Flywheel-, Inertia- oder Schwungscheibentraining ist eine zunehmend Beachtung findende Trainingsform. Aufgrund der guten wissenschaftlichen Ergebnisse und praktischen Erfahrungen, erfreut es sich zunehmender Beliebtheit. Nicht nur in den Bereichen Fitness und Sport, sondern auch in der Rehabilitation mit Patienten kann es vielfältig eingesetzt werden.
Was ist ein Schwungscheibentraining? Am einfachsten lässt sich das Prinzip an Hand eines Jo-Jo’s erklären, auch wenn hier die Drehachse eine Ortsveränderung im Raum vollzieht. Das Schwungscheibentraining basiert auf der physikalischen Gesetzmäßigkeit der Massenträgheit (Inertia). Der Trainierende setzt über ein Seil, wie an einem Seilzug, eine Scheibe in Bewegung. Das entspricht der konzentrischen Phase. Ist das Seil in seiner Länge aufgebraucht, dreht sich die Scheibe in die entgegengesetzte Richtung und entwickelt einen Zug am Seil wieder in die Ausgangsstellung zurück. Das entspricht der exzentrischen Phase. Aufgrund des von außen eingebrachten Drehmomentes und der wechselnden Rotationsrichtung der Scheibe, kommt es zu einem permanenten Wechsel von konzentrischer und exzentrischer Muskelarbeit. Die Belastungssteuerung bei dieser Art des Trainings findet über das Gewicht, die Beschleunigung der Scheibe und der Länge des Seiles statt.
Kleine/leichtere Scheiben sind leichter in Bewegung zu bringen und können einfacher eine hohe Bewegungsgeschwindigkeit erreichen – Größere/schwerere Scheiben sind schwieriger in Bewegung zu bringen und können schwerer eine hohe Bewegungsgeschwindigkeit erreichen. Kürzere Seile führen zu einer kleineren Bewegungsamplitude und einer kürzeren Dauer der konzentrischen bzw. exzentrischen Kontraktionszeit – Längere Seile führen zu einer größeren Bewegungsamplitude und einer längeren Dauer der konzentrischen bzw. exzentrischen Kontraktionszeit. Höhere Kraftwerte können somit über eine schwere Scheibe und ein längeres Seil erreicht werden. Höhere Beschleunigungen über eine leichtere Scheibe und ein kürzeres Seil. Je nach Zielsetzung müssen so die Parameter gewählt werden.
Für das Training werden drei unterschiedliche Typen von Geräten genutzt:
- Plattform (Zugrichtung des Seils ist von unten)
- Seilzug (Zugrichtung des Seils ist von vorne bzw. hinten, in unterschiedlicher Höhe)
- Stationäre Geräte (Zugrichtung variabel)
Cave: Ein Schwungscheibentraining verlangt Rhythmusgefühl vom Trainierenden, welches man am Anfang zuerst erlernen muss, damit es zu einer flüssigen Bewegung kommt. Wenn man in der exzentrischen Phase gleichmäßig nachlässt, kommt es zu einer flüssigen Bewegung. Hält man zu stark dagegen, stoppt die Bewegung abrupt. Hat der Trainierende eine zu geringe Autostabilisation, kommt es zu einer weiterlaufenden Bewegung, die man unter Umständen durch einen Ausfallschritt beenden muss.
Historie & Anbieter
Die ersten Beschreibungen dieser Art des Trainings gehen auf das Jahr 1913 zurück. 1994 wurde in Schweden ein Flywheelergometer für Raumfahrer entwickelt, um den Verlust von Muskelmasse und Kraft im Weltall zu reduzieren. Wie so viele andere Geräte, die in der Weltraumforschung ihren Ursprung hatten (AlterG, Vacumed, etc.), wurden diese Vorteile später auch für Training auf der Erde genutzt. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Herstellern auf dem Markt. Die meisten von ihnen spezialisieren sich auf den Seilzug und die Box. Es gibt auch Hersteller, welche das Prinzip auf klassische Stationsgeräte umgesetzt haben. Die Preise und Qualität sind sehr unterschiedlich. Ein Hersteller hat die Möglichkeit der Messung von Maximalkraft (isometrisch und dynamisch), Kraftausdauer, Arbeit, Leistung und Geschwindigkeit integriert. Auf der Box ist zusätzlich noch die Gewichtsverteilung messbar. Die Messung dieser Daten eröffnen dem Flywheel Prinzip viele neue Möglichkeiten. Dadurch können funktionelle und sportartspezifische Bewegungen sehr gut gemessen und verglichen werden.
Wissenschaftliche Ergebnisse
Da es physikalisch zu einer Betonung der exzentrischen Muskelaktivierung kommt, sollte man bei den wissenschaftlichen Ergebnissen neben klassischen Flywheel Studien, auch Studien mit exzentrischem Training berücksichtigen. Forschungsgruppen konnten in Studien und Zusammenfassungen verschiedenste Verbesserungen bei unterschiedlichen Zielgruppen im Vergleich zu konventionellem Training aufzeigen:
- Gesteigerte Muskelaktivierung (postactivation potention, Beato 2018)
- Hypertrophie bei Älteren, Trainierten und Untrainierten (Onambele 2008, Tesch 2017, Petré 2018)
- Verbesserung der Maximal-, Schnellkraft, Balance und des Chair raise bei geriatrischen Personen (Sanudo 2019. 2020)
- Verbesserung der Sprunghöhe und Sprintgeschwindigkeit (Maroto-Izquierdo 2017, de Hoyo 2015)
- Größere EMG Aktivität und Muskelansteuerung (Tesch 2017)
- Verringerte Verletzungsrate und Ausfalltage bei Hamstringverletzungen (Askling 2003. De Hoyo 2015)
Dieses sind nur ein Teil der positiven Effekte, die man durch ein Fylwheeltraining aufzeigen konnte.
Einsatzmöglichkeiten in der Praxis
Die wissenschaftlichen Ergebnisse zeigen, dass es vielfältige Einsatzmöglichkeiten des Flywheeltrainings gibt. Dieses Trainings kann sowohl im Bereich Fitness, Leistungssport als auch in der Prävention und Rehabilitation eingesetzt werden. Da in vielen Sportarten, aber auch in Alltagssituationen für ältere und jüngere Menschen die exzentrische Muskelaktivierung eine entscheidende Rolle spielt, ist eine Fokussierung auf die Exzentrik durchaus sinnvoll. Besonders die Möglichkeit, mit sehr hoher Geschwindigkeit und Kraft in typisch im Sport und Alltag vorkommenden Belastungen und Bewegungsmustern zu trainieren, macht das Flywheeltraining so interessant.
Wundheilungsphasen
Wie kann man diese Art des Trainings sinnvoll in die nach Verletzungen oder Operationen auftretenden Wundheilungsphasen integrieren? Grundsätzlich kann Schwungscheibentraining genauso eingesetzt werden, wie jedes andere Training mit und ohne Zusatzgewichte auch. Die Trainingsparameter und die damit verbundene subjektive Belastung des Trainierenden sind entscheidend. Es gelten die allgemeinen Prinzipien des Trainings und der Wundheilung. In der Entzündungsphase, klinisch meist mit Ruhe-, Nacht und/oder Dauerschmerz gekennzeichnet, kann man diese Art von Training nur in wenigen Ausnahmefällen auf der betroffenen Seite nutzen. Innerhalb der Proliferationsphase steht ein koordinativ dominantes Trainings, ohne komplette Ermüdung, im Vordergrund. Auf einer modifizierten Borg-Skala von 0 – 10 (0-keine Ermüdung, 10-maximale Ermüdung) sollte man im Bereich von 1 – 4 trainieren. Ab der Remodellierungsphase (Zeitpunkt ist abhängig von der Gewebsschädigung) kann man es im Sinne eines Krafttraining nutzen. Subjektive Werte von 5 – 10 auf der Borg-Skala sollten eingefordert werden. In dieser Phase kommt sicher die Stärke des Prinzips am deutlichsten zum Tragen. Die Dominanz der exzentrischen Phase ist sowohl für die Prävention, Rehabilitation als auch beim sportartspezifischen Training von großer Wichtigkeit. Egal ob es um Schutzschritte bei älteren Menschen oder um Reaktivkraftbelastungen (Werfen, Sprints, Sprünge, etc.) bei Profisportlern geht, diese Aktivitäten werden durch die Qualität und Quantität der exzentrischen Phase maßgeblich bestimmt. Die Belastungssteigerung innerhalb des Trainings sollte durch adäquate Tests am Gerät verifiziert werden. Wichtig ist, dass mit höherem Widerstand oder Geschwindigkeit die Belastungen auf Körperstrukturen ansteigen werden. Deswegen sollte hier ein sinnvoller methodischer Aufbau im Sinne der medizinischen Trainingstherapie erfolgen (Diemer/Sutor 2018).
Abrechnungsmöglichkeiten
Für Flywheelgeräte ergeben sich verschiedene Abrechnungsmöglichkeiten innerhalb der GOÄ. Die Ziffer 842 könnte bei Geräten mit Testmodus (z.B. Desmotec) zur Eingangs- und Abschlussuntersuchung abgerechnet werden. Diese Leistung ist auch an Physiotherapeuten delegierbar. Weiter kann es mit den Ziffern 558, 506, 510 innerhalb der Therapie angewandt werden. Aber auch im Bereich der physiotherapeutischen Versorgung mit der Zusatzposition KGG kann man die Geräte mit einer Schwungscheibe äquivalent zu traditionellen einzusetzen. So können der Seil-, Vertikalzug und nach Rücksprache mit den Kostenträgern auch andere Geräte ersetzt werden.
Autoren
ist Physiotherapeut (Msc.) und Sporttherapeut. Er ist Inhaber mehrerer Rehabilitationszentren (Gesundheitsrondell) und Mitbegründer der FOMT (Fortbildungen für Orthopädische Medizin und Manuelle Therapie, www.fomt.info).