Sportartspezifische Verletzungen der oberen und unteren Extremiät sind hinlänglich beschrieben. Ob Jumper’s Knee [1], Thrower’s Shoulder [2] oder Pitcher’s Elbow [3] – diese aus dem Englischen übernommenen Bezeichnungen sind jedem Sportmediziner ein Begriff. Der Terminus Boxerellenbogen oder Boxer’s Elbow hingegen ist vielen nicht geläufig und das, obwohl er bereits 1975 erstmals durch Grenier R et al. [4] beschrieben wurde.
Verschiedene Übersichtsarbeiten haben sich mit dem Auftreten von akuten und chronischen Verletzungen im Boxsport beschäftigt [5 – 8]. Am häufigsten sind dabei die Kopf- bzw. Gesichtsregion betroffen. Ellenbogenverletzungen machen mit 1 – 4 % [6, 9, 10] aller Verletzungen eher einen geringen Anteil aus, wobei die Ausfallzeit pro Verletzung mit im Mittel über 30 Tagen nicht zu verachten ist [5]. Im Folgenden soll der Begriff Boxerellenbogen und deren zugrundeliegende Pathologie erläutert und Diagnose sowie Therapie anhand von zwei Fallbeispielen dargestellt werden.
Pathomechanismus
Im Jahr 1975 wurde der Begriff Boxer’s Elbow erstmals anhand von zwei Fällen beschrieben [4]. Als Ursache für die von den jungen Boxern beschriebenen Beschwerden wurden repetitive Hyperextensionen des Armes im Rahmen der sportlichen Aktivität vermutet, vor allem, wenn der Schlag den Gegner verfehle. Valkering et al. publizierten 2008 eine Serie von fünf Boxern, in welcher die Theorie von Grenier et al. bestätigt und ein Fehlschlag mit Hyperextension und proniertem Ellenbogen als Ursache ausgemacht wurde. Dabei kommt es zu einem mechanischen Konflikt zwischen der Olecranonspitze und der korrespondierenden Fossa, vor allem im lateralen Anteil (posterolaterales Impingement). Dadurch wird die Entstehung von Osteophyten bzw. freien Gelenkkörpern begünstigt [4, 11]. Im Jahr 2017 veröffentlichten Robinson et al. eine weitere Fallserie mit sieben Boxern. Neben dem beschriebenen Hyperextensionsmechanismus, welches zu einem posterolateralen Impingement führt, wurden erstmals auch ossäre Veränderungen im ventralen Kompartiment des Ellenbogens festgestellt. Diese wurden auf eine forcierte Hyperflexion während Clinchsituationen bzw. das anschließende Wegschieben des Gegners zurückgeführt. Auch das Abwehren eines gegnerischen Schlages bei gebeugtem Ellenbogen, egal ob in Pro- oder Supinationsstellung, könne zu einer forcierten Hyperflexion und damit einem anterioren Impingement zwischen Coronoidspitze und der Fossa führen [12].
Klinisches Erscheinungsbild
Beim Impingement des Boxers beklagen die betroffenen Sportler einen meist dorsalen Ellenbogenschmerz, ein Steifigkeitsgefühl und ein Bewegungsdefizit. Die aktive Extension – und vereinzelt auch aktive Flexion – zeigen sich reduziert und eine forcierte Extension bzw. Flexion gegen Widerstand durch den Untersucher führt zur Provokation von Schmerzen. Ein lokaler Druckschmerz muss nicht zwangsläufig vorhanden sein, kann aber bei Vorliegen meist am posterolateralen Ellenbogen ausgelöst werden. Ebenso wie in der Studie von Robinson et al. war die Umwendbewegung bei unseren beiden Fallbeispielen nicht betroffen [12].
Bildgebung
Nativröntgen
Bei ausgeprägten Befunden sind freie Gelenkkörper und Osteophyten der Olecranon- oder Coronoidspitze bereits im seitlichen Strahlengang ersichtlich (Abb. 1). Die native Röntgenbildgebung in 2 Ebenen bietet sich daher als schnell verfügbare und einfache Untersuchung zur Detektion möglicher knöcherner Veränderungen des Ellenbogens an.
Schnittbildgebung (MRT / CT)
Aufgrund der Vielzahl möglicher Pathologien am Ellenbogen hat sich die Magnetresonanztomographie (MRT) in den meisten Fällen zur Bildgebung der Wahl entwickelt. Osteophyten und freie Gelenkkörper sind in der Regel gut zu erkennen (Abb. 2).
Im Vergleich zur Computertomographie (CT) bietet die MRT außerdem die Beurteilungsmöglichkeit der Weichteile. Dazu zählen neben den Kollateralbändern sowie der Trizeps- und Bizepssehne auch synoviale Veränderungen und Vernarbungen in den jeweiligen Fossae. Zusätzlich lässt die MRT eine Einschätzung von Knorpelschäden bzw. subchondraler Knochenreaktionen zu (Abb. 3).
Therapie
Konservativ
Im initialen Stadium ohne größere Bewegungseinschränkung und fehlende Hinweise auf freie Gelenkkörper bzw. Osteophyten hat die konservative Therapie einen Stellenwert. Bei fortgeschrittenen Befunden lässt sich mittels Krankengymnastik, Taping, oraler Analgesie und Infiltrationen allerdings in den meisten Fällen keine ausreichende Beschwerdebesserung erreichen, die ein return to sports ermöglicht.
Operativ
Für uns hat sich die Arthroskopie als Therapie der Wahl des Boxer’s Elbow entwickelt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Alle Gelenkkompartimente können eingesehen, synovialitische Verwachsungen sowie freie Gelenkkörper entfernt und Knorpelschäden behandelt werden. Additiv lässt sich das Beuge- und Streckdefizit verlässlich mit einer Kapsulektomie beheben, sofern das ossäre Debridement nicht zu einer ausreichenden Rückgewinnung der Beweglichkeit geführt hat (Abb. 4 – 9). Im eigenen Vorgehen wird der Eingriff wie in dem Artikel in der sportärztezeitung Ausgabe 02/22 beschrieben in Seitenlage und Vollnarkose durchgeführt [13]. Bei korrekter Durchführung lassen sich durch das arthroskopische Vorgehen gute klinische Ergebnisse erreichen und erlauben den Patienten eine Rückkehr zum Sport [11, 12].
Fazit
Der Boxer’s Elbow oder Boxerellenbogen beschreibt ein internes Impingement, welches sowohl im dorsalen als auch ventralen Kompartiment beobachtet werden kann. Durch Hyperextensions- und Hyperflexionsereignisse im Rahmen von (verfehlten) Schlägen oder dem Abwehren von gegnerischen Attacken kommt es zu weichteiligen und knöchernen Veränderungen der Olecranon- und Coronoidspitze sowie ihrer korrespondierenden Fossae. Betroffene Boxer stellen sich mit Ellenbogenschmerzen und einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung vor. Röntgen und MRT bestätigen die Diagnose. Abhängig vom Ausmaß der Veränderungen in der Bildgebung sowie des Leidensdrucks des Patienten bietet sich die Arthroskopie mit Debridement und gegebenenfalls Kapsulektomie an, um den Sportlern ein return to sports zu ermöglichen.
Literatur
- Lian OB, Engebretsen L, Bahr R. Prevalence of jumper’s knee among elite athletes from different sports: a cross-sectional study. Am J Sports Med. 2005;33(4):561-7.
- Gelber JD, Soloff L, Schickendantz MS. The Thrower’s Shoulder. J Am Acad Orthop Surg. 2018;26(6):204-13.
- Rossy WH, Oh LS. Pitcher’s elbow: medial elbow pain in the overhead-throwing athlete. Curr Rev Musculoskelet Med. 2016;9(2):207-14.
- Grenier R, Rouleau C. Boxer’s elbow: An extension and hypertension injury. The Journal of Sports Medicine. 1975;3(6):282-7.
- Loosemore M, Lightfoot J, Palmer-Green D, Gatt I, Bilzon J, Beardsley C. Boxing injury epidemiology in the Great Britain team: a 5-year surveillance study of medically diagnosed injury incidence and outcome. Br J Sports Med. 2015;49(17):1100-7.
- Timm KE, Wallach JM, Stone JA, Ryan EJ. Fifteen years of amateur boxing injuries/illnesses at the United States olympic training center. J Athl Train. 1993;28(4):330-4.
- Zazryn TR, Finch CF, McCrory P. A 16 year study of injuries to professional boxers in the state of Victoria, Australia. Br J Sports Med. 2003;37(4):321-4.
- Zazryn TR, McCrory PR, Cameron PA. Injury rates and risk factors in competitive professional boxing. Clin J Sport Med. 2009;19(1):20-5.
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- Zazryn T, Cameron P, McCrory P. A prospective cohort study of injury in amateur and professional boxing. Br J Sports Med. 2006;40(8):670-4.
- Valkering KP, van der Hoeven H, Pijnenburg BC. Posterolateral elbow impingement in professional boxers. Am J Sports Med. 2008;36(2):328-32.
- Robinson PM, Loosemore M, Watts AC. Boxer’s elbow: internal impingement of the coronoid and olecranon process. A report of seven cases. J Shoulder Elbow Surg. 2017;26(3):376-81.
- Nietschke R, Zimmerer A, Schneider M. Ellenbogenarthroskopie – Ablauf, Indikationen, Vorteile und Grenzen der Technik. Sportärztezeitung. 2022; Ausgabe 02/2022.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung Sportmedizin und Chirotherapie. Er ist Sektionsleiter für arthroskopische und rekonstruktive Schulter- und Ellenbogenchirurgie im MVZ Praxisklinik Orthopädie Aachen. Als zertifizierter Schulter- und Ellenbogenchirurg der DVSE und AGA-Arthroskopeur liegt sein Fokus auf der Schulter- und Ellenbogenchirurgie.
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Von 2013 bis 2020 war er als eigenständiger Operateur der Oberen Extremität in den Arcus Kliniken in Pforzheim tätig. Seit 2020 führt er zusammen mit seinem Kollegen die orthio Praxisklinik in Karlsruhe mit Schwerpunkt Schulter- und Ellenbogenchirurgie.
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Nach Stationen an der Uniklinik Mainz, der Uniklinik Köln sowie dem Rhön-Klinikum in BadNeustadt ist er seit 2016 als Oberarzt und leitender Arzt Ellenbogenchirurgie in der Arcus Sportklinik in Pforzheim tätig. Seit Jahren zählt er im Focus-Ranking als Topmediziner für Schulter- und Ellenbogenchirurgie.