante positive Ergebnisse auf das kurzfristige Schmerzempfinden (< 3 Monate) für mehrere Substanzen berichtet wurden“, wie z. B. L Carnitin, Kurkuma, Weihrauch-Extrakt und ebenfalls mit leichter Signifikanz auch undenaturiertes Kollagen Typ II. Gleichzeitig verweist der Autor darauf, dass die genauen Wirkmechanismen beim Einsatz von Nahrungsergänzungen noch unklar sind – hier sind weitere Forschungen und Studien wünschenswert.
Eine interessante Studie ist in diesem Zusammenhang ganz aktuell die „Untersuchung der Wirkung von UC-II® bei gesunden Personen mit aktivitätsbedingten Kniegelenkschmerzen – eine randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie im Parallel-Design“. Das Ziel dieser Studie ist es, zu untersuchen, ob eine 6-monatige Einnahme von UC-II® zur Verbesserung der belastungsbedingten Gelenkschmerzen und der Gelenkmobilität im Vergleich zu Placebo führen kann. Ergebnisse dieser Studie werden wir in der sportärztezeitung unter unserer neuen Rubrik „Für Sie gelesen“ vorstellen. In Kooperation mit der sportärztezeitung hat sich dazu im letzten Jahr eine Arbeitsgruppe gebildet, die an einer multizentrischen Anwendungsbeobachtung arbeitet. Noch in diesem Jahr findet ein virtuelles Meeting statt; Start und Ergebnisse der Anwendungsbeobachtung folgen dann im ersten Halbjahr 2021. Auch hier werden wir Ihnen die Ergebnisse zeitnah präsentieren. Eine weitere interessante Studie aus dem Bereich der Enzymtherapie ist ebenfalls erwähnenswert: Efficacy, tolerability, and safety of an oral enzyme combination vs diclofenac in osteoarthritis of the knee: results of an individual patient-level pooled reanalysis of data from six randomized controlled trials – https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27853388/ . Nicht außer Acht gelassen werden dürfen in diesem Zusammenhang weitere antientzündliche bzw. immunmodulierende Produkte.
Neben den Potenzialen von ernährungstherapeutischen Strategien und der Differenzierung von Nahrungsergänzungsmitteln (siehe hierzu auch: www.sportaerztezeitung.com/rubriken/ernaehrung/1488/entzuendungshemmung-regenerationsoptimierung/ und www.sportaerztezeitung.com/experten/dr-med-klaus-poettgen/ ) spielen auch Aspekte der medikamentösen Therapie eine bedeutende Rolle. Hierbei haben wir uns intensiv mit dem Bereich der intraartikulären Injektionen beschäftigt und werden dieses Thema auch in den ersten Ausgaben 2021 begleiten. Prof. Dr. Hügele verweist auf positive Erfahrungen mit Infiltration von Hyaluronsäure und betont, dass auch PRP antientzündliche Eigenschaften aufweist. In diesem Zusammenhang sind weitere Verfahren / Präparate wie Blutderivate, ACS, BCS etc. zu nennen. Ähnlich sieht es Prof. Dr. Stefan Nehrer in seinem Artikel „Konservative Therapie der beginnenden Gonarthrose – was ist sinnvoll?“ im 2020 erschienenen Buch „Konservative Therapie – was hilft? – Booklet und Empfehlungen der GOTS“. https://sportaerztezeitung.com/rubriken/therapie/977/konservative-therapie-was-hilft/ . Darin betont er, dass die Unterstützung mit Chondroprotekiva durchaus als flankierende Maßnahme sinnvoll sein kann. Oft fehlt es aber gerade hierbei an differenzierten Empfehlungen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Leitlinie Gonarthrose, deren Gültigkeit bis zum 29.11.2022 verlängert wurde: „Die intraartikuläre Hyaluronsäureinjektion kann bei Patienten eingesetzt werden, bei denen der Einsatz von NSAR kontraindiziert ist oder bei denen NSAR nicht ausreichend wirksam sind. (89 % Zustimmung (Konsens))“. Speziell im Bereich der Hyaluronsäure gibt es Bewegung und neuere Modelle mit verschiedenen Molekulargewichten und Funktionsweisen.
Ganz aktuell haben wir uns, basierend auf einem irritierenden Artikel im Internet zur Behandlung der Kniegelenksarthrose mit Hyaluronsäure, im Beirat der sportärztezeitung dem Thema HS -Injektion Status Quo angenommen und möchten an dieser Stelle Prof. Dr. Christoph Schmitz von Seiten der Wissenschaft und Dr. Cornelius Müller-Rensmann als Anwender zu Wort kommen lassen, um das Thema aufgefrischt, neutral und objektiv ins rechte Licht zu rücken. Beginnen möchten wir aber mit einem Einwurf unseres wissenschaftlichen Beirates Dr. Dirk Danneberg:
Hyaluronsäure: nicht alle Präparate sind gleich
Dr. med. Dirk J. Danneberg, Privatpraxis für Orthopädie & Sportmedizin Darmstadt
Spätestens seit die von der Pharmaindustrie unabhängigen AWMF Leitlinien zur Behandlung der Gonarthrose in dem Kapitel Hyaluronsäure durch die Fachgesellschaften Ende 2017 veröffentlicht wurden, sollte es bezüglich der Indikationsstellung und Wirkweise dieser Substanz keine Einwände mehr geben. Zumal diese Leitlinie sogar bis zum 29.11.2022 nach erneuter Überprüfung verlängert wurde. Über die Bedeutung der Schmerzhemmung wurde in neueren und hochwertigen Metaanalysen berichtet (s.u.). Interessant ist bei Hyaluronsäure, dass es unterschiedliche Molekülstrukturen gibt. Dies beruht auf der unterschiedlichen Herstellungsweise und insbesondere auf den Patenten zur Vernetzung der Hyaluronsäuremoleküle. Dieses hat sehr unterschiedliche biochemische Eigenschaften zur Folge. Hierin liegt auch der Unterschied, welcher dazu führt, dass in neueren Studien zwischen hoch-, mittel- und niedermolekularen Hyaluronsäuren unterschieden werden muss. So konnte in einer Metaanalyse aus 2043 Artikeln gezeigt werden, dass Hyaluronsäureprodukte mit einem Molekülgewicht von mehr als 3 Millionen Dalton gegenüber den niedermolekularen Präparaten einen Vorteil bieten (Altman et al. Product differences in intra-articular hyaluronic acids for osteoarthritis of the knee. Am J Sports Med 2016;44:2158 – 2165).
Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit von intraartikulären Injektionen von Hyaluronsäure zur Behandlung der Kniegelenksarthrose in der wissenschaftlichen Literatur
Univ.-Prof. Dr. med. Christoph Schmitz, Inhaber des Lehrstuhls für Anatomie II an der LMU München
Die Wirksamkeit und Sicherheit von intraartikulären Injektionen von Hyaluronsäure zur Behandlung der Kniegelenksarthrose (im folgenden Text “i.a. HS” abgekürzt) sind in den letzten Jahren in einer Vielzahl von klinischen Studien untersucht worden und auf dem höchsten Level der Evidenzbasierten Medizin (Level 1A: MetaAnalysen von klinischen Studien) belegt. Exemplarisch seien hier die folgenden zwei Studien genannt:
Campbell et al. Is local viscosupplementation injection clinically superior to other therapies in
the treatment of osteoarthritis of the knee: a systematic review of overlapping meta-analyses.
Arthroscopy 2015;31:2036 – 2045.
Die Autoren analysierten eine ganze Reihe von Meta-Analysen (die ihrerseits teilweise dieselben Originalpublikationen abdeckten), in denen die Wirksamkeit und Sicherheit von i.a. HS mit der Wirksamkeit und Sicherheit von anderen nicht-operativen Behandlungsverfahren (orale NSARs, i.a. Injektion von Glukokortikoiden (i.a. GK), i.a. Injektion von PRP oder i.a. Injektion von Kochsalz- oder Ringerlösung) bei der Behandlung der Kniegelenksarthrose verglichen wurden. Insgesamt umfasste die Analyse die Behandlung von mehr als 20.000 Patienten (nicht in allen Studien waren Zahlen von Patienten angegeben). Die verfügbaren Zahlen waren wie folgt: HS: n=13.698; NSARs: n=355; GK: n=294; Plazebo: n=5.702. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass i.a. HS eine gute Option für die Behandlung der Kniegelenksarthrose darstellt. Verbesserungen von Schmerz und Funktion des betroffenen Kniegelenks können bis zu 26 Wochen anhalten; das Sicherheitsprofil wurde als gut bewertet.
He et al. Efficacy and safety of intraarticular hyaluronic acid and corticosteroid for knee osteoarthritis: a meta-analysis. Int J Surg 2017;39:95 – 103
Diese Autoren führten eine Meta-Analyse von Studien durch, in denen i.a. HS gegen i.a. GK bei der Behandlung der Kniegelenksarthrose untersucht wurde. Insgesamt umfasste die Analyse 1794 Patienten. Die Autoren kamen zu dem folgenden Schlussfolgerungen: (i) einen Monat nach Behandlung zeigten Patienten, die mit i.a. GK behandelt worden waren, eine bessere Schmerzreduktion als Patienten, die mit i.a. HA behandelt worden waren (d.h., GK > HS). Sechs Monate nach Behandlung war das Ergebnis genau umgekehrt (HS > GK); drei Monate nach Behandlung herrschte Gleichstand (HS ≈ GK). Insgesamt zeigten sich nach i.a. HS mehr topische (lokale) unerwünschte Nebenwirkungen als nach i.a. GK; in der Gesamtbewertung beider Therapien ergab sich daraus aber weder eine Warnung vor der Verwendung von i. a HS noch eine Empfehlung zur bevorzugten Verwendung von i.a. GK bei der Behandlung der Kniegelenksarthrose.
Etwaige Behauptungen, dass Ärztinnen und Ärzte, die bei der Behandlung der Kniegelenksarthrose intraartikuläre Injektionen von Hyaluronsäure einsetzen, sich außerhalb der klinisch-wissenschaftlichen Evidenz bewegen, erscheinen vor dem Hintergrund dieser Daten wissenschaftlich unhaltbar.
Der Autor erklärt keinen Interessenkonflikt für die hier besprochene Thematik.
Hyaluronsäure – ein wichtiger Baustein in der multimodalen Arthrosetherapie
Dr. med. Cornelius Müller-Rensmann, Orthopädische Praxis Münster
Seit Jahrzehnten werden intraartikuläre Injektionen mit Hyaluronsäure (HS) durch eine Vielzahl von ärztlichen Therapeuten mit Erfolg angewendet. HS-Produkte sind nicht etwa die alleinig heilbringende Wunderwaffe gegen Arthrose. Dies zu behaupten wäre Scharlatanerie. Sie sind aber ein wichtiger Bestandteil eines Behandlungskonzeptes gegen die Arthrose unterschiedlicher Gelenke. Gepaart mit Gymnastik, gezieltem Kraftaufbau, Besserung der Koordination, Gewichtsreduktion und gezielter Anpassung der Ernährung ist die HS ein effektives Instrument gegen Arthrosebeschwerden vieler Menschen. Die Verwendung der HS unter die Rubrik ärztlich veranlasster und rein ökonomisch motivierter für den Patienten aber sinnfreier, gar gefährlicher Eingriffe einzuordnen, wird den gemeinsamen, positiven Erfahrungen vieler Patienten und Therapeuten nicht gerecht. Wer dies tut, sollte den Patienten und Therapeuten Therapieoptionen mit wissenschaftlich belegt niedrigerem Risikoprofil und besserer Wirkung benennen. Zurzeit gibt es bezahlbare, in der Breite anwendbare Alternativen noch nicht.
Spannend und wichtig ist es umso mehr, solche potenziellen Alternativen wie das thrombozythenreiche Plasma (ACP etc.), Blutserumprodukte (Orthokine), nahrungsergänzende Substanzen (UC-II® als Typ2 Collagen) gepaart z. B. mit Verbesserung der muskulären Ansteuerung durch regelmäßiges Training (z. B. redcord-training, EMG-gesteuertes Krafttraining etc.) und evtl. der Einsatz von Orthesen als multimodale Behandlungsstrategie zu testen und zu erforschen. Eben solche Behandlungskonzepte werden in den nächsten Monaten multizentrisch getestet, die gemachten Erfahrungen zusammengetragen und zur kritischen Diskussion veröffentlicht, motiviert durch die Hoffnung, den Patienten und Therapeuten noch nachhaltiger wirksame Behandlungsoptionen empfehlen zu können. Bis dahin bleibt für viele Menschen, die unter den Symptomen einer Arthrose leiden, im Rahmen konservativer Therapieansätze die HS die erste Wahl.
Seriosität der modernen Sportmedizin
Gemeinsam sollten wir im Auge behalten, dass die konsequente Richtigstellung von (insbesondere im Internet) auftretenden und kursierenden Halbwahrheiten höchste Priorität hat, um die Seriosität der modernen Sportmedizin zu stärken. Klare Struktur und medizinisch wissenschaftlich korrekte Darstellungen sind dazu von entscheidender Bedeutung. Dies sehen wir als unsere Aufgabe für eine effektive Weiterentwicklung der Sportmedizin und als Hilfestellung für Ihre tägliche Arbeit sowie die Kommunikation mit Ihren Patienten vor Ort. Hierfür haben wir u.a. eine neue Unterrubrik „Für Sie gelesen“ ins Leben gerufen. Darüber hinaus haben wir mit unserem neuen sportmedizinischen Portal www.sportaerztezeitung.com, auf dem wir diese Inhalte ständig aktualisieren, eine moderne Online-Plattform geschaffen, die Ihnen, aber auch Ihren Patienten die oben angesprochene Struktur bietet. Jeder Einzelne von Ihnen ist herzlich dazu eingeladen, sich zu beteiligen. Haben Sie als Arzt oder Therapeut Anwendungsbeobachtungen aus den hier genannten Bereichen oder möchten Sie aktuelle Studien und Neuigkeiten vorstellen, so treten Sie mit unserer Redaktion in Kontakt: sabok@thesportgroup.de
Autoren
ist Inhaber des Lehrstuhls II der Anatomischen Anstalt der Ludwig-Maximilians Universität München und wissenschaftlicher Beirat der sportärztezeitung.
ist Facharzt für Orthopädie und Inhaber einer orthopädischen Praxis mit Schwerpunkt Sport-Orthopädie in Münster. Außerdem ist er Vereinsarzt des SC Preußen Münster, Mannschaftsarzt der U16 DFB-Nationalmannschaft und wiss. Beirat der sportärztezeitung.
ist Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie. Nach einer langjährigen Tätigkeit in der Praxisklinik Lampertheim/chirurgischen Gemeinschaftspraxis und Betreiber des ambulanten OP Zentrums in Lampertheim ist er seit 2011 Inhaber der Privatpraxis für Orthopädie & Sportmedizin in Darmstadt.