In den vergangenen Jahren hat sich im Hochleistungssport auch eine Hochleistungsmedizin etabliert, die häufig den Einsatz von dopingkonformen Substanzen zur schnelleren und besseren der Ausheilung von Verletzungen vorsieht. Neben Klassikern wie der Hyaluronsäure liegt ein großes Augenmerk auf den sogenannten Orthobiologics, also biologischen Substanzen, die den Heilungsprozess verbessern sollen.
Die bekanntesten Vertreter dabei sind sicher die PRPs, die mittlerweile flächendeckend zur Anwendung kommen. Aber sind wir schon am Ende der Entwicklung? Sicher nicht. Gerade der Einsatz von Stammzellen wird in der Zukunft viele Verfahren ersetzen und neue Behandlungsmethoden eröffnen. Die Evidenz der verschiedenen Methoden ist sehr uneinheitlich und wird mitunter heftig diskutiert. Die Eminenz stellt sich häufig aber deutlich klarer dar, weshalb diese Produkte heute nicht mehr wegzudenken sind. Wie immer liegt der Schlüssel zum Erfolg in der guten Indikationsstellung für den Einsatz dieser Substanzen.
Epidemiologie und Therapie von Sehnen-, Band- und Muskelverletzungen
Sehnen-, Band- und Muskelverletzungen sind die häufigsten Ursachen für verletzungsbedingte Sportpausen. Letztgenannte machen ein Drittel aller Verletzungen einer Fußballmannschaft aus. Über eine Saison muss ein Verein mit einer Teamstärke von 25 Spielern mit durchschnittlich 10 Muskelverletzungen rechnen [1]. Die Heilung im Bereich der Muskulatur ist grundsätzlich dankbar, was der guten Durchblutung und Regenerationsfähigkeit zu verdanken ist. Schwieriger stellt sich dies für die bradytrophen Gewebe wie Sehnen und Bänder dar, deren Ausheilung immer deutlich langsamer verläuft. Während die ligamentären Verletzungen zumeist direkt traumatisch sind, resultieren die meisten Sportpausen bei den Sehnenverletzungen aus Überlastungsschäden oder acute-onchronic-Ereignissen. Die Prävalenz von Sehnenverletzungen ist mit 40 % in den Ballsportarten sehr hoch. Bei einem Drittel aller Athleten ist eine Sportpause von mehr als sechs Monaten erforderlich und führt in über 50 % der Fälle sogar zum Karriereende [2, 3]. Da die Genese der Verletzung eine andere ist, muss auch die Behandlung entsprechend differenziert und die ursächliche Pathologie adressierend erfolgen.
Die Behandlung dieser Verletzungen ist immer multimodal und die Infiltrationstherapie stellt nur einen Baustein im Gesamtbehandlungskonzept dar. Neben der Therapie der die Verletzung begünstigenden oder gar ursächlichen Risikofaktoren müssen gerade bei Sehnenverletzungen spezifische Trainingsformen zur Kräftigung der Sehne selbst zwingend durchgeführt werden, um die meist vorliegende Tendinose zur Ausheilung bringen zu können. Schlagworte sind hier isometrisches, isotonisches und exzentrisches Training sowie Heavy Slow Resistance. Die schmerzreduzierende Wirkung dieser Trainingsformen konnte wissenschaftlich klar aufgezeigt werden [4].
Sehnenverletzungen – welche Infiltration wann?
Überlastungsschäden der Patellar- und Achillessehne sind im Breiten-, Leistungs- und Profisport nahezu alltäglich. Die Ausfallzeiten sind mitunter lang, die Therapie schwierig und auch konservativ nicht immer erfolgreich. Umso wichtiger ist eine individualisierte Infiltrationstherapie, sofern diese erforderlich ist. Abb. 1 zeigt eine ausgeprägte Tendinose der Patellarsehne (PS) eines Weltcup-Skifahrers, der aufgrund der bestehenden Schmerzen die Saison vorzeitig beenden musste. Zusätzlich zeigte sich im Powerdoppler eine deutliche Neovaskularisation der PS. Aufgrund der parallel zu den Neogefäßen verlaufenden „Neonerven“, die für einen Großteil der Schmerzen verantwortlich sein können, bietet sich in diesen Fällen die Sklerosierungstherapie als mögliche Option an. Ziel ist die Verödung der Neogefäße mittels powerdopplergesteuerter Infiltration mit Aethoxysklerol/Polidocanol 1 %. Da die begleitenden Nerven von den Gefäßen versorgt werden und bei den Infiltrationen aufgrund des sehr kleinen Kalibers der Gefäße meist ein Paravasat entsteht, kommt es ebenfalls zu einer Zerstörung der Nerven mit der Folge der Schmerzreduktion. Verschiedene Arbeiten konnten den nachhaltigen Nutzen dieses Verfahrens aufzeigen [5]. Meist benötigt man zwischen 2 – 5 Infiltrationen, wobei sich die Menge nach dem Dopplersignal richtet. Ziel ist das Sistieren des Flows während der Infiltration (Abb. 2). Mehr als 1ml pro Infiltration sollte nicht appliziert werden. Die Infiltration erfolgt streng extratendinös von lateral dorsal an die PS und von medial ventral im Bereich der Achillessehne (AS). Die Abstände zwischen den einzelnen Infiltrationen sollten nicht zu eng gewählt werden, eine klare Empfehlung wird in der Literatur nicht gegeben. Im eigenen Vorgehen erfolgen die Infiltrationen in zweiwöchigem Abstand.
Um die Tendinose selbst zu behandeln, werden heute meist PRPs oder Hyaluronsäuren eingesetzt. Klinische Arbeiten zeigen heterogene Ergebnisse für PRP. Bei der PS zeigen die PRPs stabilere und tendenziell bessere Ergebnisse als für die AS, was sich mit den eigenen Erfahrungen deckt [6 – 8]. Für die mid-portion Tendinosen der Achillessehne und beim Vorliegen einer Peritendnitis führen HA-Infiltrationen zu einer Verbesserung der Gleitfähigkeit und einer Reduktion der inflammatorischen Prozesse [9]. Das im eigenen Vorgehen verwendete PRP (ACP, Fa. Arthrex) wird meist 3 – 5x in wöchentlichem Abstand ultraschallgesteuert appliziert, um eine exakte Platzierung der Substanz zu gewährleisten. Bei der ersten Infiltration wird die Hälfte von seitlich nach dorsal (PS) bzw. ventral (AS) appliziert. Eine intratendinöse Infiltration kann durchgeführt werden. Allerdings ist diese schmerzhaft und bei noch vorhandenen festen Sehnengewebe nur mit hohem Druck möglich. Selber gehen wir mit der Nadel in die Tendinose ein. Sollte eine Applikation bei hochgradiger Auflockerung des Gewebes möglich sein, erfolgt dies in geringer Menge neben einem Needling der Sehne selbst unter dem Aspekt der Anregung der Reparationsvorgänge. Die zweite Hälfte des PRPs wird dann peritendinös von ventral (PS) bzw. dorsal (AS) verabreicht. Sonografisch findet sich im Verlauf eine zunehmende Restrukturierung des Sehnengewebes (Abb. 3).
Ausblick – Ist die mesenchymale Stammzelle die Lösung der Probleme?
Das Thema des Einsatzes von mesenchymalen Stammzellen (MSCs) ist in aller Munde und wird es sicher auch in den kommenden Jahren bleiben, da ihr Potenzial beachtlich ist. Die hohen Therapiekosten und die rechtliche Situation bzgl. des Umgangs mit MSCs verzögern aktuell die weitere Verbreiterung. Einige Systeme zur weiteren Anreichung nativer Stammzellen sind auf dem Markt. In vivo Arbeiten zeigen eine bessere Heilung von Bändern und Sehnen, wobei der Einsatz sogenannter preconditioned MSCs (Abb. 4) Vorteile zu haben scheint (z.B. TNF-alpha primed MSCs), da sie das inflammatorische IL-12 und M1 Makrophagen senken, während anti-inflammatorische Faktoren wie IL-1Ra, IL-10 und IL-4 gesteigert werden [10]. Diese Behandlungen sind noch am Anfang und es bedarf weiterer Forschung und Studien, um den vollen Nutzen zu erkennen und deren Handlung praktikabel und sicher zu machen.
Fazit
Aktuell werden insbesondere im Hochleistungssport verschiedene Substanzen bei Infiltrationsverfahren angewendet. In Kombination mit einer differenzierten „Basistherapie“ können durchaus gute Ergebnisse erzielt werden. Insbesondere bei den Sehnenpathologien gilt es, die beeinflussenden Risikofaktoren zu erkennen und mitzubehandeln. Die Art des verwendeten Präparates muss ebenfalls anhand der vorliegenden Pathologie gewählt werden. Aktuell liegen gerade die sogenannten Orthobiologics im Trend, die Zukunft wird zeigen, welchen Stellenwert sie wirklich haben und welches Potenzial im Bereich der Stammzelltherapie liegt.
Literatur
[1] Ekstrand J, Hägglund M, Waldén M: Injury incidence and injury patterns in professional football: the UEFA injury study. Br J Sports Med. 2011;45(7):553 – 8
[2] Cook JL, Khan KM, Hartcourt PR, Grant M, Young DA, Bonar SF: A cross sectional study of 100 athletes with jumper’s knee managed conservatively and surgically. The Victorian Institute of Sport Tendon Study Group. Br J Sports Med 1997; 31(4): 332 – 6
[3] Kettunen JA, Kvist M, Alanen E, Kujala UM: Long-term prognosis for jumper`s knee in male athletes. A prospective follow-up study. Am J Sports Med. 2002 Sep-Oct;30(5):689 – 92
[4] Malliaras P, Cook J, Purdam C, Rio E: Patellar Tendinopathy:Clinical Diagnosis, Load Management and Advice for Challenging Case Presentatations. J Orthop Sports Phys Ther 2015; 45(11): 887 – 98
[5] Morath O, Kubosch EJ, Taeymans J, Zwingmann J, Konstantinidis L, Südkamp NP, Hirschmüller A. The effect of sclerotherapy and prolotherapy on chronic painful Achilles tendinopathy- a systematic review including meta-analysis. Scand J Med Sci Sports. 2017 Apr 27.
[6] Di Matteo B, Filardo G, Kon E, Marcacci M: Platelet-rich plasma: evidence for treatment of patellar and Achilles tendinopathy- a systematic review. Musculoskelet Surg 2015 Apr; 99(1): 1 – 9
[7] Filardo G, Kon E, Di Matteo A, Tesei G, Pelotti P, Cenacchi A, Marcacci M: Platelet-rich plasma injections fort he treatment of refractory Achilles tendinopathy: results at 4 years. Blood Transfus 2014 Oct; 12(4): 533 – 40
[8] Charousset C, Zaoui A, Bellaiche L, Bouyer B: Are multiple platelet-rich plasma injections useful for treatment of chronic patellar tendinopathy in athletes? a prospective study. Am J Sports Med 2014 Apr; 42(4): 906 – 11
[9] Kaux JF, Samson A, Crielaard JM: Hyaluronic acid and tendon lesions. Muscles Ligaments Tendons J 2016 Feb 13; 5(4): 264 – 9
[10] Chamverlain CS, Saether EE, Aktas E, Vanderby R: Mesenchymal Stem Cell Therapy on Tendon/ Ligament Healing. J Cytokine Biol 2017 May; 2(1)
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Notfallmedizin. Er ist Inhaber der Praxis SPORTORTHO rheinmain in Bad Homburg und war langjähriger Mannschaftsarzt u. a. in der Fußball-Bundesliga (Eintracht Frankfurt, TSG 1899 Hoffenheim) und ist Kooperationsarzt verschiedener Vereine und Athleten insbesondere in den Bereichen Fußball, Leichtathletik, Handball, Bob.