Trotz aller medizintechnischen Möglichkeiten, Vorerkrankungen zu erkennen und Spieler zu reanimieren, sterben noch immer Fußballer auf dem Platz. Das wäre vermeidbar. Doch eine funktionierende Prävention scheitert ebenso an der Unkenntnis der Verantwortlichen wie an der Unvernunft der Betroffenen. In vielen deutschen Vereinen fehlt es noch an Notfallkonzepten. PD Dr. Felix Post und Dr. Kathrin Stelzer klären auf.
Sicherlich auch wegen des weltweiten Interesses am Fußball liest man jeden Monat von Spielern, die auf dem Platz ihr Leben verloren haben. Es scheint, als nähme die Zahl solcher Ereignisse zu. Seriöse Studien gehen von einer Prävalenz von 1:40.000 bis zu 1:80.000 Fälle aus. Angesichts von weltweit etwa 250 Millionen Spielern ist die Zahl an publizierten Todesfällen also nicht überraschend. Dennoch ist es dramatisch, wenn junge Spieler vor laufenden Kameras sterben.
Hohe Burst-Belastung
Warum kommt es zum plötzlichen Herztod beim Spiel? Generell haben Sportler, die jünger als 35 Jahre sind, im Vergleich zu Nichtsportlern ein etwa 2,8-fach erhöhtes Risiko, am plötzlichen Herztod zu sterben – was allgemein wenig bekannt ist. Sportarten mit einer hohen Burst-Belastung (schnelle Beschleunigung und/ oder abruptes Abbremsen) – und dazu gehört Fußball – weisen ein besonders hohes Risiko auf. In den allermeisten Fällen traten diese Ereignisse zwar ohne Prodromi (Vorzeichen) auf, dennoch lag bei den meisten Athleten eine kardiale Grunderkrankung vor, die in der Regel noch nicht diagnostiziert worden war oder in ihrer Ausprägung unterschätzt wurde. In mehr als einem Drittel der Fälle handelt es sich bei dieser Erkrankung um eine hypertrophe Kardiomyopathie (krankhafte Verdickung der Herzmuskulatur der linken Herzkammer).Auch in den meisten anderen Fällen ging es um zumeist angeborene Erkrankungen. Eine Myokarditis (entzündliche Erkrankungen des Herzmuskels) ist nur im einstelligen Prozentbereich der Fälle verantwortlich. Bei Athleten, die älter als 35 Jahre sind, ist der plötzliche Herztod in den allermeisten Fällen durch das Vorliegen einer relevanten koronaren Herzerkrankung (Erkrankung der Herzkranzgefäße) bedingt.
Interessant ist u.a., dass sich die Prävalenz von plötzlichem Herztod anhand der Position der Spieler unterscheidet. Eine aktuelle Arbeit, die Todesfälle aus den Jahren 2000 bis 2013 untersuchte, fand ein deutlich erhöhtes Risiko bei Mittelfeldspielern gegenüber Verteidigern oder Stürmern. Es fanden sich keine Todesfälle bei Torhütern. Feldspieler laufen während eines 90-minütigen Spiels zwischen zehn und zwölf Kilometern (die Distanz hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen), Torhüter nur etwa vier Kilometer.
Spieler im Grenzbereich
Ein Feldspieler (und hier besonders die Mittelfeldspieler) sprintet ca. alle 90 Sekunden für drei bis fünf Sekunden. Die Burst-Belastungen sind also entsprechend hoch und naturgemäß schlechter dosiert als in einem strukturierten Training. Die Spieler bewegen sich teilweise in Grenzbereichen: Der Fußball hat sich von einem Ausdauersport zu einem Sprintsport mit vielen Antritten und Richtungswechseln entwickelt.
Viele der zugrunde liegenden Erkrankungen sind durch Untersuchungen zu diagnostizieren, weshalb die Deutsche Fußball Liga (DFL) im Bereich des Profifußballs eine jährliche Tauglichkeitsprüfung inklusive kardiologischem Check mit EKG, Belastungs-EKG und Echokardiografie vor-
schreibt. Diese Tests sind zeitaufwendig und kostenintensiv. Auch wenn die Echokardiografie nur in hohen Spielklassen gefordert ist, sollte sie als weitere diagnostische Maßnahme bei Auffälligkeiten in Anamnese oder EKG auch in unteren Ligen durchgeführt werden.
Zahlreiche Auffälligkeiten
Zwei Untersuchungen aus dem vergangenen Jahr, die Ruhe-EKGs bei „high-level junior players“ bzw. bei „male soccer players“ auswerteten, zeigen, dass man, wenn man das EKG nach den Kriterien der ESC (European Society of Cardiology) beurteilt, in 33 bzw. 29 Prozent der Fälle Auffälligkeiten findet. Diese Zahl kann zwar durch Einsatz der Seattle-EKG-Kriterien reduziert werden, beträgt jedoch immer noch mehr als elf Prozent. Aus Kostengründen werden aber in niedrigeren Spielklassen und in vielen anderen Sportarten keine Echokardiografie und nicht einmal ein EKG durchgeführt. So können wichtige Befunde nicht erhoben werden, und Erkrankungen werden den Mannschaftsärzten nicht bekannt.
Ein Fallbeispiel aus der eigenen Praxis:
Ein 16 Jahre altes Mädchen möchte in der A-Junioren Bundesliga spielen. Wir führen bei allen diesen Spielern, obwohl nicht zwingend vorgeschrieben, eine Echokardiografie durch. Bei der körperlichen Untersuchung war bereits ein Systolikum (Strömungsgeräusch des Herzens – weist in der Regel auf ein Krankheitsbild hin) aufgefallen. Echokardiografisch zeigte sich nun eine membranöse Subaortenstenose (angeborene Herzerkrankung) mit einem mittleren Gradienten über der Stenose von 48 mm Hg. Auf Nachfrage teilte die Mutter mit, der Befund sei bekannt und durch einen Kinderkardiologen diagnostiziert. Dieser habe eine operative Sanierung an- und dringend von sportlicher Betätigung abgeraten. Bisher sei „aber immer alles gut gegangen“. Wir teilten der Mutter und der Spielerin mit, dass eine Sporttauglichkeit nicht besteht. Die Mutter sagte daraufhin, dass sie zu einem anderen Verein gehen werde, der „nicht so pingelig“ sei.
Empfehlungen der FIFA
Um den Anforderungen und Gefahren gerecht zu werden, hat der Weltfußballverband FIFA einen 11-Punkteplan zur Prävention des plötzlichen Herztods beim Fußball publiziert. Er enthält Empfehlungen zur Prävention (Screening), Training und Ausrüstung (z. B. Reanimationstraining, FIFA medical emergency bag), med. Versorgung und Ausrüstung am Platz sowie die Ausführung des med. Notfallplans (u.a. Einsatz eines Automatisierten Externen Defibrilators (AED)). Auch wenn diese Forderungen schon länger veröffentlich sind, so fehlt es weiterhin an einer konsequenten Umsetzung. Im Jahr 2013 untersuchte die Arbeitsgruppe um FIFA-Chefarzt Jiri Dvorak kardiale Ereignisse im Fußball und Strategien für Ersthelfer. Hierbei zeigte sich, dass nur bei 68 Prozent der offiziellen Spiele ein AED verfügbar war. Nationale Register zur Untersuchung des plötzlichen Herztods im Fußball gibt es nur bei etwas mehr als 18 Prozent der Organisationen.
Einsatz von AEDs
Eine konsequente Umsetzung der Forderungen der FIFA existiert vor allem in England. Spätestens seit dem Herzstillstand von Fabrice Muamba (Bolton Wanderers) im Spiel des FACups (Football Association Challenge Cup) gegen Tottenham Hotspur, den er nach 78 Minuten Reanimation überlebte, war die Versorgung des plötzlichen Herztods ein Thema mit großer öffentlicher Wahrnehmung. Muamba beendete hiernach seine sportliche Karriere, setzte sich aber für eine Kampagne ein, die AEDs bei öffentlichen Spielen förderte. Als dann ein Jahr später West Ham United gegen den 1. FSV Mainz 05 ein Freundschaftsspiel in Deutschland bestritt, konnte das Spiel erst angepfiffen werden, nachdem den Offiziellen des englischen Vereins der AED und derRettungswagen gezeigt worden waren. Dies ist vorbildlich. Bei Mainz 05 wurde ein solches Konzept ebenfalls umgesetzt. Bei jedem Spiel und Training ist ein AED vorhanden. Beim Verein sind AEDs sowohl für die Profimannschaft als auch für das Nachwuchsleistungszentrum vorhanden. Es wurde ein Ersthelfer-Trainingsprogramm entwickelt, das das Kurskonzept des ERC (European Resuscitation Council) für Basic Life Support (BLS) für den Fußball adaptiert und hierbei dem Funktionsteam das für den Verein entwickelte Notfallkonzept vorstellt. Wünschenswert wäre, in einem solchen Konzept alle Spieler zu schulen. Solch eine Schulung könnte auch als Teambuilding-Maßnahme funktionieren.
Fazit
Der Fußball hat sich in den vergangenen 150 Jahren gewandelt und damit auch die Risiken. Während es vor 150 Jahren vor allem zu traumatischen und infektiösen Todesfällen kam, stehen heutzutage kardiale Todesfälle im Vordergrund. Ursächlich sind vor allem vorbestehende, häufig angeborene, strukturelle Herzerkrankungen oder Erkrankungen der kardialen Reizleitung. Durch gründliche Prävention und insbesondere Tauglichkeitsuntersuchungen können Risiken detektiert und gemindert werden. Hierbei kommen EKG und Echokardiografie Schlüsselrollen zu.Doch trotz aller Prävention werden solche Fälle weiter auftreten. Hier gilt es, individualisierte Notfallpläne für Vereine zu entwickeln, die die Notfallversorgung beschreiben. Der strukturierten Ersthelfer-Schulung und dem Einsatz des AEDs kommt eine besondere Rolle zu. Auch wenn solche Ereignisse insgesamt selten sind, zeigen Registerdaten, dass im heutigen Fußball, nicht zuletzt aufgrund der weltweit hohenPopularität mit zahlreichen aktiven Spielern, besonders viele Fälle auftreten. Diese Zahl zu senken ist all die notwendigen Anstrengungen wert.
Autoren
ist Chefarzt der Inneren Medizin/Kardiologie am Katholischen Klinikum Koblenz-Montabaur und war langjähriger Teamarzt des 1. FSV Mainz 05. Seit 2015 ist er wiss. Beirat der sportärztezeitung, gehört zu deren Redaktionsteam und ist seit 2023 Mitherausgeber.
ist Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie mit Zusatzbezeichnung Sportmedizin. Sie leitet die Praxis für Sport- und Präventivmedizin in Mainz und ist Mannschaftsärztin des 1. FSV Mainz 05.