Im Leistungssport gibt es viele Parameter, die bei der Trainingsplanung und -steuerung berücksichtigt werden müssen. Darunter fallen zum Beispiel die Ernährung, der Schlaf oder die Atmung. Es wird angenommen, dass Atemtechniken bestimmte physische und psychische Zustände wie Entspannung oder Aktivität beeinflussen, die sich positiv auf die sportliche Leistung auswirken können. Zu den Techniken gehören die langsame Atmung (slow-paced breathing), die schnelle Atmung (fastpaced breathing), die freiwillige Hyperventilation (voluntary hyperventilation), das Anhalten des Atems (breath-holding) sowie die Wechselatmung und die einseitige Nasenatmung (Alternate-nostril and uni-nostril breathing). Eine systematische Literaturrecherche wurde im April 2022 in sechs elektronischen Datenbanken unter Einbezug zahlreicher Sportler*innen und Trainierender durchgeführt. Bei dieser Recherche wurden 36 Studien in die fünf Meta-Analysen aufgenommen.
Der Akt der Atmung erfolgt automatisch und bis zu einem gewissen Grad unbewusst. Bestimmte Parameter wie die Atemfrequenz (Anzahl der Zyklen pro Minute [cpm]) können jedoch willentlich kontrolliert und gezielt eingesetzt werden, um positive physiologische und psychologische Zustände zu erreichen [1]. Die Praxis der Veränderung von Atmungsparametern hat ihren Ursprung in Praktiken wie Yoga und Meditation, diese wurden in der westlichen Kultur erstmals Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt [2]. Man unterscheidet heutzutage 5 wesentliche Atemtechniken in der Sportwissenschaft:
SPB Langsames Atmen (slow-paced breathing)
SPB zielt darauf ab, die Atemfrequenz auf unter 10 Atemzüge pro Minute zu senken [1]. Durch eine verlängerte Ausatmung erhöht sich die Aktivität des Vagusnervs, wodurch eine Entspannung des Körpers erzeugt wird. Es wird angenommen, dass eine Frequenz von circa 6 Atemzügen pro Minute die stärkste Zunahme der HRV auslöst. Unterscheidet man kurzfristige und langfristige SPB-Interventionen, so geht aus der Studienlage hervor, dass sich kurzfristiges SPB positiv auf psychologische Variablen auswirken können, die für die körperliche Sportleistung relevant sind, wie z. B. Stressmanagement [3][4]. Langfristige SPB-Einheiten hingegen können in Verbindung mit Biofeedback die emotionale und körperliche Gesundheit sowie die sportliche und kognitive Leistungsfähigkeit verbessern. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass längerfristige Interventionen für Leistungssportler wirksamer sein könnten, um dauerhafte, langfristige Veränderungen in Bezug auf verbesserte Selbstregulationsmechanismen zu bewirken.
FPB schnelles Atmen (fast-paced breathing)
FPB ist definiert als eine Atemtechnik mit einer Atemfrequenz von mehr als 20 cpm [5]. Auf psychologischer Ebene kann FPB die sportliche Leistung durch eine verbesserte Informationsverarbeitung, Aufmerksamkeit und schnellere Reaktionen auf Umweltveränderungen beeinflussen [6]. Da FPB häufig kräftiges Ausatmen erfordert, um die hohe Atemfrequenz aufrechtzuerhalten, führt sie zur Stärkung der Bauchmuskeln, die für die Körperhaltung und sportliche Zwecke wichtig sind [7]. Im Allgemeinen deuten Untersuchungen darauf hin, dass FPB für Leistungssportler eine Technik zur Leistungssteigerung bei kurzfristigen, intensiven Übungen sein könnte, die eine schnelle Energieversorgung erfordern.
VH freiwillige Hyperventilation (voluntary hyperventilation)
Freiwillige Hyperventilation bezieht sich auf eine freiwillige Lungenventilation, die tiefer und in der Regel schneller als die normale Atmung ist und bei der das Verhältnis von O2-Aufnahme und CO2-Abfuhr größer ist, als es der Stoffwechsel normalerweise erfordert [8]. Bei der kurzfristigen VH als Erholungsstrategie zwischen wiederholten intensiven Anstrengungen wurden signifikante Leistungsverbesserungen festgestellt [9][10]. Die physikalisch-logischen Mechanismen, die der kurzfristigen freiwilligen Hyperventilation zugrunde liegen, liefern eine Begründung für ihre Verwendung als Routine vor dem Training, um die Leistung bei Sportarten mit kurzzeitiger Belastung wie Schwimmen, Tauchen oder Sprinten zu verbessern. Die Auswirkungen langfristiger VH müssen weiter untersucht werden.
BH Anhalten des Atems (breath holding)
Das freiwillige Aussetzen des Atems (Apnoe) besteht aus zwei Phasen: (1) der Anfangsphase und (2) der Kampfphase, die durch einen zunehmenden Drang zum Atmen und fortschreitende unwillkürliche Atembewegungen gekennzeichnet ist [11]. Die Metaanalyse für Interventionen zum BH auf die sportliche Leistung ergab keine Wirkung für kurzfristige Interventionen, was auf die fehlende Sauerstoffversorgung von Muskeln und Gehirn während des Atemanhaltens zurückzuführen ist [12]. Die längerfristigen BH-Interventionen und damit einhergehende langfristige physiologische Anpassungen, die sich aus dem Training unter hypoxischen Bedingungen ergeben, können sich positiv auf die sportliche Leistung auswirken. Vor allem für Leistungssportler im Sprint stellt das langfristige BH eine hilfreiche Anwendung für eine Leistungssteigerung dar.
ANB & UNB Wechselatmung und einseitige Nasenatmung (Alternate-nostril and uni-nostril breathing)
Wechselatmung und einseitige Nasenatmung beruhen auf der Verwendung und Manipulation des Nasenzyklus. Ein Beispiel wäre die Atmung durch ein Nasenloch bei gleichzeitiger Blockierung des Luftstroms des anderen, mit dem Ziel, bestimmte Veränderungen im autonomen Nervensystems hervorzurufen [13]. Der physiologische Hintergrund dieser Atemtechnik soll auf mechanischen Rezeptoren in der Nasenschleimhaut beruhen [14]. Die Wechselatmung und die Uni-Nostril-Atmung können sich durch ihre aktivierende und entspannende Wirkung auf die sportliche Leistung auswirken.
Die Ergebnisse der Metaanalyse zeigen, dass vor allem längerfristige SPB- und Atemanhalte-Interventionen die sportliche Leistung verbessern können. Es sind weitere Untersuchungen erforderlich, um wichtige Moderatoren dieser Effekte zu ermitteln. Außerdem müssen andere Atemtechniken weiter erforscht werden, bevor ihre breite Anwendung empfohlen werden kann.
Original reference: Laborde, S., Zammit, N., Iskra, M., Mosley, E., Borges, U., Allen, M. S., & Javelle, F. (2022). The influence of breathing techniques on physical sport performance: a systematic review and meta-analysis. International Review of Sport and Exercise Psychology, 1-56. doi:10.1080/1750984x.2022.2145573
Autoren:
Sylvain Laborde a,b, Laura Großhaus b, Nina Zammitb, Maša Iskrab, Emma Mosleyc, Uirassu Borgesb,d, Mark S. Allen e and Florian Javelle f
aGerman Sport University Cologne, Performance Psychology Department, University of Caen Normandy, Caen, France; bInstitute of Psychology – Department of Performance Psychology, German Sport University Cologne, Cologne, Germany; cSolent University, Southampton, UK; dInstitute of Psychology; Department of Health & Social Psychology; German Sport University Cologne, Cologne, Germany; eUniversity of Wollongong, Wollongong, Australia; fDepartment for Molecular and Cellular Sports Medicine, Institute for Cardiovascular Research and Sports Medicine, German Sport University Cologne, Cologne, Germany
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Literatur
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[2] Gerritsen, R. J. S., & Band, G. P. H. (2018). Breath of life: The respiratory vagal stimulation model of contemplative activity. Frontiers in Human Neuroscience, 12, 397. https://doi.org/10.3389/fnhum. 2018.00397
[3] Laborde, S., Allen, M. S., Gohring, N., & Dosseville, F. (2017). The effect of slow-paced breathing on stress management in adolescents with intellectual disability. Journal of Intellectual Disability Research, 61(6), 560–567. https://doi.org/10.1111/jir.12350
[4] Laborde, S., Allen, M. S., Borges, U., Dosseville, F., Hosang, T. J., Iskra, M., & Javelle, F. (2022). Effects of voluntary slow breathing on heart rate and heart rate variability: A systematic review and a meta- analysis. Neuroscience & Biobehavorial Reviews, 138, 104711. https://doi.org/10.1016/j.neubiorev. 2022.104711
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Abbildungsverzeichnis
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Autoren
(PhD) hat in Psychologie und Sportwissenschaft promoviert. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf dem Bereich der Sportpsychologie.