Lars Riedel gehört zu den größten Sportlern Deutschlands und hat mit seiner Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta sowie seinen fünf Weltmeistertiteln zwischen 1991 und 2001 im Diskuswurf internationalen Ruhm erlangt. Wir haben ihn bei einer Fortbildung der sportärztezeitung in Frankfurt getroffen und mit ihm über seine eindrucksvolle Karriere, die Bedeutung von Regeneration und mentaler Stärke sowie Schmerzen und bedeutende Momente gesprochen.
Lieber Lars, Du blickst auf eine extrem lange und erfolgreiche Sportlerkarriere zurück. Wie bist Du eigentlich zum Diskuswurf gekommen?
Im Grunde über meinen Vater. Er kannte den Übungsleiter vor Ort und dachte, es sei eine gute Idee, meine überschüssige Energie auf diesem Weg in gute Bahnen zu lenken. Also hat er mich dann im Verein angemeldet, da war ich gerade in der 1. Klasse. Üblich war es, mit dieser Sportart erst ein bis zwei Jahre später zu starten.
Gerade in Deiner Sportart spielt das individuelle Training eine bedeutende Rolle. Wie sah Dein Training aus und was hast Du eventuell anders gemacht als andere?
Zunächst habe ich von den Vorteilen des DDR-Trainingssystems profitiert, denn so konnte ich Methodik und Technik nutzen. Hier wurden bei mir die Grundlagen gelegt. Dann kam die Wende und ich habe Karlheinz Steinmetz kennengelernt, der damals Bundestrainer Diskus war. Er nutzte die tschechischen Trainingsmethoden mit individuellen Wurfvarianten (Gewicht und Größe), verband dies aber auch mit anderen Methoden und war immer offen für Neues, was wir dann gemeinsam umgesetzt haben. Wichtig war auch immer der prophylaktische Aspekt. Physioeinheiten mit Georg Maurer, Massagen und mit Siegfried Därr habe ich immer ein 1zu1 Training gemacht, dreimal die Woche 45min Rumpfkraft vor meiner regulären Trainingseinheit.
Stichwort Regeneration. Dies wird oftmals unterschätzt. Welche Bedeutung hatte dies für Dich und wie hast Du es umgesetzt?
Intensives und hartes Training kann natürlich auch zu Schmerzen und Verletzungen führen. Karlheinz hat festgestellt, dass meine Wurfleistungen gerade nach kleineren Verletzungsphasen regelmäßig besser waren oder sogar teilweise explodiert sind. Das haben wir uns in der Trainings- und Wettkampfplanung zunutze gemacht. So haben wir z. B. im Trainingslager immer längere Phasen der Regeneration / Erholung eingebaut mit ausgiebigen Schläfchen am Strand oder auch einmal kompletten Pausen in den 3 – 4 Tagen vor den Wettkämpfen. Der Schlaf ist als Regenerationstool extrem wichtig, aber dennoch sollte klar sein, dass niemand am Abend vor dem Wettkampf gut und ausreichend schläft. Da ist die Anspannung zu hoch. Das ist aber auch nicht wichtig. Wichtiger ist, in der Nacht davor, also zwei Nächte vor dem Wettkampf gut zu schlafen. Und das ist mir immer gelungen.
Und wie sah es mit dem Bereich der Ernährung aus?
Die Trainingslager wurden u. a. auch nach Ernährungsgesichtspunkten ausgesucht. So waren wir überwiegend hierfür in Portugal, einem Land, in dem es viel frischen Fisch gibt. Schnelle Eiweiße, viel Omega-3-Fettsäuren, Salate, frisches Obst und Gemüse. Wir haben einen Blick auf die Verdauung gehabt, denn eine leichte Verdauung bedeutete, auch schneller wieder hart trainieren zu können. Ganz allgemein sollte kein Sportler und im Grunde auch kein Mensch die Bedeutung der Ernährung unterschätzen. Ein ebenso unterschätztes Feld ist der Bereich des Kopfes. Mentale Stärke & mentale Vorbereitung können am Ende den Ausschlag über Gold geben.
Wettkampf bedeutet immer Stress und Angst zu versagen. Für mich war der Wettkampf aber die Überprüfung meiner Trainingswerte. Auch Wettkämpfe müssen trainiert werden. Mit der Routine kommt Gelassenheit und damit auch eine gewisse mentale Stärke. Man präsentiert sich selbst und wird dadurch sicherer. Damit verliert man auch seine Ängste. Für mich war immer wichtig, dass mir meine Wettkämpfe auch Spaß machen.
In Deiner Karriere hattest Du auch mit Verletzungen zu kämpfen. Dachtest Du in diesen Zeiten auch manchmal an ein Karriereende?
Es wurde ja immer viel gemacht, um den Körper auch in Verletzungsphasen wieder fit zu machen. Manchmal leider aber auch mit falschen Ansätzen. Zu DDR-Zeiten erinnere ich mich an die Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie nach Ardenne, die Vitalität und Durchblutung fördern sollte. Ich erinnere mich aber auch an Aussagen eines Arztes, der meinte, man müsse trainieren, bis alles wehtut. Natürlich fand dann auch das volle Programm statt, Dehnung, Kräftigung, Wassergym usw. Nach der Wende kam dann auch der Kontakt zu Prof. Klümper aus Freiburg zustande, dessen Markenzeichen es war, die verhärteten Muskeln weich zu spritzen. Man hat schon so einiges erlebt und im Krankenhaus denkst du dann öfters darüber nach, ob es das noch bringt und du bist oft auch unmittelbar mit einem Karriereende konfrontiert. Da kommst du gleichzeitig ins Grübeln, wie es dann finanziell weitergeht. Mein Körper ist mein Arbeitsgerät und muss gepflegt werden, damit es funktioniert. Und in diesem Zusammenhang denke ich immer sehr positiv und dankend an meine Behandlungen durch Dr. Müller-Wohlfahrt sowie meinem langjährigen Physio Georg Maurer zurück.
Nach der Karriere sind die Schmerzen nicht verschwunden. Was hast Du gemacht und wie wurde Dir geholfen?
Nach dem Karriereende konnte eine Regelmäßigkeit der Behandlung nur schwer sichergestellt werden, da die komplette Infrastruktur an Physios und Ärzten nicht mehr zugänglich war. Danach habe ich entsprechend eine Menge an Therapievarianten versucht und bin letztlich bei der Orthokine-Therapie gelandet. Diese Therapieform hilft dabei, die körpereigenen Stoffe im Kontext der regenerativen Medizin bereitzustellen. Es werden gezielt Regenerations- und Heilungsmechanismen des Körpers angestoßen. Dies habe ich ausprobiert und war überrascht über die durchschlagende Wirkung. Das hat mich überzeugt, auch anderen davon zu berichten. Deshalb bin ich auch Markenbotschafter für Gesundheit geworden.
Zurückblickend, was war sportlich für Dich die größte Herausforderung, der überraschendste Erfolg, der schönste und bitterste Moment? Hast Du einen Tipp, sowohl sportlich als auch in Bezug auf Training & Therapie für junge Sportler?
Die größte Herausforderung: Unverletzt bleiben, gerade in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung.
Der überraschendster Erfolg: Mein erster WM Titel in Tokio. Da war ich auf einmal der Beste der Welt. Ein krasses Gefühl.
Der bitterste Moment: Meine Niederlage bei Olympia in Barcelona, als ich in der Quali rausgeflogen bin, nachdem ich in der Saison keinen Wettkampf verloren hatte.
Der schönste Moment: Mein Olympiasieg 1996 in Atlanta. Den kann mir keiner nehmen.
Mein Tipp: Im Training gewisse Sachen mit den Trainern besprechen. Wie fühle ich mich? Auch mal den Mut haben, eine Einheit wegzulassen. Und an Toptagen eher mehr zu machen und auch über eine neue Bestmarke hinausgehen und im nächsten Versuch nochmal drüber zu gehen.
Lieber Lars, vielen Dank für das Gespräch und Dir auch weiterhin alles Gute!
Autoren
Sportmedizin für Ärzte, Therapeuten & Trainer