Nur frische und erholte Spieler sind in der Lage, maximale Leistung abzurufen. Eine systematische Trainingssteuerung und -periodisierung stellt daher die Grundlage für eine erfolgreiche Saison dar. Gerade im Hinblick auf die immer voller werdenden Wettkampfkalender ist es nicht leicht, ein optimales Verhältnis von Belastung und Erholung zu gewährleisten. Stimmt die Balance zwischen diesen beiden Polen, können die Spieler ihre Leistungsfähigkeit kontinuierlich verbessern und sind auf den Punkt fit, wenn es darauf ankommt.
Ist die Belastung jedoch zu niedrig, bleiben sie oft unter ihren Möglichkeiten und können ihr Potenzial nicht voll ausschöpfen. Bei zu hohen Belastungen drohen hingegen Leistungstiefs und Verletzungen. Dabei ist eine hohe Spielerverfügbarkeit in Training und Wettkampf für die Mannschaften ein wichtiger Schlüssel zu sportlichem Erfolg [1, 2], denn nur gesunde Spieler haben überhaupt die Chance, sich im Training und Spiel weiterzuentwickeln. Zudem zeigen aktuelle Studien und Experteneinschätzungen [3 – 6], dass Überlastung einen der Hauptrisikofaktoren für Verletzungen darstellt. Üblicherweise ereignen sich Verletzungen multifaktoriell und lassen sich nur selten eindeutig auf einzelne Ursachen zurückführen. Ein vergleichsweise geringer Anteil an Verletzungen, in denen (Gegner-) Kontakt eine bedeutende Rolle spielt oder gar gegen das Regelwerk verstoßen wird, spricht jedoch dafür, dass die Gründe für Verletzungen überwiegend in anderen Bereichen zu finden und oftmals intrinsischer Natur sind [6]. Auch statistisch signifikante Schwankungen im Saisonvergleich können ein Hinweis auf den Risikofaktor Überlastung als eine relevante Ursache für hohe Verletzungsraten sein. So konnten beispielsweise im Fußball in den Spielzeiten nach großen Turnieren wie der FIFA Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien und der UEFA Europameisterschaft 2016 in Frankreich signifikant höhere kumulative Saisoninzidenzen und Ligainzidenzen beobachtet werden, als in Saisons nach üblichen Sommerpausen. Ursachen hierfür könnten die erhöhte Anzahl an Spielen sowie eine verkürzte Pausen- und Vorbereitungsphase sein [6, 7]. Folglich ist es aus präventiver Sicht von übergeordneter Bedeutung, Trainings- und Regenerationsmaßnahmen adäquat zu timen und aufeinander abzustimmen – insbesondere in Spielzeiten, die von einer hohen Wettkampfdichte und wenig Regenerationszeiten geprägt sind.
Optimale Belastungssteuerung
Aus Sicht der Autoren bedeutet optimale Belastungssteuerung die geplante Umsetzung der richtigen (Trainings-) Inhalte zur richtigen Zeit, mit der richtigen Dauer und der richtigen Intensität zum Zweck einer kontinuierlichen Leistungsentwicklung und der Vermeidung von Verletzungen. Grundvoraussetzung für einen guten Steuerungsprozess ist für einen Trainer daher die Kenntnis des individuellen Erholungs- und Beanspruchungsgrads der Spieler. Unter dem Begriff Beanspruchung wird die individuelle physische wie psychische Ermüdung zu einem bestimmten Zeitpunkt verstanden. Der Grad der Beanspruchung ist dabei abhängig von der aktuellen Leistungsfähigkeit und Resilienz und kann somit von Person zu Person variieren, auch wenn die Belastung, also die objektiv erbrachte Leistung, dieselbe war. Allem voran in den Mannschaftssportarten stellt die Belastungssteuerung auf der Grundlage individueller Beanspruchungszustände folglich eine große Herausforderung für die Trainerteams dar. So gilt es sowohl das Mannschaftsgefüge im Blick zu halten und Mannschaftstaktiken sowie Spielsysteme einzustudieren und dabei dennoch jeden Spieler möglichst individuell zu fordern und zu fördern.
Prevention-Management-Tool (PMT)
Hier setzt das von der VBG entwickelte Prevention-Management-Tool (PMT) an. Das PMT ist eine browserbasierte Web-App, die am PC, Tablet und auf dem Smartphone funktioniert. In diesem Tool kann aus einem Pool von über 30 qualitativen und quantitativen Monitorings ausgewählt werden, die einen Aufschluss über den derzeitigen Beanspruchungszustand der Spieler geben. Dazu zählen einfache Abfragen (u. a. Subjektives Wohlbefinden, subjektives Intensitätsempfinden (RPE), Schlafdauer), Tests zur Bestimmung der Konstitution (u. a. Größe, Gewicht, Körperfettanteil), motorische Tests (u. a. Sprung-Tests, Groin-Squeeze-Test, Finger-Boden-Abstand) und Parameter zur objektiven Bestimmung der Belastung (u. a. Laufdistanz, Anzahl Sprints, Anzahl Antritte). Bei allen Monitorings lassen sich die Norm- und Grenzwerte auf die eigenen Bedürfnisse der Trainerteams anpassen und eigene Warnregeln definieren. Die Spieler können ihre Angaben bequem mit dem eigenen Smartphone oder alternativ im „Kabinenmodus“ vor bzw. nach dem Training in der Kabine zentral auf einem Endgerät einpflegen. Unter Einstellungen können Monitorings hinzu- oder abgewählt werden. Auch Regeln, wann welche Monitorings abgefragt werden sollen (z. B. jeden Tag oder an jedem Tag, an dem ein Event stattfindet) lassen sich auf die vorherrschenden Rahmenbedingen sowie die Bedürfnisse der Trainerteams anpassen. Bei der Auswahl der im PMT verfügbaren Monitorings wurde darauf geachtet, dass der Beanspruchungszustand auf unterschiedlichen Ebenen beschrieben werden kann. So wird zwischen dem (allgemeinen) subjektiven Wohlbefinden sowie dem muskulären und dem hormonellen Beanspruchungszustand unterschieden. Des Weiteren berechnet das PMT auf der Grundlage der subjektiven Intensitätseinschätzung der einzelnen Events durch die Athleten mittels der RPE-Skala die individuelle Akut-Chronische-Belastungsratio (ACWR). Hierbei wird die akute Belastung der zurückliegenden sieben Tage im Verhältnis zur chronischen Belastung der vergangenen 28 Tage betrachtet. Diese Form der Belastungssteuerung wird in einem Konsensus Statement des IOC empfohlen [8] und beruht auf der Erkenntnis, dass Verletzungen insbesondere in Phasen auftreten, in denen Belastungsumfänge und -intensitäten in kurzer Zeit rasant ansteigen, beispielsweise in der Vorbereitungsphase nach der Sommerpause oder bei der Rückkehr ins Mannschaftstraining nach einer vorangegangenen Verletzung. In einem aktuellen systematischen Review [9], welches 23 wissenschaftliche Publikationen auswertete, wurde die ACWR, insbesondere in der im PMT berücksichtigten mathematischen Berechnungsmethodik mittels des exponentiell gewichteten rollierenden Mittelwerts, als wertvolles Tool zur Belastungssteuerung mit einem klaren Zusammenhang zu Non-Kontaktverletzungen bezeichnet. Die Autoren des Reviews empfehlen die ACWR – ebenfalls wie im PMT vorgesehen – in Kombination mit anderen Monitorings anzuwenden und weisen darauf hin, dass das Modell nicht für alle Sportarten, Leistungsniveaus und Altersklassen allgemeingültig anwendbar ist. Aus diesem Grund können im PMT auch für die ACWR die Grenzwerte an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst werden.
Einfache Koordination von Events wie Spiele, Trainingseinheiten oder Reisen. Darstellung der Akut-chronischen Belastungsratio (ACWR) auf Mannschafts- oder Spielerebene.
Fazit
Das PMT bietet Vereinen die Möglichkeit, nach derzeitigem Goldstandard Beanspruchungszustände zu quantifizieren und auf deren Grundlage die Belastung der Spieler individuell zu steuern. Im nächsten Schritt soll ein weiteres Modul in das PMT integriert werden, welches die Dokumentation und Auswertung von Verletzungen innerhalb der eigenen Mannschaft ermöglicht. Auf diese Weise kann es gelingen, wiederkehrende Verletzungsmuster zu identifizieren und adäquate Gegenmaßnahmen zu ergreifen – immer mit dem Ziel: weniger Verletzungen, mehr Erfolg.
Literatur
[1] Drew, M. K., Raysmith, B. P., & Charlton, P. C. (2017). Injuries impair the chance of successful performance by sportspeople: A systematic review. British Journal of Sports Medicine, 51(16), 1209–1214.
[2] Hägglund, M., Waldén, M., Magnusson, H., Kristenson, K., Bengtsson, H., & Ekstrand, J. (2013). Injuries affect team performance negatively in professional football: An 11-year follow-up of the UEFA Champions League injury study. British Journal of Sports Medicine, 47(12), 738–742.
[3] Dvorak, J., Junge, A., Chomiak, J., Graf-Baumann, T., Peterson, L., Rosch, D., & Hodgson, R. (2000).Risk factor analysis for injuries infootball players. Possibilities for a prevention program. The American Journal of SportsMedicine, 28(5Suppl), 69–74.
[4] Klein, C., Henke, T., Luig, P., & Platen, P. (2018). Leaving injury prevention theoretical? Ask the coach!—A survey of 1012 football coaches in Germany. German Journal of Exercise and Sport Research, 48(4), 489–497.
[5] McCall, A., Carling, C., Nedelec, M., Davison, M., Le Gall, F., Berthoin, S., & Dupont, G. (2014). Risk factors, testing and preventative strategies for non-contact injuries in professional football: current perceptions and practices of 44 teams from various premier leagues. British Journal of Sports Medicine, 48(18),1352–1357.
[6] Klein, C., Bloch, H., Burkhardt, K., Kühn, N., Schäfer, M. (2019). VBG-Sportreport 2019 – Analyse des Unfallgeschehens in den zwei höchsten Ligen der Männer: Basketball, Eishockey, Fußball, Handball. Eine Längsschnittbetrachtung drei aufeinanderfolgender Spielzeiten.Hamburg: VBG
[7] Klein, C., Luig, P., Henke, T., & Platen, P. (2019). Injury
burden differs considerably between single teams from German professional male football (soccer): Surveillance of three consecutive seasons. Knee Surgery, Sports Traumatology, Arthroscopy. https://doi.org/10.1007/s00167-019-05623-y
[8] Soligard T, Schwellnus M, Alonso J, et al. (2016). How much is too much? (Part 1) International Olympic Committee consensus statement on load in sport and risk of injury. British Journal of Sports Medicine; 50,1030–1041.
[9] Griffin, A., Kenny, I.C., Comyns, T.M. et al. The Association Between the Acute:Chronic Workload Ratio and Injury and its Application in Team Sports: A Systematic Review. Sports Med (2019) doi:10.1007/s40279-019-01218-2
Autoren
(M.Sc. Sportwissenschaft) ist Sportreferent im Bereich Prävention der gesetzlichen Unfallversicherung VBG (Bezirksverwaltung Bergisch-Gladbach) und seit 2017 DOSB Athletiktrainer. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Sportunfallforschung und Sportunfallprävention.
(M.A. Sportwissenschaft) ist Sportreferent, Prävention in der VBG-Bezirksverwaltung Bielefeld und u. a. Referent in der DFB und BDFL Trainer aus- und fortbildung sowie auf
sportwissenschaftlichen und -medizinischen Fachkongressen.