Der Unfallchirurgie ist eine große Streubreite von Heilungszeiten gleicher Verletzungsmuster bekannt. Offensichtlich sind diese von dem biologischen Potenzial des einzelnen Individuums und auch von dem Alter abhängig. Die Reparatur von Verletzungsfolgen ist ein komplexes Geschehen, welches bisher nur in Ansätzen erforscht ist. Dabei spielen verschiedene zelluläre Interaktionen eine zentrale Rolle.
Geschädigte Strukturen werden von spezialisierten Zellen, die zum Teil über die Blutbahn ihren „Einsatzort“ erreichen, entweder nahezu vollständig oder unter Bildung von Narbengewebe wiederhergestellt. Stoffwechsel und Durchblutung sind dabei die entscheidenden Motoren der Heilung. Kindliche Verletzungen, insbesondere Frakturen, heilen deutlich schneller als bei Erwachsenen. Gut durchblutetes stoffwechselaktives Gewebe (Muskel) regeneriert sich vergleichsweise schnell. Strukturen mit schlechter Blutversorgung (Sehnen und Knochen) benötigen wesentlich größere Zeiträume. Therapieansätze zur Beschleunigung der Heilung zielen daher auf die Verbesserung des Stoffwechsels und / oder der Durchblutung. Möglich ist dies u.a. durch verschiedene physikalische Reize.
Behandlung mit Kohlensäure
Die schon seit dem Mittelalter bekannte Wirkung von kohlensäurehaltigen Bädern kommt auch noch heute in verschiedenen Kureinrichtungen zum Einsatz. Weniger bekannt ist, dass verschiedenen Formen der CO2-Therapie auch bei akuten Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen einen wirkungsvollen Einfluss auf den Heilungsprozess haben. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die wesentlichen Wirkungen der CO2-Therapie durch empirische Beobachtungen bekannt und kamen zum therapeutischen Einsatz [1]. Dies waren die Verbesserung der Durchblutung, die Beschleunigung der Wundheilung und hemmende Wirkung auf eitrige Entzündungen (antibakterielle Wirkung). Genutzt wurde das Kohlensäuregas aus natürlichen CO2-haltigen Quellen oder aus Verbrennungsprozessen. Erklärt werden kann die Wirkung des natürlichen Stoffwechselprodukts mit dem Bohr-Effekt. Das durch die Haut diffundierende CO2 hat eine höhere Bindungsaffinität zu den Bluttransportsystemen des Sauerstoffs. Die gleichzeitige Absenkung des pH Wertes im Gewebe verstärkt noch diesen Effekt. Darüber hinaus ergeben weitere Untersuchungen auch einen Hinweis auf eine systemische Wirkung auf die Gefäßregulation. Aktuelle Forschungen belegen zahlreiche positive Wirkungen auf Heilungsprozesse. So konnte man bei Durchblutungsstörungen [2], schlechter Wundheilung [3], Nervenschäden, Muskelverletzungen [4] und auch bei der Heilung von Frakturen [5], mit der CO2-Behandlung wirksame Effekte nachweisen.
In unserer Klinik ist das Kohlensäurebad seit den 1970iger Jahren ein fester Baustein der physikalischen Therapie. Seit 2016 verwenden wir ein neu entwickeltes CO2-Trockenbadsystem. Das als Medizinprodukt zugelassene Gerät nutzt verschieden große Kohlendioxid beständige Behandlungshüllen, verbunden mit einem patentierten Schlauchsystem, die wahlweise einzelne Extremitäten oder große Teile des Körpers bis in Höhe des Brustkorbes aufnehmen können (Abb. 1 + 2). Die Behandlungshüllen werden mit einem elastischen Band zum Körper hin abgedichtet. Die in der Therapiehülle verbliebene Raumluft wird durch das Gerät abgesaugt. Im nächsten Schritt wird die Behandlungshülle mit vorgewärmten medizinischem Kohlensäuregas befüllt. Nach der entsprechenden Therapiezeit wird das Kohlensäuregas dann wiederum über ein Schlauchsystem entsorgt.
Nachfolgende Fallbeispiele zeigen einige Behandlungsfälle des letzten Jahres von Spielern der 3. Fußball-Bundesliga:
Distorsionen und Bandverletzungen des oberen Sprunggelenkes
Diese zählen zu den häufigsten Verletzungen beim Fußball. Neben klinischer und radiologischer Untersuchung wird das Ausmaß der Bandverletzungen mit einem MRT ermittelt. Deutlich sind dabei auch die mit dieser Verletzung verbundenen Weichteilödeme erkennbar. Der Bänderschaden gibt die Behandlungsstrategie und -dauer vor. Bei komplexeren Bandverletzungen ist in der Regel eine Orthesen-Behandlung von etwa sechs Wochen erforderlich. Bei partiellen Verletzungen kann mit guter Weichteilkonditionierung und Tape-Schutz eine rasche Reintegration in den Spielbetrieb möglich sein. Hier kann die CO2-Behandlung durch Abbau der Ödeme in der Akutphase den Prozess beschleunigen. Bei komplexeren Verletzungen wird die Heilung die Verbesserung des Reparaturstoffwechsels unterstützt. Am 06.12.2019 erlitt ein Abwehrspieler ein Distorsionstrauma des linken oberen Sprunggelenkes. Die MRT Untersuchung am 10.12.2019 zeigte eine Partialverletzung des Ligamentum fibulotalare anterius sowie ein ausgeprägtes periartikuläres Weichteilödem. Vom 11.12. bis 13.12.2019 erhielt der Spieler drei CAT (Carbon-Acid-Therapy)-Behandlungen.
Bei guten Weichteilverhältnissen mit deutlich regredienten Ödem und mit Tape-Schutz konnte der Spieler am 14.12.2019 im Punktspiel eingesetzt werden.
Frakturen
Frakturen benötigen naturgemäß eine längere Heilungszeit. Je nach Situation gibt es primär einen konservativen oder operativen Therapieansatz. Bei konservativ zu behandelnden Knochenbrüchen unterstützt und beschleunigt eine die Durchblutung und Stoffwechsel steigernde CAT-Therapie den Heilungsprozess. Gelenkbrüche sind in der Regel operativ zu versorgen. Die physiotherapeutische Nachbehandlung beinhaltet Maßnahmen zur Gewebekonditionierung, dem Erhalt der Gelenkfunktion und der Vermeidung eines Muskelabbaus. Dementsprechend sind Krankengymnastik, Lymphdrainage, Schwellstromanwendungen und Ultraschall wesentliche Therapieelemente. In unserer Einrichtung ist darüber hinaus eine CAT-Anwendung Standard. Ein Monitoring mit der Hyperspektralanalyse vor und nach der CO2-Behandlung zeigt eindrucksvoll die therapeutischen Effekte.
Im türkischen Trainingslager zog sich am 12.01.2020 ein Stürmer einen Bruch des 2. Mittelfußknochens rechts zu. Nach Rückkehr und CT-Diagnostik am Folgetag Entscheidung zur konservativen Therapie. Zunächst Verordnung eines Vacoped-Schuhes mit Fußbodenkontakt, Lymphdrainage, Schwellstrombehandlung, Ultraschall und CAT-Therapie. Lastaufbau nach 30 Tagen, Volllast und Integration ins Training nach 39 Tagen und erster Spieleinsatz am 29.02.2020 (Abb. 3). Bei einem auswärtigen Testspiel erlitt am 05.09.2019 ein Abwehrspieler eine Weber C Fraktur mit Abbruch eines hinteren Volkmann-Fragment. Der Bruch wurde zeitnah in einer am Unfallort gelegenen VAV Klinik operativ versorgt. Nach Klinikentlassung tägliche Physiotherapie zum Funktions- und Muskelerhalt sowie 50 CO2-Trockenbad-Therapieeinheiten zur Weichteilkonditionierung. Nach Stellschraubenentfernung (6 Wochen postoperativ), Lastaufbau, nachfolgend drei EAP Serien und Reintegration am 27.01.2020 ins Mannschaftstraining. Am 27.02.2020 wurde die Behandlung abgeschlossen (Abb. 4 + 5).
Gelenkentzündungen
Entzündliche Gelenkprozesse sind seltene, aber für den Spieler schwerwiegende Erkrankungen und bedeuten oft das Karriereende. Primär sind hier operative Maßnahmen mit arthroskopischen Gelenkspülungen und Erregerbestimmung erforderlich. Der Einsatz von Antibiotika, meist mit Langzeitbehandlung ist hier unerlässlich. Die physiotherapeutische Nachbehandlung erfordert Sachkenntnis und Fingerspitzengefühl. Ein Belastungsaufbau und Trainingsbeginn kann erst nach sicherer Ausheilung der Infektion erfolgen. Im Falle eines Mittelfeldspielers erlitt dieser zu Saisonbeginn am 24.06.2019 bei einem Trainingsunfall ein Distorsionstrauma des rechten Sprunggelenkes. Sekundär hämatogen kam es zu einer akuten Gelenkinfektion. Nach Diagnostik erfolgte eine einmalige arthroskopische Gelenkspülung und nachfolgend eine resistenzgerechte Antibiotikatherapie bei nachgewiesenen Staphylococcus aureus. Frühzeitig kam auch hier die CAT-Therapie zum Einsatz. Der Spieler erhielt insgesamt 90 Therapieeinheiten Krankengymnastik, Schwelstrom, Bewegungsbad und CO2-Trockenbadbehandlungen. Nach initialer Teilbelastung konnte ab Ende Juli der Belastungsaufbau erfolgen. Ab November erfolgte die Integration in das Mannschaftstraining. Die Spieltauglichkeit wurde zum 01.01.2020 erreicht. Er schoss am vorletzten Spieltag das entscheidende Tor der Saison (Abb. 6).
Schnellere Regeneration
Erwähnt werden sollte noch der Hinweis auf das allgemeine regenerative Potenzial der CAT-Therapie. In einigen Kureinrichtungen ist die CO2-Behandlung ein wichtiger Bestandteil entspannender und regenerativer Anwendungen. Der Saisonabschluss 2019/2020 der 3. Bundesliga war gekennzeichnet durch 11 Spiele in Form einer englischen Woche. Die durch intensive Trainingseinheiten und Spielbetrieb gekennzeichnete finale Phase brachte viele Spieler an ihre regenerativen Leistungsgrenzen. Hier half einigen die unterstützende CAT-Behandlung beim Abbau der Stresssituation für den Körper (Abb. 7).
Ebenfalls kam diese Therapie bei Prellungen, Knochenmarködeme und Muskelfaserverletzungen positiv zum Einsatz. Eine ausführliche Beschreibung dazu finden Sie bei dem Artikel unter www.sportaerztezeitung.com
Fazit
Die CO2-Trockenbadbehandlung ist eine effektive physikalische Behandlungsmethode zur Verbesserung der Sauerstoffversorgung geschädigter Gewebestrukturen. Durch Steigerung des Reparaturstoffwechsels können Heilungs- und Regenerationsprozesse beschleunigt werden.
Im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes mit der Westsächsischen Hochschule Zwickau und dem ICCAS der Universität Leipzig wird seit September 2019 die Wirkung der CO2-Therapie bei der Behandlung verschiedener Verletzungen und spezieller Krankheitsbilder untersucht. Als effektives Diagnosesystem hat sich dabei die Hyperspektralanalyse erwiesen. Diese Untersuchungen konnten die Wirkung der CAT-Behandlung deutlich belegen [6]. In Konsequenz kam es zu einer Indikationsausweitung auf nahezu alle Verletzungsformen und -folgen der unteren Extremitäten. Eine Behandlung ist dabei sowohl stationär als auch ambulant möglich und wird im ambulanten Bereich von den Krankenkassen und Berufsgenossenschaften vergütet.
Literatur
[1] Vogt, P. F. W. (1838) Lehrbuch der Pharmakodynamik, zweiter Band, vierte vermehrte und verbesserte Auflage, Giessen, Druck und Verlag von Georg Friedrich Heyer
[2] Fabry, R., Monnet, P., Schmidt, J., Lusson, J.-R., Carpentier, P.-H., Baguet, J.-C. Dubray, C.; (2009). Clinical and microcirculatory effects of Transcutaneous CO2 therapy in intermittent claudication. Randomized double-blind clinical trial wit a parallel design. VASA 2009;38:213-224 R. Fabry et al., Volume 38, Issue 3, August 2009 DOI 10.1024/0301-1526.38.3.213
[3] Sorg, H., Limbourg, A., Roushan, A. H., Küther, G., Braunschweig, D., Gutenbrunner, C., Vogt, P. M., Rennekampff, H. O., (2012) Verbesserung der Wundheilung durch CO2-Behandlung – Organisation und Management der Therapie. ZfW 2012, No.1, ©DGfW
[4] Nishimoto, H., Inui, A., Ueha, T., Inoue, M., Akahane, S., Harada, R., Mifune, Y., Kokubu, T., Nishida, K., Kuroda, R., Sakai, Y., (2017). Transcutaneous Carbon Dioxide Application With Hydrogel Prevents Muscle Atrophy in a Rat Sciatic Nerve Crush Model. Wiley Online Library (wileyonlinelibrary.com) DOI 10.1002 / jor.23817
[5] Kuroiwa, Y., Fukui, T., Takahara, S., Lee, S. Y., Oe, K., Arakura, M., Kumabe, Y., Oda, T., Matsumoto, T., Matsushita, T., Akisue, T., Saki, Y., Kuroda, R., Niikura, T., (2019). Topical cutaneous application of CO2 accelerates bone healing in a rat femoral defect model. Kuroiwa et al. BMC Musculoskeletal Disorders 20:237 https://doi.org/10.1186/s12891-019-2601-5
[6] Meise, P., (2020) Untersuchung der Wirkungsweise der CO2-Trockenbadtherapie bei unfallchirurgischen Fällen mittels Multispektralkamera und Laser-Doppler-Spektrophotometrie. Bachelorarbeit, Fakultät Physikalische Technik / Informatik Studiengang Biomedizinische Technik, Westsächsische Hochschule Zwickau, University of Applied Sciences
Autoren
ist Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung Spezielle Unfallchirurgie. Er ist D-Arzt (SAV), Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie, Heinrich-Braun-Klinikum gGmbH, Standort Zwickau sowie Mannschaftsarzt des FSV Zwickau.
ist Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnungen Spezielle Unfallchirurgie und Sportmedizin. Er ist stellvertretender D-Arzt (SAV), Abteilungsleiter Sportorthopädie an der Klinik für Orthopädie, Heinrich-Braun-Klinikum gGmbH, Standort Zwickau sowie Mannschaftsarzt des FSV Zwickau.