„Ganzkörper-Vibrationstraining“ wurde erstmals in den 1990er Jahren vorgestellt und ist heute ein immer beliebterer und wesentlicher Bestandteil des Trainingsalltags von Freizeit- und Profisportlern. Über die letzten Jahre konnten diverse Studien interessante Ergebnisse zeigen, besonders in Bezug auf eine Verbesserung der muskulären Leistung [1–3], positive Effekte auf die Knochendichte [4] sowie positive Einflüsse auf die Propriozeption und das Gleichgewicht [5].
Ebenfalls konnte bewiesen werden, dass Langzeitanwendungen einen positiven Einfluss auf die Körperzusammensetzung haben und eine Reduktion des Gesamtkörperfettanteils unterstützen [6–8]. Beim Ganzkörper-Vibrationstraining (Galileo Training) wird durch kurze, sich immer wiederholende Oszillationen während der Durchführung einer Bewegungsübung – z. B. einer Kniebeuge – eine automatische Körperantwort provoziert. Es handelt sich also um eine Form des neuromuskulären Widerstandstrainings. Der Körper wird gezwungen, sich während der durchgeführten Trainingsübung immer wieder neu auf die Situation einzustellen. Der Effekt der Vibration lässt sich mit einer reflektorischen Muskelantwort vergleichen, wie sie von den Muskeleigenreflexen bei der neurologischen Untersuchung bekannt sind [9]. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass es zu einer Potenzierung der Anspannungen in der Muskulatur nach der primären Aktivierung kommt [10], wodurch der erhöhte Trainingseffekt erklärt werden kann. Ein anderer wichtiger Punkt ist die Anpassung der neuromuskulären Steuerung. Hier erfolgt durch die unbewussten, reflektorischen Co-Kontraktionen eine Optimierung der posturalen Kontrolle sowie im Verlauf eine dauerhafte Anpassung des ZNS [11].
Profiradsport ist ein körperlich sehr einseitig belastender Sport. Insbesondere aufgrund der Verkürzung der ventralen Muskelgruppen ist ein ausgleichendes Training vor, während und auch nach der Saison erforderlich. Die vorliegende Untersuchung diente zur Beurteilung, ob das Galileo-Training ein geeignetes ergänzendes Training im Profiradsport sein kann. Insgesamt sind in der aktuellen Literatur viele Studienergebnisse zu finden, welche für einen positiven Einfluss des Vibrationstrainings auf den Trainingszustand im Vergleich zu Kontrollgruppen sprechen.
Studiendesign und Untersuchungsmethoden
Wir haben insgesamt 15 junge männliche Leistungssportler im Alter von 18–22 Jahren untersucht. Zu Beginn erfolgte per Randomisierung eine Zuordnung zu den beiden Studienarmen „Trainingsgruppe Galileo“ vs. „Kontrollgruppe“. Das Trainingsprotokoll wurde nach dem standardisierten Aufwärmprogramm durchgeführt. Das Testprotokoll stammt aus einer vorangegangenen Studie von Gojanovic B. et al. [12] und stellt ein gutes, kompaktes Programm zur allgemeinen Fitnessverbesserung dar. Wir haben es für unsere Zwecke etwas gekürzt. Es wurden folgende Übungen durchgeführt:
- Kniebeuge auf dem Galileo
- Liegestütz mit den Händen auf dem Galileo
- Isometrische Kniebeuge (Haltestellung 90° Knieflex.) auf dem Galileo
- Lunges mit dem führenden Fuß auf dem Galileo
Jede Trainingssession dauerte 10–15min und beinhaltete drei Sätze der vier oben beschriebenen Übungen mit 15sec Pause zwischen den Übungen und 75sec Pause zwischen den Sätzen. Es wurden jeweils 15 Wiederholungen pro Übung in 45sec durchgeführt. Jede Wiederholung bestand aus 1sec exzentrischer Kontraktion, 1sec isometrischer Kontraktion und 1sec konzentrischer Kontraktion. Davon ausgenommen waren die isometrischen Kniebeugen, diese wurden in 90° Knieflexion während 45sec gehalten. Die Frequenz des Galileo wurde auf 24hz [13] eingestellt. Das Programm wurde zusätzlich zum normalen Training 3x wöchentlich durchgeführt. Ein erfahrener und im Programm geschulter Trainer supervisierte die Durchführung des Protokolls und sicherte einen Ablauf gemäß Studienprotokoll.
Zu Beginn haben wir eine subjektive Einschätzung von den Sportlern erhalten, wie ihr aktueller Trainingszustand ist und was sie sich von dem Training auf dem Galileo erhoffen. Im Anschluss an das Trainingsprogramm erfolgte eine erneute Befragung zum subjektiven Befinden und eine Einschätzung der Leistungsfähigkeit.
Ergebnisse
Das Trainingsprotokoll wurde von allen Teilnehmern sehr gut toleriert, keiner klagte über Unwohlsein oder Überlastungsproblematiken im Verlauf. Zwei Teilnehmer konnten für die Ergebnisberechnung aufgrund eines vorzeitigen Ausscheidens aus der Studie nicht berücksichtigt werden. Insgesamt wurde über ein sehr positives Trainingsergebnis von den Sportlern berichtet. Besonders das subjektive Gefühl der Leistungssteigerung und das der verbesserten körperlichen Grundfitness nach dem Training wurden beschrieben. Zudem wurde eine verbesserte Körperstabilität sowie Leistungszunahme in der Kraftausdauer nach Abschluss des Trainingszyklus berichtet. Besonders stark war die subjektive Verbesserung in der posturalen Kontrolle, im Speziellen der Balance, was bei den standardmäßig durchgeführten Gleichgewichtsübungen positiv auffiel.
Diskussion
Die subjektiven Eindrücke der Probanden deuten auf einen positiven Nutzen des Ganzkörper-Vibrationstrainings hin. Wir konnten zeigen, dass die Probanden vom Ganzkörper-Vibrationstraining profitiert haben. Wichtig ist hier jedoch anzumerken, dass es sich um eine rein subjektive Einschätzung der Probanden gehandelt hat und keine Leistungsdiagnostiken als belastbare und objektivierbare Parameter erhoben wurden. Weitere Untersuchungen sollten durchgeführt werden, um die positiven subjektiven Einschätzungen mit physiologischen Testungen und gegebenenfalls Assessments zu validieren. Die beobachteten positiven Effekte in unserer Untersuchung decken sich mit den Ergebnissen aus hervorgegangenen Studien in der aktuellen Literatur. Insbesondere ist hier die Verbesserung der muskulären Leistung [1–3] sowie eine verbesserte Flexibilität und Schnellkraft zu nennen [14], welche auch von den Probanden in unserer Untersuchung angegeben wurden.
Fazit
Wir konnten zeigen, dass das Ganzkörper-Vibrationstraining einen subjektiv sehr positiven Einfluss auf das individuelle Leistungsempfinden hat. Besonders ist hier das Gefühl der verbesserten Flexibilität, Propriozeption und Schnellkraft zu nennen, wie auch Dalles G. et al. [14] in ihrer Studie zeigten. In Zusammenschau der aktuellen Datenlage sowie in Bezug auf die hier vorliegende Arbeit lässt sich die Hypothese aufstellen, dass ein regelmäßiges Ganzkörper-Vibrationstraining in Sportarten, in denen eine gute Flexibilität sowie Schnellkraft notwendig ist, regelmäßig vor dem Haupttraining durchgefügt werden sollte, um eine optimale Voraussetzung für das im Anschluss stattfindende Training zu schaffen. Diese Hypothese gilt es in nachfolgenden Studien zu bestätigen. Ebenso sollte in weiteren Untersuchungen ermittelt werden, inwiefern Unterschiede in der Intervention mittels Galileo Training, unter anderem Vibrationsfrequenz, Trainingsdauer und Trainingszyklus das Outcome beeinflussen. Ein weiterer interessanter Aspekt im Profisport ist die Auswirkung von Galileo auf die Bildung von Creatin Kinase. Die Arbeiten von Timon R. et al. [15] und Edge J, Mündel T, Cochrane DJ [16] belegen den Einfluss von Galileo Training auf die reduzierte CK Produktion nach intensiven Trainingseinheiten.
Insgesamt konnte in dieser Machbarkeitsuntersuchung gezeigt werden, dass sich der Galileo als sinnvolles Trainingsgerät für professionelle Radsportler eignet und dass das Galileo Training insbesondere währen der „Off-Season“ eine gute Möglichkeit darstellen kann Präventionsprogramme umzusetzen. Die untersuchte Gruppe empfand das Trainingsgerät darüber hinaus stets als hoch motivierend.
Autoren
ist Mannschaftsarzt von RasenBallsport Leipzig und Mitarbeiter der Sportmedizin des BG Klinikum Hamburg. Vor seiner Tätigkeit im Fußball leitete er für fünf Jahre die medizinische Abteilung des Radsportteams BORA Hansgrohe und war Mitglied im medizinischen Team der NBA Europe Drafts.
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ist Assistenzarzt an der Abteilung für Prävention, Sport-und Rehamedizin BG Klinikum Hamburg und Mannschaftsarzt Team Bora-Hansgrohe.