Der Begriff „im Hier und Jetzt“ wird mittlerweile fast inflationär verwendet. Die Vergangenheit ist passé und die Zukunft nicht vorhersehbar. Also wird das „Hier und jetzt“ als selbstverständlich dahingesagt, aufgrund der Corona-Pandemie und des erfolgten Lockdowns wurde es uns unvorbereitet aufgezwängt.
Die Sportkinesiologie teilt die geistigen Kompetenzen in die analytische linke Gehirnhälfte und in die emotional/ soziale rechte Gehirnhälfte. Unser gesellschaftliches Wertesystem ist stark linkslastig (ca.70 %). Der Sportler lässt sich frenetisch feiern mit seinen Erfolgen, er genießt die Anerkennung und die jubelnden Zuschauer. Der Bühnenkünstler, mit einigen Strahlern auf der Bühne herausgestellt, der Unternehmer mit einem hervorragenden Geschäftsabschluss oder der sportive Jugendliche, der es gewohnt ist, jeden Tag mit seinen Freunden etwas anderes zu unternehmen, viele verlieren in dem stattgefundenen Lockdown plötzlich ihren Halt, ihr Gefühl für ihren Eigenwert. Das trifft umso mehr zu, wenn sich das normale Leben ohne eigenes Verschulden durch Arbeitslosigkeit, Insolvenz, Krankheit usw. nicht mehr gestalten lässt. Die Symptomatik der einzelnen Professionen ist sehr ähnlich, trifft sie doch immer den emotionalen Bereich des Gehirns.
Training, welches die Verbindung beider Gehirnhälften anspricht
Der Neurowissenschaftler Richard Davidson postuliert sechs voneinander unabhängige Schaltkreise, wobei einer die Fähigkeit der Konzentration und des sich Lösens störender Gedanken abbildet. Hier setzt die Meditation ein. Alle diese Schaltkreise befinden sich kinesiologisch gesehen in der rechten Gehirnhälfte. Diese zu trainieren und damit den Selbstwert zu erkennen und darauf aufzubauen, zeigt die Sportkinesiologie und das Achtsamkeitstraining (Jon Kabat Zinn). Für beste Ergebnisse idealerweise in Kombination. Wir präferieren deshalb ein Training, welches die Verbindung beider Gehirnhälften anspricht. Zusätzlich kommen Aufgaben hinzu, welche die rechte Gehirnhälfte zusätzlich fordert. Der aktuellen Lage geschuldet, wurden die Übungen mit dem geforderten Abstand durchgeführt. Dies geschieht im Mannschaftstraining durch das Nennen des Namens des Mitspielers, im Einzeltraining durch das Nennen von emotionalen Begriffen, die Übungen können mit dem geforderten Abstand durchgeführt werden. Abb. 2 zeigt Spieler, die mittels Schwimmnudeln eine liegende Acht laufen. Dabei bekommen sie Pässe von der Seite. Zum einen ist es für viele problematisch, einmal links und einmal rechts rum zu laufen. Genauso schwierig ist es, den Namen im Vorhinein von dem zu rufen, der den Ball danach bekommt, bevor man ihn selbst hat (siehe dazu auch www.kinsporth.com/Galerie – Film 3). Die Nennung des Namens ist eine tiefe Emotion. Der Einzelsportler kann z. B. Übungen wie auf Abb. 3 durchführen (Hand/Fuß-Matte) und nach jeder Zeile einen vorgegeben emotionalen Begriff laut nennen (Film 2). Dabei ist es günstig, wenn der Trainer die emotionalen Begriffe vorgibt, die er gerne bei seinem Sportler verankert sehen möchte. Danach kann man den Sportler das Gelesene nochmals abfragen. Natürlich ist das auch in Gruppen möglich.
Parallel dazu bekommt aber das Achtsamkeitstraining eine besondere Bedeutung, das zugegebener Maße schon in der Grundschule gezeigt werden sollte und nicht erst, wenn wegen psychischer Probleme ein Einschreiten erforderlich ist. Im Kindergarten wird der Grundstock dieses mentalen Trainings wie selbstverständlich praktiziert: dort gibt es Sitzkreise für bestimmte Anlässe, gemeinsames Singen und das Erlernen der Empathie, Wertschätzung und Geduld. Mit Eintritt in die Schule wird durch Konkurrenzkampf und familiären Forderungsansprüchen vieles vergessen und die analytische Kompetenz entwickelt sich stärker als die emotional/soziale. Die emotionalen Grundstrukturen sind aber vorhanden, sie können durch Fokussierung, Wahrnehmung, Intuition und Visualisierung gepflegt werden. Allerdings kommen wir nur allzu schnell in das Schema des Bewertens. Dies zu bemerken oder zu benennen reicht aber völlig aus. Die ungenügende Leistung beim Sport, wo Wetter, Gegner oder falsche Trainingsanleitung als Ursache angeführt wird, ist Bewertung. Nie ist es die fehlende Fokussierung, Einstellung oder Konzentration. Der sportliche Erfolg ist nur mit dem passenden Flow zu erreichen.
Vier Ebenen des Achtsamkeitstrainings
Die Meditation, hier das Achtsamkeitstraining, hat vier Ebenen, die durchlaufen werden. In Ebene 1 nimmt man die Umwelt, also z. B. den Raum, die Geräusche und Gerüche wahr. Ebene 2 bedeutet zunächst, sich des unablässigen Stroms von Gedanken und Bewertungen bewusst zu werden (Metakognition) und auch emotionale Impulse wahrzunehmen. Darauf aufbauend kann man beobachten, wie sich diese inneren Reaktionsebenen wechselseitig beeinflussen und verstärken. Das führt unmittelbar zu Ebene 3. Gerade Gefühle gehen häufig mit körperlichen Empfindungen einher, die man, genauso wie andere Empfindungen (z. B. Ellbogen auf Knie) bewusst wahrnimmt. Eine Möglichkeit ist, den Körper von oben nach unten durch zu scannen. Ebene 4 schließt sich an mit der Konzentration auf die Atmung, auf das Heben und Senken des Brustkorbs. Der Sympatikus steuert hierbei die Einatmung, der Parasympatikus die Ausatmung. In dieser Phase wird die Konzentration durch viele Gedanken gestört, man bemerkt dies und kommt wieder zur Atmung zurück. Das Bemerken der Gedankenstörungen ist die Achtsamkeit. Wesentlich ist dabei eine innere Haltung, die von Wohlwollen und Akzeptanz geprägt ist. Es geht darum, zunächst einmal alles, was man erlebt, genauso anzuerkennen, wie es ist und dabei auch eigene Widerstände und innere Kämpfe zu bemerken. Die Folge ist mehr Klarheit und Gelassenheit, was in der Regel konstruktive und kreative Lösungen ermöglicht. Heinz et al nehmen an, dass eine solche akzeptierende Haltung besonders wichtig ist, um in Wettkampfsituationen gut mit Störungen umgehen zu können. In dieser Phase sind aus sportlicher Sicht Motivation, Konzentration, Visualisierung, Ruhe, Entstressung und Fokussierung angesagt. Eine professionelle Schulung ist aber ratsam.
Das Klettern als Beispiel ist eine höchst meditative und kinesiologische Sportart. Jeder Schritt wird bedacht, die Bewegung findet meist überkreuz statt und die physischen Kontaktpunkte werden wahrgenommen. Hinzu kommen das Vertrauen der Sicherungsperson und die Ruhe und der Geruch, die die Natur hergibt. Psychologen arbeiten schon längst mit den Regeln der Achtsamkeit. Depression, Angst, Burnout und ähnliche Symptome sind häufig Medikamenten sparend mit diesem Training zu beeinflussen. Dabei ist es egal, ob bei professionellen Sportlern, Unternehmern oder Kontakt-verbietenden Jugendlichen die emotionale Leere entsteht. Wir alle müssen uns plötzlich mit unseren Emotionen selbst beschäftigen, was wir meist nicht gelernt haben. So ist ein Lockdown eine kurzfristige Phase, die wir als Momentum überstehen, die langfristige Folge wird das zu lösende Problem werden. Das Erkennen des verminderten Selbstwertes ist als Trauma zu verstehen. So haben die Jugendlichen beim kontaktlosen Fußballtraining einen Enthusiasmus gezeigt, der letztlich auch als emotionales Überborden einer blockierten Emotionalität zu verstehen ist. Der digitale Gedankenaustausch ist in Zeiten einer Krise richtig, aber ihm sollte nie die Zukunft gehören (ausgenommen streng fachliche Themen). Der Aktionismus der Politik, möglichst viel in die Digitalisierung zu stecken, ist kontraproduktiv für unseren emotionalen Zustand und wird neben dem Virus weitere Krisen forcieren, wie z. B. Kontakt- und Respektlosigkeit, Aggression und soziale Spannungen. Gerade hier spielt der Sport eine große Rolle, um die negative Entwicklung aufzufangen.
Fazit
Das Training der emotionalen Kompetenz mit Sportkinesiologie und Achtsamkeit ist eine Möglichkeit, mit Ruhe und Gelassenheit zur Normalität zurück zu kommen.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie mit Zusatzbezeichnungen Sportmedizin, Chirotherpie, Akupunktur und Sportkinesiologie. Er leitet das Ausbildungszentrum für sportkinesiologische Trainingsmethoden in Bad Tölz.
ist Diplom-Sportwissenschaftler und Lehrer für achtsamkeitsbasierte Stressbewältigung (MBSR). Er ist Gesundheitscoach an der TU München mit Lehrauftrag für Gesundheitspsychologie und selbständig in Bad Tölz.