Durch die Nutzung von portablen Ultraschallgeräten im Wettkampf oder Trainingslager erhöht sich die Möglichkeit, akute Sportverletzungen schneller und zuverlässiger zu untersuchen und somit eine genauere On-Field-Erstdiagnose zu erstellen.
Es geht in diesem Artikel nicht darum, die Ultraschalldiagnostik als alleiniges diagnostisches Verfahren bei verschiedenen Sportverletzungen vorzustellen. Vielmehr geht es darum Möglichkeiten aufzuzeigen, wie das mobile Ultraschallgerät eine Unterstützung in der Diagnostik von akuten Sportverletzungen sein kann. Seit über 20 Jahren werden portable Ultraschallgeräte in der Notfallmedizin zur Diagnostik von z. B. intraabdominalen Verletzungen, Pneumothorax, Frakturen, kardiale Pathologien oder akuten Gefäßpathologien verwendet [5]. Betz et al. stellen die Muskelsonographie in ihrer Studie zum Vergleich zwischen MRT und Sonographie der Skelettmuskulatur als geeignete diagnostische Alternative dar [3]. Im Jahr 2014 veröffentlichte die Amerikanische Medizinische Gesellschaft für Sportmedizin (AMSSM) ein Curriculum für „sports-ultrasound“, in dem die Anwendung der Ultraschall-Diagnostik neben muskuloskelettalen Pathologien noch weitere Sportverletzung umfasste. Anhand von einem Wettkampfbeispiel soll die Anwendungsmöglichkeit und Vorteile eines portablen Ultraschallgeräts beschrieben werden.
FALL: 20-jähriger Judoka mit OSG Distorsion bei den Junioren Weltmeisterschaften auf den Bahamas.
Anamnese: Zwei Tage vor Wettkampfbeginn erleidet der Athlet beim Sparring-Training vor Ort durch einen Angriff mit einer Fußtechnik seines Trainingspartners eine Distorsion des rechten oberen Sprungelenks. Direkt nach der Aktion zeigen sich Schwellung und Schmerzen an der Außenseite des Knöchels. Das Auftreten ist nur unter starken Schmerzen möglich. Der Athlet möchte dennoch am Wettkampf teilnehmen.
INFO: Hintergrund OSG-Verletzungen im Sport
Mit einer Inzidenz von 5,3 – 7 / 1000 Personen-Jahre in Europa und einem Anteil von 14 % aller Notfallbehandlungen bei Sportlern sind Verletzungen des oberen Sprunggelenks (OSG) eine der häufigsten Sportverletzungen überhaupt [6]. Laut Angaben des VGB-Reports von 2020 ist die Verletzung des oberen Sprunggelenks im Handball (14,7 %) und im Basketball (16,9 %) die häufigste aller dokumentierten Verletzungen. Im Fußball belegt sie Rang drei mit 13,9 % aller Verletzungen [10]. In einer Studie von Akoto et al. rangierte die Verletzung des OSG in der Top 5 der häufigsten Verletzung im Judo [1]. Im Judo spielen Angriffe gegen die untere Extremität, um den Gegner aus dem Gleichgewicht und damit zu Fall zu bringen, eine zentrale Rolle. Diese Angriffe erhöhen das Risiko für Traumata des oberen Sprunggelenks.
Klinische Befunde: Vollbelastung unter Schonhinken möglich. Starke Weichteilschwellung im Bereich des rechten lateralen Malleolus und anterioren OSG. Druckdolenz über der vorderen Syndesmose, über dem LFTA und LFC. Squeeze-Test positiv. Frick-Test positiv. Fibula-Translationstest fraglich negativ. Keine knöchernde Irregularität zu tasten. Keine Druckdolenz über dem posterioren und medialen Bandapparat. Keine Druckdolenz über dem Fibulakopf. Keine Druckdolenz über dem Vorfuß/Fußwurzelknochen. Talusvorschub und laterale/mediale Aufklappbarkeit auf Grund der Schmerzen nicht ausreichend eruierbar. Beweglichkeit mit Plantarflexion/Dorsalextension 20/0/15 endgradig schmerzhaft. In-/Eversion auf Grund der Schmerzen nicht durchführbar. Periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität für die rechte untere Extremität intakt.
Röntgen OSG rechts: keine Anzeichen für eine Fraktur regelrechte Gelenkstellung. Fragliche Erweiterung des Tibiofibularen overlaps.
Die Durchführung eines MRTs erscheint indiziert, ist jedoch auf Grund der Begebenheiten am Wettkampfort in dem limitierten Zeittraum vor dem Wettkampf nicht möglich.
Sonographie OSG rechts: fragliche Teilruptur LFTA, keine Kontinuitätsunterbrechung oder vermehrte Flüssigkeitsansammlung im Bereich der vorderen Syndesmose. Im Vergleich zur Gegenseite keine erhöhte tibiofibulare Translation bei dynamischer Untersuchung.
INFO: Hintergrund Ultraschalldiagnostik bei OSG-Verletzungen
Zur Feststellung einer Verletzung der ligamentären Strukturen im oberen Sprunggelenk, insbesondere der Syndemsose, hat sich das MRT als Goldstandard etabliert [4, 7]. Neuste Studien zeigen, dass die Ultraschalldiagnostik bei o.g. Verletzungen eine verlässliche Alternative bzw. Ergänzung darstellt. Baltes et al. konnten ihn ihrer Studie exzellente Ergebnisse der Ultraschalldiagnostik bei Feststellung von kompletten Rupturen der vorderen Syndesmose und des LFTA darlegen [2]. Auch andere Studien zeigten, dass die Ultraschalluntersuchung von ligamentären Sprunggelenkverletzungen zuverlässige Ergebnisse liefert [8, 9]. Es sollte angemerkt werden, dass in allen Studien keine Differenzierung zwischen Vollrupturen und Teilrupturen gemacht werden konnte, und dass die Ergebnisse sehr abhängig von der Erfahrung des jeweiligen Untersuchers sind.
Vorgehen
Mit dem Athleten, Trainer und Medizinteam werden die o.g. Befunde besprochen. Bei Verdacht einer LFTA-Teilruptur und sonographischen Ausschluss einer vorderen Syndesmose-Verletzung und radiologisch knöchernen Verletzung, wird beschlossen, dass der Athlet nach Schmerzbefinden und mit stabilisiertem (z. B. durch Tapen) OSG an dem Wettkampf teilnehmen kann.
Fazit
Bei Rückkehr nach Deutschland bestätigt das durchgeführte MRT die Ruptur des LFTAs und die Intaktheit der vorderen Syndesmose. Der oben genannte Fall zeigt die Möglichkeit der Anwendung eines portablen Ultraschallgerätes bei Verletzung im Wettkampf. Das MRT gilt bis zum heutigen Tage als Goldstandard bei der Diagnostik von ligamentären, cartilären und muskulären Verletzungen. Sollte jedoch durch äußere Gründe wie Zeitdruck oder örtliche Begebenheiten die Durchführung eines MRT nicht möglich sein, bietet die Nutzung eines portablen Ultraschallgerätes eine zuverlässige Alternative für viele klinische Situationen und Indikationen, einschließlich der Vor-Ort-Bewertung und des Managements von Traumata und anderen akuten Zuständen. Es ist sicher, genau, kosteneffektiv, schnell, gut verträglich und kann die Diagnose und das Management von Verletzungen bei Sportlern verbessern.
Literatur
[1] Akoto R, Lambert C, Balke M, Bouillon B, Frosch KH, Hoher J. Epidemiology of injuries in judo: a cross-sectional survey of severe injuries based on time loss and reduction in sporting level. British journal of sports medicine. 2017.
[2] Baltes TPA, Arnaiz J, Geertsema L, et al. Diagnostic value of ultrasonography in acute lateral and syndesmotic ligamentous ankle injuries. European radiology. 2021;31(4):2610-2620.
[3] Betz. T WM, Preisner. F et al. Evaluation der quantitativen Muskelsonographie mit Muskel-MRT. DGSP. 2021.
[4] Clanton TO, Ho CP, Williams BT, et al. Magnetic resonance imaging characterization of individual ankle syndesmosis structures in asymptomatic and surgically treated cohorts. Knee surgery, sports traumatology, arthroscopy : official journal of the ESSKA. 2016;24(7):2089-2102.
[5] Hahn M, Ray J, Hall MM, Coe I, Situ-LaCasse E, Waterbrook AL. Ultrasound in Trauma and Other Acute Conditions in Sports, Part I. Current sports medicine reports. 2020;19(11):486-494.
[6] Holmer P, Sondergaard L, Konradsen L, Nielsen PT, Jorgensen LN. Epidemiology of sprains in the lateral ankle and foot. Foot & ankle international. 1994;15(2):72-74.
[7] Kellett JJ, Lovell GA, Eriksen DA, Sampson MJ. Diagnostic imaging of ankle syndesmosis injuries: A general review. Journal of medical imaging and radiation oncology. 2018;62(2):159-168.
[8] Lee SH, Yun SJ. Ankle ultrasound for detecting anterior talofibular ligament tear using operative finding as reference standard: a systematic review and meta-analysis. European journal of trauma and emergency surgery : official publication of the European Trauma Society. 2020;46(1):73-81.
[9] Sconfienza LM, Albano D, Allen G, et al. Clinical indications for musculoskeletal ultrasound updated in 2017 by European Society of Musculoskeletal Radiology (ESSR) consensus. European radiology. 2018;28(12):5338-5351.
[10] VBG. VBG-Sportreport 2020 – Analyse des Unfallgeschehens in den zwei höchsten Ligen der Männer: Basketball, Eishockey, Fußball, Handball. VBG – Report. 2020.
Autoren
ist Assistenzarzt in der Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung Notfallmedizin, Sportmedizin und dem IOC Zertifikat „Mental Health in Elite Sport“. Er arbeitet an den Kliniken der Stadt Köln im Klinikum Merheim und ist zusätzlich Leitender Verbandsarzt des Deutschen Judobundes, Verbandsarzt des Deutschen Wellenreitverbandes und Kooperationsarzt am Olympiastützpunkt Rheinland. Bei den Olympischen Spielen in Tokyo 2021 war der ehemalige Nationalmannschafts-Judoka und Olympia Starter 2012 (London) als Verbandsarzt für die deutschen Judoka und Surfer zuständig. Außerdem ist er wiss. Beirat der sportärztezeitung.