Ein internationales Forscherteam hat kürzlich die Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Studie (RCT) zur Behandlung von Teilrupturen der Rotatorenmanschette mit adulten, aus körpereigenem Fettgewebe isolierten regenerativen Zellen (sogenannte fresh, uncultured, unmodified, autologous adipose derived regenerative cells; UA-ADRCs) vorgelegt. Im Vergleich zur subakromialen Injektion von Kortison (der Standardtherapie in den USA) waren die Ergebnisse nach Behandlung mit UA-ADRCs so gut, dass die U.S. Food and Drug Administration (FDA) eine Zulassungsstudie für diese neue Behandlungsform genehmigt hat.
Teilrupturen der Rotatorenmanschette (TdR) sind eine der häufigsten Erkrankungen bzw. Verletzungen der Schulter und zeigen insbesondere bei Überkopfsportarten eine sehr hohe Inzidenz [1]. Persistierender Schmerz, eingeschränkte Funktion der Schulter und Einschränkungen beim Sport bzw. im Beruf sind übliche Symptome bzw. Folgen von TdR [1]. Die Wirksamkeit der gegenwärtig verfügbaren Behandlungsmethoden wird in der Literatur zusammenfassend als begrenzt beschrieben [2, 3], wobei aber insbesondere für Physiotherapie, physikalische Therapie und Training kaum belastbare RCTs vorliegen (die Physiotherapy Evidence Database PEDro listet gegenwärtig nur 7 RCTs zur rein konservativen Therapie von TdR [4]). Daneben ist gerade in den USA die subakromiale Injektion von Kortison die Standardtherapie bei TdR [2]. Diese Behandlung führt zwar oftmals zu kurzzeitiger Verbesserung der klinischen Situation, kann die TdR selber aber nicht heilen [2]. Schlimmer noch, subakromiale Injektion von Kortison bei TdR kann zur vollständigen Ruptur der Rotatorenmanschette führen [5]. Die operative Versorgung von TdR ist üblicherweise Patienten vorbehalten, bei denen mehrwöchige konservative Maßnahmen zu keinem Erfolg geführt haben [1]. Dem generell guten Behandlungserfolg stehen potenzielle Komplikationen durch den chirurgischen Eingriff sowie eine verlängerte Rekonvaleszenz gegenüber, und manche Autoren haben die Überlegenheit der operativen Versorgung von TdR gegenüber der konservativen Behandlung grundsätzlich in Frage gestellt [6].
Neue Daten zu UA-ADRCs
Nachdem mehrere Studien an Versuchstieren das enorme Regenerationspotenzial von ADRCs bei TrR aufgezeigt haben [7-11], hat das Forscherteam, dem u. a. Prof. Eckhard Alt (Gründer des IsarKlinikums München) und Prof. Christoph Schmitz (LMU München) sowie der „Sehnenpapst“ Prof. Nicola Maffulli (London) angehören, kürzlich in den USA* insgesamt 11 Patienten mit Teilruptur der Supraspinatussehne (TdS) mit einer einmaligen Injektion von UA-ADRCs (Abb. 1) behandelt, und 5 Patienten mit einer einmaligen subakromialen Injektion von Kortison (bei allen Patienten hatte eine mehrwöchige initiale Phase mit Physiotherapie und physikalischer Therapie keinen Erfolg erbracht) [12]. Wegen ihres first-in-human Charakters erfolgte die gesamte Studie nach strengen Vorgaben durch die FDA [13, 14]. So mussten bei allen Patienten über einen Zeitraum von einem Jahr nach Behandlung sämtliche Erkrankungen dokumentiert werden, die einen Arztbesuch notwendig machten – völlig unabhängig davon, ob die eingetretene Erkrankung im Zusammenhang mit der initialen Behandlung stand oder nicht (z. B. auch der Abbruch eines Zahns bei einem Patienten 164 Tage nach Behandlung). Somit liegt aber nun erstmals ein vollständiges Risikoprofil für die Behandlung einer muskuloskelettalen Erkrankung mit UA-ADRCs vor. Die Risiken bei der Behandlung von TdS mit UA-ADRCs waren nicht höher als bei der Behandlung mit Kortison; schwerwiegende Komplikationen traten in keinem Fall auf [12]. Genauso wichtig war, dass die Injektion von UA-ADRCs 24 und 52 Wochen nach Therapie zu statistisch signifikant besseren mittleren American Shoulder and Elbow Surgeons Standardized Shoulder Assessment Form total scores (ASES total scores) führte als die Injektion von Kortison (Abb. 2). Der ASES total score berücksichtigt die Schmerzsituation des Patienten und die Funktionsfähigkeit der Schulter [15]. Basierend auf diesen Pilotdaten wurde im Mai 2019 eine FDA-Zulassungsstudie mit insgesamt 246 Patienten genehmigt [16]. Die Abbildungen 3 und 4 zeigen ein weiteres Fallbeispiel (ausführliche Beschreibung in [17]).
Für Anwender und Patienten ist wichtig, dass Begriffe wie „UA-ADRCs“, „Fettstammzellen“, „stromal vascular fraction„, „SVF“ etc. nur Oberbegriffe für Zellzubereitungen sind, bei denen die Zellen unmittelbar vor Transplantation ins Zielgewebe „at the point of care“ aus körpereigenem Fettgewebe des Patienten isoliert, aber nicht in Zellkultur vermehrt, speziell angereichert, stimuliert und/oder manipuliert etc. werden. Tatsächlich handelt es sich auch gar nicht um „Fettstammzellen“, sondern um adulte, pluripotente Zellen in den Wänden kleiner Blutgefäße [18]. Grundsätzlich kann man diese Zellen auch aus kleinen Blutgefäßen anderer Organe isolieren [18]. Fettgewebe enthält eine große Menge an kleinen Blutgefäßen und ist bei den meisten Patienten durch Liposuktion relativ leicht und einfach zu gewinnen. Darüber hinaus ist der relative Anteil von „mesenchymal stromal cells“ im Knochenmark mit 0,001 – 0,1 % aller kernhaltigen Zellen erheblich niedriger als der relative Anteil von regenerativen Zellen innerhalb der SVF (bis 12 %) [19, 20].
Eine optimale Technologie zur Isolierung von UA-ADRCs sollte in der Lage sein, die höchstmögliche Anzahl lebender UA-ADRCs in kürzest-möglicher Zeit aus der kleinstmöglichen Menge an Fettgewebe/Lipoaspirat zu isolieren, sowie die Zellen in höchstmöglicher Konzentration in der endgültigen Zellsuspension (d. h. dem geringstmöglichen Volumen Zellsuspension) zur sofortigen Applikation beim Patienten bereitzustellen. Bei den entsprechenden Verfahren, von denen einige am Markt verfügbar sind und/oder in der Literatur beschrieben wurden [21], unterscheidet man grundsätzlich zwischen enzymatischen Verfahren, bei denen das Bindegewebe des Fettgewebes und der Wände der Blutgefäße durch Enzyme weitgehend aufgelöst werden (was zu einer vermehrten Herauslösung der UA-ADRCs führt), sowie nicht-enzymatischen Verfahren, bei denen die Gewinnung der UA-ADRCs rein mechanisch erfolgt. Tatsächlich wird im Literaturvergleich die Zellausbeute (Anzahl kernhaltiger Zellen pro Gewichtseinheit Fettgewebe bzw. Volumeneinheit Lipoaspirat) für enzymatische Verfahren um ein Vielfaches höher als für nicht-enzymatische Verfahren beschrieben [21]. Ein direkter Vergleich zwischen enzymatischem und nicht-enzymatischem Prozessieren bei identischem Ausgangsmaterial ergab sogar eine mehr als zehnfach höhere Zahl an lebenden Stammzellen, wenn ein Enzym verwendet wurde [21]. Darüber hinaus liegen für die allermeisten nicht-enzymatischen Verfahren in der Literatur keine Daten zur relativen Anzahl lebender Zellen (bzw. dem Ausmaß von Zelltod durch die mechanische Aufbereitung des Fettgewebes) in der finalen Zellsuspension vor. Diese Aspekte sind aber von unmittelbarer klinischer Relevanz: (i) Die Transplantation einer zu geringen Anzahl von UA-ADRCs kann zu einem unbefriedigenden klinischen Ergebnis führen, und es erscheint medizinisch nicht vertretbar, dem Patienten viel mehr Fettgewebe als nötig zu entnehmen, nur weil (v. a. aufgrund regulatorischer Aspekte) ein nicht-enzymatisches Verfahren zur Isolierung der UA-ADRCs verwendet wird. (ii) Die Injektion sterbender Zellen in Gewebe kann zu Entzündungsreaktionen führen [22]. Bei der Behandlung von Sehnen etc. sollten vor dem Hintergrund der ohnehin limitierten Heilungstendenz unerwünschte Nebenwirkungen jeglicher Art so weit wie möglich vermieden werden.
Fazit
Zusammenfassend ist die Therapie von Teilrupturen der Rotatorenmanschette mit UA-ADRCs ein vielversprechendes neues Verfahren, mit großem Potenzial für die Sportmedizin. Die Sicherheit und Effektivität von UA-ADRCs hängt aber entscheidend von der verwendeten Technologie zur Isolierung der UA-ADRCs ab.
Literatur bei den Verfassern – anzufordern unter info@thesportgroup.de. Die Genehmigung von Seiten des Patienten zur Veröffentlichung der Abbildungen 3 und 4 liegt vor. Die Autoren danken Herrn Prof. Stefan Milz (LMU München) für die Überlassung der in Abbildung 4 gezeigten Bilder.
*Trotz fehlender wissenschaftlicher Begründung beharrt das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) auf einer kategorischen Einstufung enzymatisch, unter dem Einhandprinzip gewonnener Zellen der stromal vascular fraction des menschlichen Körpers zum autologen Gebrauch als Neuartiges Arzneimittel, ein so genanntes Advanced Therapy Medicinal Product (ATMP). Diese Haltung widerspricht einer primären, aktuellen und für alle Mitgliedsstaaten der EU grundsätzlich bindenden Empfehlung des Committee for Advanced Therapeutics (CAT) der European Medicine Agency (EMA), die Vertreter des PEIs dort mitgetragen haben [23]. Diese Einstufung als ATMP würde aus einem autologen Transplantat ein Arzneimittel machen, dessen Herstellung nach §13 Arzneimittelgesetz (AMG) genehmigungspflichtig wäre, inklusive aller assoziierten Pflichten. Durch die Art der Herstellung und Anwendung handelt es sich um ein vom §21 AMG ausgenommenes und somit nicht zulassungspflichtiges Arzneimittel. Die Möglichkeit der Strafverfolgung beim eventuellen Vorliegen der Herstellung eines Arzneimittels ohne Herstellungserlaubnis führt derzeit zu einer Situation der Ungewissheit in Deutschland, die jede Chance auf Entwicklung unterdrückt und Deutschlands Position als Schlusslicht festigt.
Autoren
ist Inhaber des Lehrstuhls II der Anatomischen Anstalt der Ludwig-Maximilians Universität München und wissenschaftlicher Beirat der sportärztezeitung.
ist Mediziner, Wissenschaftler, Erfinder und erfolgreicher Unternehmer (u.a. Gründer des
IsarKlinikums München). Er ist Executive Chair von InGeneron, Inc. (Houston, TX, USA). Die in der beschriebenen Studie von Hurd et al. [12] verwendete Methode zur Isolierung von UA-ADRCs wurde von InGeneron entwickelt.