Das femoroacetabuläre Impingement Syndrom (FAIS) ist eine häufige Ursache für Hüft- und Leistenschmerzen bei jungen Menschen und Menschen mittleren Alters [1]. Die Anzahl der FAIS-Operationen ist dabei in den letzten zehn Jahren exponentiell gestiegen. Allerdings korreliert die wissenschaftliche Evidenz nicht mit diesem Anstieg [2].
Das FAIS ist eine bewegungsabhängige, klinische Störung der Hüfte, wobei es zu einem vorzeitigen Kontakt zwischen proximalem Femur und Azetabulum kommt [3]. Verschiedene konservative Ansätze werden präsentiert, z. B. die UK FASHIoN Studie [4] mit der „Personalised Hip Therapy“ sowie die HAPI-Übungsübersicht [5]. Diese Arbeit soll ein Konzept validieren, das sowohl als Vorbereitungstraining für FAIS Operationen dienen soll, als auch als Ergänzung zur Therapie postoperativ. Dieses Konzept soll individuell und progressiv gestaltet werden, um einheitlich aber dennoch patientenorientiert zu funktionieren. Folglich soll diese Studie die Frage beantworten, ob ipHIT ein Behandlungsansatz ist, der sich in der Praxis umsetzen lässt.
Beschreibung & Charakterisierung
Diese prospektive Pilotstudie soll die Effektivität von ipHIT bei Patienten mit einem diagnostizierten FAIS validieren. In den Zeitraum von Mai 2019 bis März 2020 arbeiteten die Probanden vollumfänglich über 6 Monate mit ipHIT, davon 3 Monate präoperativ und 3 Monate postoperativ. Insgesamt nahmen 19 Probanden an der Studie teil. Davon führten 11 Probanden ipHIT prä- und postoperativ aus und 4 Probanden ausschließlich postoperativ. 4 Probanden haben die Studienteilnahme abgebrochen. Um die Koordination der unteren Extremität zu messen, wurde der Y-Balance Test (YBT) eingesetzt. Für die Bewertung des subjektiven Empfindens wurde das SF-36 und das International Hip Outcome Tool-12 (iHOT-12) verwendet.
Die ipHIT – Idee
Für dieses Konzept wurden spezifische Übungen ausgesucht, um die Hüfte in allen Richtungen zu beanspruchen. Diese wurden in einem Katalog zusammengefasst und den Probanden ausgehändigt. Der Übungskatalog beinhaltete eine schriftliche Beschreibung mit Bildern sowie eine Videoanleitung. Alle Teilnehmer bekamen den Übungskatalog ohne weitere Erklärung zu den einzelnen Übungen. Das gesamte Training wurde progressiv gestaltet, aufbauend auf der Trainingspyramide von Van Wingerden (1995) und der Theorie des medizinischen Trainings von Diemer & Sutor (2011). Alle Trainingseinheiten unterlagen einer Formel individueller als auch progressiver Inhalte des jeweiligen Trainings. Diese Formel ermöglichte eine individualisierte Belastung der einzelnen Übungen. Als Richtwert wurden die Teilnehmer gebeten, zwischen zwei und vier Mal pro Woche das Training zu absolvieren (Abb. 1).
Ergebnisse
Die Nachfolgenden Schaubilder zeigen die relativen Veränderungen der Probanden nach der Durchführung der ipHIT Intervention. Für die stellvertretende Darstellung der Beweglichkeit wird hier die Innenrotation der betroffenen Hüfte dargestellt, sowie die Ergebnisse des YBT der betroffenen Hüfte (Abb. 2 – 4).
Ergebnisse zur Beweglichkeit und Koordination (Y-Balance-Test)
Um objektive Ergebnisse für die Beweglichkeit darzustellen, wurde stellvertretend die Innenrotation (IRO) verwendet. Die aktive IRO zeigt eine Steigerung der Beweglichkeit von 19,7 % bei der reinen Reha-Gruppe, aber eine deutlich geringere Steigerung von 2,9 % bei der Präha-Gruppe. Die passive IRO verbesserte sich mit 19,4 % in der Reha-Gruppe sowie mit 20,3 % innerhalb der Kombi-Gruppe. Bei den allgemeinen Ergebnissen werden die objektiven Resultate mithilfe des YBT dargestellt. In allen Bewegungsrichtungen am YBT existiert eine Steigerung. Teilweise waren diese Steigerungen nach der ausschließlichen Präha-Phase am höchsten: ventral mit 3,5 % und posteriomedial (pmed) mit 9,8 %. In diesen Messungen zeigte sich die reine Reha-Phase am geringsten mit 1,4 % ventral und 8,6 % posteriomedial. Gegenläufig hierzu war es bei der posteriolateralen (plat) Bewegung. Hier zeigte die Reha-Phase mit 12,5 % die größte Steigerung, die Präha-Phase mit 8,7 % die niedrigste Entwicklung.
Subjektive Einschätzung der Patienten
Die ipHIT-Studie zeigt, dass ein progressives Training das Schmerzempfinden (SF-36) und die subjektive Leistungsfähigkeit in Bezug auf das FAIS (IHOT-12) verbessern kann. Auch das Training vor der Operation zeigte Steigerungen des subjektiven Empfindens. Bei der Kombi-Gruppe gab es eine Steigerung um 4,8 % beim SF-36, nach der Präha-Phase um 3,6 %. Die geringste Steigerung fand sich innerhalb der reinen Reha-Gruppe mit 2,7 %. Stellt man die allgemeinen subjektiven Ergebnisse den hüftspezifischen Ergebnissen durch den IHOT-12 Fragebogen gegenüber, zeigt sich ein anderer Verlauf: Hier schnitt die Reha-Gruppe mit 31,8 % Steigerung am besten ab, gefolgt von der Kombi-Gruppe mit 11,8 %. Am niedrigsten war die Entwicklung innerhalb der Präha-Gruppe mit 6,5 %.
Diskussion
Die Ergebnisse der ipHIT Intervention lassen sich in zwei Bereiche eingliedern. Zum einen die allgemeinen Ergebnisse durch den YBT und den SF-36 sowie die hüftspezifischen Ergebnisse durch die IRO und iHOT-12. Die Ergebnisse der YBT zeigen, dass in allen Trainingsphasen die Probanden profitieren können. Da die Probanden die Operation durchführten, sind die postoperativen Gruppen eher zu betrachten. Die reine Reha Gruppe schnitt schlechter als die Kombinationsgruppe in zwei Bewegungsrichtungen ab. Bei der ventralen Bewegung (1,4 % gegen 1,8 %) sowie bei der posteriolateralen Bewegung (8,6 % gegen 9,2 %), aber besser bei der posteriomedialen Bewegung (12,5 % gegen 11,6 %). Die posteriolaterale und ventrale Bewegung sind eher provozierende Bewegungen für das FAIS, verglichen mit der posteriomedialen Bewegung. Entsprechend können die Ergebnisse auf eine mögliche Vermeidungshaltung der Probanden vor der Operation zurückzuführen sein. Durch ipHIT wurde die Funktion erarbeitet, damit die postoperativen Ergebnisse besser ausfallen. Da die Probandenanzahl gering war, ist unklar, ob diese Ergebnisse stellvertretend sind. Stellt man die allgemeinen subjektiven Ergebnisse der hüftspezifischen subjektiven Ergebnisse durch den iHOT-12 Fragebogen gegenüber, zeigt sich ein anderer Verlauf. Hier schnitt die Reha-Gruppe am besten ab mit 31,8 % Steigerung, gefolgt von der Kombi-Gruppe mit 11,8 %. Am niedrigsten war die Steigerung bei der Präha-Gruppe mit 6,5 %. IpHIT beginnt mit vielen Koordinationsübungen und arbeitet sehr hüftgezielt. Dadurch verändern die Patienten ihren Fokus und ihre Aufmerksamkeit, weshalb die Ergebnisse beim hüftspezifischen subjektiven Empfinden wahrscheinlich schlechter ausfallen. Durch das Training nehmen die Probanden ihr FAIS und die dazugehörige Symptomatik stärker wahr. Hinzu kommt Muskelkater, welcher im Rahmen des Trainings entstehen kann.
Die Studie untersuchte einen relativ kurzen Zeitraum nach der Operation. Die Proliferationsphase bei Knorpelgewebe dauert in der Regel drei Monate [6]. Nach Abschluss dieser Phase wurde direkt die Abschlussuntersuchung durchgeführt. Entsprechend lässt sich das verschlechterte subjektive Empfinden bei manchen Teilnehmern interpretieren. Um die langfristigen Veränderungen bewerten zu können, benötigt man weitere Untersuchungen nach 6, 12 Monaten sowie nach 2 bzw. 5 Jahren. Eine weitere Verbesserung des subjektiven Empfindens wäre nach diesen Zeiträumen durchaus möglich. Ebenso bedarf es langfristiger Ergebnisse, um die gesteigerte Funktionalität besser deuten zu können. Auf die Frage hin, wie die Probanden das Training empfanden, kann als allgemeiner Konsens festgehalten werden, dass ipHIT eine positive Unterstützung im Rahmen des Heilungsprozesses darstellt.
Aktuelle Studienlage
Vergleiche mit der aktuellen Studienlage sind aufgrund von wenigen vergleichbaren Studien schwierig. Die HAPI ‘Hip Arthroscopy Pre-habilitation Intervention’ study [5] zeigt auch, dass eine hüftspezifische Trainingsintervention vor der FAIS Operation positive Tendenzen in den postoperativen Ergebnissen haben kann. Dennoch hat diese Studie keine vergleichbaren Parameter zur ipHIT Intervention. Der iHOT-12 Fragebogen hingegen kann besser für den Vergleich verwendet werden, da andere Studien diesen Fragebogen verwendet haben (Abb. 5).
Das ipHIT-Konzept hat mit einer Steigerung von 11,8 % in der Kombi-Gruppe und 31,8 % in der reinen Rehabilitationsgruppe einen geringeren Einfluss bezüglich des IHOT-12 als die oben genannten Vergleichstudien. Ein adäquater Vergleich ist nicht vollumfänglich möglich, da die ipHIT Teilnehmer weniger als ein Drittel der Rehabilitationszeit zu Verfügung hatten. Ebenso wurden die Probanden in diesen Studien intensiver betreut, wohingegen ipHIT als alleinstehendes Konzept fungieren sollte. Nach den Bewertungskriterien von CONSORT 2010 ist die Qualität der Evidenz dieser Studie als gering einzuschätzen. U.a. aufgrund der fehlenden Randomisierung und dem Fehlen einer Vergleichsgruppe, die die Operation ohne ipHIT durchgeführt hat. Da die Reha-Gruppe sehr klein war, mit lediglich 4 Teilnehmern, kann nicht repräsentativ für diese Patientenpopulation eine genaue Aussage getroffen werden. Aus der Kombi-Gruppe lässt sich eher eine Tendenz interpretieren, da mit 11 Teilnehmern eine gewichtigere Aussage getroffen werden kann. Dennoch ist diese Probandenzahl immer noch sehr gering. Nichtsdestotrotz wurde die Studie gut und übersichtlich aufgebaut, entsprechend ist es einfach zu replizieren um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten.
Um genauer herauszufinden wie effektiv ipHIT als medizinischer Trainingsansatz bei FAIS funktioniert, müsste man weitere Studien durchführen. Z. B. eine Studie, die einerseits den Vergleich von ipHIT zu einer Gruppe mit ausschließlich der grundtherapeutischen Behandlung, andererseits einen direkten Vergleich mit anderen therapeutischen Ansätzen, beispielsweise das Personalised Hip Therapy [4], zugrunde legt. Allgemein besteht der Bedarf an Studien mit einer größeren Probandenzahl, um die Evidenz von ipHIT zu steigern.
Fazit
Diese Arbeit zeigt, dass es möglich ist ein individualisiertes Trainingskonzept zu erstellen, das ein Patient neben der therapeutischen Behandlung eigenständig durchführen kann. Somit könnte man für weitere Krankheitsbilder weitere Trainingsmaßnahmen erstellen, um die Behandlungen allgemein von Patienten zu optimieren. Bei FAIS ist ipHIT ein valider Trainingsansatz, um den Heilungsprozess der erkrankten Patienten bestmöglich zu fördern. Das Konzept ist nicht in der Lage, die physiotherapeutische Behandlung zu ersetzten, aber es eröffnet neue Wege, die den medizinischen und trainingswissenschaftlichen Stellenwert in der Physiotherapie fördern können. Eine interdisziplinäre Behandlung ist immer der beste Behandlungsansatz und mit ipHIT kann man sich diesem Optimum nähern.
Literatur
[1] Kemp, Coburn, Jones & Crossley, 2018
[2] Reiman & Thorborg, 2015
[3] Griffin et al., 2016
[4] Griffin et al., 2018
[5] Grant, Cooper & Conroy, 2017
[6] Diemer & Sutor, 2011
Autoren: Jack Taylor1, Dr. med. Christian Sobau2, Dr. med. Alexander Zimmerer2, Prof. Dr. Tobias Erhardt3, Prof. Dr. Björn Eichmann3
1 Absolvent im Bachelorstudiengang Physiotherapie der SRH Hochschule für Gesundheit
2Arcus Sportklinik Pforzheim
3SRH Hochschule für Gesundheit, Campus Karlsruhe
Autoren
ist Physiotherapeut (Bachelor of Science Physiotherapie) im Angestelltenverhältnis. Er ist stv. Geschäftsführer und Leiter von T-RENA, Präventionskurse und Firmenkooperationen. Zusätzlich ist er Dozent an der SRH Stuttgart.
ist Leitender Arzt in der ARCUS Sportklinik in Pforzheim. Die Behandlungsschwerpunkte des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie sind Knie und Hüftgelenk. Außerdem ist er wiss. Beirat der sportärztezeitung.
ist als Professor für Sportwissenschaften an der SRH Hochschule für Gesundheit in Karlsruhe und Stuttgart tätig.