… Meldet Euch bitte sehr zeitnah, wenn Ihr Interesse habt!… so endete die Rundmail vom 12.5. an die BASKETDOCS! …“. Wie geil ist das denn? Das ist dein Ding, du bist der Richtige!“ jubelte der tief in mir verwurzelte Basketballer. Als ehemaliger Bundesligaspieler und Orthopäde/Sportarzt mit eigener kleinen Privatpraxis in Mallorca pochte mein Sportlerherz…
Die easyCredit Basketball Bundesliga beabsichtigte also tatsächlich unter der Situation einer weltweiten SARS-CoV19 Pandemie und seinen sozio-kulturellen-wirtschaftlichen Auswirkungen auf fast allen Ebenen des gesellschaftlichen-sozialen Lebens, in einem Sonderspielbetrieb die verbleibende Saison 19/20 in einer Turnierform zu Ende zu spielen. Das bis ins kleineste Detail entwickelte Konzept unter der Federführung von Dr. Florian Kainzinger entstand in seiner Urform wenige Wochen zuvor. Im Konzept mussten sämtliche Strukturen für die, dem Turnier vorangehende Trainingsphase implementiert werden, was bei den verschiedenen zuständigen Gesundheitsämtern nicht einfach war, und zum Teil lokale Anpassungen erforderte. Für das Turnier selbst mussten sämtliche Organisationsbereiche und damit verbunden interne Strukturen (Wettkampf-Halle/ Trainingsstätten/ Transport/ Unterkunft/ Versorgung/ Hygiene/ medizinische Versorgung, etc.) und alle hierzu eingeschlossenen internen Personen (Spieler/ Trainer/ Betreuer/ Schiedsrichter/ Medienleute/ Ärzte/ Hotelpersonal/ Orga-Team, etc.), aber auch notwendige externe Prozesse und Personen in kürzester Zeit unter der „Sonderstellung einer Quarantäne“ erstellt werden.
Nach kurzer positiver Rücksprache mit Familie und kooperierenden Kollegen vor Ort zur Praxisorganisation, galt es nun eine Vereinbarung zur Mitarbeit als „Turnierarzt“ mit dem BBL zu finden. Auch die schon bestehenden anderen „Privaten Termine“ im Frühsommer mussten eingeplant werden!… aber was war (ist!) schon planbar in diesem C(orona)haosjahr 2020…
Als Ausrichter wurde sich für München entschieden und das Turnier von 6.-28.6.2020 fixiert. Mit dem allgemeinmedizinischen Kollegen Jürgen Müller aus Paderborn und dem BasketDocs Vorsitzenden Kollegen Dr. Christoph Lukas als „Backup“ stand das „Interne-Quarantäne-Team“ schnell fest. Bayern Münchens Teamarzt Dr. Jochen Hahne und sein Praxiskollege Dr. Sebastian Torka mit ihrem lokal kooperierenden Netzwerk waren die wichtige medizinische Säule außerhalb der „Quarantäne-Blase“. Weiterführende diagnostische und therapeutische Maßnahmen ambulanter/ stationärer Verfahren wurden aufgestellt und auch der Kontakt zu einer Apotheke und dem orthopädischen Hilfsmittelversorgungsinstitut von der Praxis MH-Ortho München hergestellt. Mit Zimmer-Insports Medizinsysteme konnte eine medizinischer Komplettausstatter gewonnen werden, der das BBL Finalturnier wahrlich top professionell und kostenfrei ausstattete.
Mit der Zusage der BBL und dem genauen Zeitplan im Juni folgte die initiale Absprache der Aufgaben. Die eigenen sportmedizinischen Ideen brodelten in einem, „was man alles machen kann & soll“ in einer so speziellen medizinischen Versorgungssituation. Es galt, eine kleine funktionelle medizinische Abteilung mit therapeutischen und diagnostischen Optionen aufzustellen. Kollege Müller übernahm hier die Organisation im allgemeinmedizinischen-internistischen Bereich und war der Hygienebeauftragte, der für alle Covid19 Testungen aller 270 Teilnehmer verantwortlich war. Kollege Lukas organisierte die berufsgenossenschaftlichen Angelegenheiten und rundete mit seiner Betreuungserfahrung und Verbindungen die initialen sportmedizinischen Konzepte ab. Ich durfte die „Praxis“ ausstatten und mir über orthopädisch-traumatologisch umsetzbare Konzepte Gedanken machen.
Final stand dann endlich die Zustimmung der VBG und das Hygienekonzept des verantwortlichen externen Koordinator Dr. Kainzinger & Team, der auch bereits das Konzept der Fussball-Bundesliga entwickelt hat, fand die Zustimmung des aufgrund des Spielorts München zuständigen bayerischen Gesundheitsministeriums. Es durfte also wirklich losgehen!
Die 10 Teams, die sich zur Teilnahme bereiterklärt hatten, befanden sich zu diesem Zeitpunkt, je nach Zustimmung der lokalen Gesundheitsämter, bereits seit 8-20 Tagen im Mannschaftstraining an ihren Standorten, meist nach zuvor freigegebenem Individualtraining. Zu dieser Zeit erfolgten zwei PCR-Tests pro Woche, ins Training eingestiegen werden konnte erst nach 2 negativen Tests. In dieser Phase hatte jedes Team seine eigenen speziellen „Probleme“. Spieler konnten/wollten/sollten vertraglich nicht spielen oder hatten mit der Saison bereits abgeschlossen. Da daher etliche Spieler fehlten, wurden jedem Team zwei Nachverpflichtungen gestattet, was die meisten auch ausnutzten, sodass sich die Turnierkader zum Teil doch deutlich von der regulären Saison unterschieden.
Je näher der Beginn des Turniers, desto umfangreicher die Aufgaben, die plötzlich auf der Agenda erschienen! Schon mit der frühen Anreise von Kollege Müller und mir am Mittwoch vor dem ersten „Bubble“-Tag (= Donnerstag Abend erste Anreise eines Teams) wurde uns klar, dass der Umfang der Gesamtorganisation gigantisch war, und das „interne 4 köpfige BBL Orga-Team“ zahlenmässig und inhaltlich so sicherlich überfordert war. So entwickelte sich schnell ein sehr spezieller Team-Spirit mit gegenseitiger Hilfe und Unterstützung bei dem „Nicht-Sportler Team“ unter den Finalturnier Teilnehmern! Dieses Team setzte sich aus den Docs (2+1), Schiedsrichtern (12), Fernsehteams (3) und Fotografen (2) zusammen. Nicht zu vergessen die 24/7 ständig präsenten und hilfsbereiten Hotelmitarbeiter (3). Dieses gesamte „Special-Team“ lebte diese besonderen Quarantäne vor und organisierte auf allen Ebenen das Leben in dieser sehr eigenen & speziellen Situation.
Mit fast täglichen Anpassungen und neuen „Bedürfnissen“ aus allen Ecken hatten die Organisatoren der BBL zu kämpfen und wir als „Medical Unit“ waren davon nicht ausgeschlossen. So wurde noch am Vorabend der Anreise von der bayerischen Regierung ein Hotel-internes Tracing System verpflichtend für alle Teilnehmer eingeführt und uns die Verantwortlichkeit der Durchführung auferlegt. Sicherlich bei der großen Unsicherheit und auch Angst der Spieler und Betreuer vor diesem, bis dato einmaligen Experiment, nicht bei allen mit großer Freude und Verständnis aufgenommen. Auch und gerade in dieser Phase der Kenntnisse um die Pandemie und der Gewissheit einer nicht existierenden „100%-Sicherheit“. Mit dem Hotel-Check-In und Eintritt in die „spezielle Turnierblase“ wurden von uns die Turnier Verhaltens- und Hygienevorgaben eingeführt, geschult und dokumentiert. Überall im Hotel wurde ferner um die Notwendigkeit der absoluten Compliance der Teilnehmer geschickt geworben. Nur bei seltenen Ausnahmen musste unter den Teilnehmern mit Mahnungen und Strafen „diszipliniert“ werden.
Die überall greifbare Nervosität und Unsicherheit aller Teilnehmer war sofort und allgegenwärtig spürbar, wich aber mit jeder Stunde der Eingewöhnung und Annahme der sehr speziellen Situationen um das Turnier. Und das Wesentliche, um das es eigentlich geht, der Sport, BASKETBALL spielen, nahm endlich bei allen (den meisten!?) wieder die zentrale Wichtigkeit auf. Kleinere organisatorische Probleme wurde vorbildlich angenommen, immer mehr akzeptiert und in diese spezielle sich entwickelnde Aura um die Finalturniertage in jedermanns Alltag integriert. Verspätete Labormitteilungen und damit auferlegten „Bewegungsrestriktionen“ bis zum belegten negativen Bescheid der Testperson/Team wurden problemlos mit Teambesprechungen und „Gaming“ angenommen.
Das herausragende Hotel Leonardo am Olympiapark München mit seinem sich aufopfernden „internem 3er Quarantäne Team“ und der jederzeit, vom Chef bis letzten Mitarbeiter, super agierenden Gesamtorganisation, bot eine absolute Perfektion. Und eine herausragende und mehr als ausreichende Versorgung vom Frühstück bis zum (gelegentlich auch) späten Service an der Bar. Jedes Team hatte seine eigene Etage mit Einzelzimmern, Team- & Behandlungsraum. Es gab ausreichend Konferenzräume, Sozialmedia- und Fernsehaufnahmezonen, eine umfunktionierte kleine Trainings-/ Aufwärmzone. Ferner überall auch „Chill-Zonen“ und „Versorgungsstellen“ von Getränken und Snacks überall im Hotel. Ganz zu schweigen von der Gaming Halle mit Golfsimulator/ Dart- & Basketballwand, Kartenspieltisch,Tischtennis, Fussball und vielem mehr.
Genug Platz und Raum für jeden und jederzeit auf bestem Niveau! …und ein Lächeln verdrängte langsam das Fragezeichen und den ängstlichen Blick im Gesicht aller! Basketball geht endlich los! ….
Zu unseren beiden Arbeitsräumen – die medizinische Abteilung BBL mit „Testing & Treatment“ Zone. Alle drei Tage wurde bei jeweils der Hälfte der 270 Teilnehmer unter standardisierten Bedingungen ein PCR Test vom Kollegen Müller in der Testing Einheit durchgeführt. Vor-, Nach- und Aufbereitung des gesamten Covid-19 Testverfahrens in einer sehr knappen Zeitvorgabe, auch um den weiteren Planungen und Abläufen der verschiedenen Teams am jeweiligen Tag gerecht zu werden, war eine wirklich besondere Herausforderung. Und nur bei negativer Gesamttestung aller Teammitglieder wurde dem Tagesablauf und den unmittelbaren Planungen der nächsten Tage medizinisch-organisatorisch zugestimmt. In anderen Worten, das Turnier konnte fortgesetzt werden. Auch die Organisation plus der inhaltliche Aufbau der medizinischen Abteilung stand und alle Teambetreuer und Physios waren informiert über die zusätzlichen Möglichkeiten der Optimierung der medizinischen Versorgung.
Mit dem Eintritt in diese besondere Aura entwickelten (fast) alle Spieler und Betreuer eine täglich zunehmend zu verspürende nicht nur Akzeptanz der Situation, sondern fast „Jugendherbergs-/ Trainingslager“ Atmosphäre. Gespräche überall und miteinander Team-positionsübergreifend und gegenseitig aushelfend. Whatsapp-Gruppen zur einfachen internen Kommunikation und Organisation entstanden überall. In der eigenen „Physio’s & Doc‘s Gruppe“ wurden Behandlungstermine, Vorstellungen und Absprachen untereinander organisiert. Schnell wurde man dann auch mal zum ärztlichen „Saunameister“, „Taxifahrer“ oder Vermittler von hausinternen medizinischen Angelegenheiten/ Dingen…
Mit Zimmer-InSport konnte ein sportmedizinischer Ausstatter gewonnen werden, der uns nur mit absoluten neusten Top Produkten und Materialien unterstütze. Des Weiteren statteten uns HBE HealthCare, TRB CHEMEDICA und VitOrgan mit einigem aus, was das „Sportarztherz“ so begehrt. Das Thema „was geht und ist auch erlaubt“ war natürlich immer präsent, gemeinsam besprochen und dann auch mittels NADAmed Datenbank abgeglichen und gegebenenfalls therapeutisch angepasst. Überraschend und recht unvorbereitet tauchten tatsachlich einmal in der Mitte des Turniers an einem Spieltag die Herren Beauftragten der Dopingkontrolle direkt in der Spielhalle auf. Dadurch kam es zu kurzen „Nachjustierungen“, wie die Kontrollen lege artis durchgeführt werden konnten, ohne das Bubble-Konzept zu verletzen, das eigentlich keinerlei Kontakt zwischen „drinnen“ und „draußen“ vorsah.
Das Sanitätshaus stellte uns ebenso auf Verrechnungsbasis ein Grundsortiment zur Verfügung, ergänzt durch Body-Loops und Fingerschienen von Krewi. Von der UA-Stütze über Schienen, Orthesen bis hin zu Kleinmaterialien war alles da oder konnte sofort bestellt/ geliefert werden. Im Vorfeld des Turniers waren alle Arzte und Therapeuten der Teams angeschrieben worden, um die Möglichkeit der Optimierung einer kontinuierlichen Weiterbehandlung von Verletzten/ Erkrankten zu gewährleisten. Die BasketDocs entschlossen sich zudem, eine Unfall-/Verletzungsliste zum Turnier zu erstellen, um zu sehen, ob es, unter den speziellen Bedingungen mit vielen Spielen in kurzer Zeit nach langer Pause mit nur kurzer Vorbereitung, gehäuft zu Verletzungen/Überlastungen kommt.
Mit dem ersten Kontakt der Teams und den drei BasketDocs entwickelte sich eine zunächst zögerliche, dann aber doch sehr zufriedenstellende Akzeptanz der BBL-Medizinabteilung. Spieler wurden vorgestellt, Behandlungskonzepte vorgeschlagen, fortgesetzt, eingeleitet oder unterstützt, Physios und Trainer/Betreuer über die lokalen Möglichkeiten informiert und auch in die vorhandenen Geräte zur selbstständigen Nutzung eingewiesen. Nicht alle Teams machten davon immer und jederzeit Gebrauch und waren zum Teil auch schon gut medizinisch ausgestattet und vorbereitet in das Turnier gekommen und sollten/wollten eventuell auch keine „externen medizinischen Kontakte“, aus welchen Gründen auch immer.
Allgemeinmedizinische Fragen von Allergie bis Zahnschmerzen wurden beantwortet und Therapien sofort initiiert. Gezielte Bestellungen über die Apotheke dann auch schnell abgewickelt. Externe Untersuchungen & Behandlungen konnten mit den externen Instituten kurzfristig organisiert und meist noch am selben Tag durchgeführt werden.
Das Beste vor ab zum Resümee! Im Turnier gab es keinen einzigen positiven Coronatest und das Turnier konnte organisatorisch und sportlich erfolgreich beendet werden. Lediglich ein positiver Fall bei abgelaufener Infektion mit positivem Test in der Vorbereitung führte bei einem Spieler zum Ausfall für das erste Match. Die nächste gute Nachricht: Kein Teilnehmer erkrankte schwer oder hatte eine schwerwiegende sportmedizinische Verletzung! Einige der, oft schon „chronischen“ Beschwerden, konnten mit den vorhandenen Möglichkeiten optimiert werden oder zumindest an behandelt und zur weiteren häuslichen Fortsetzung initiiert werden. Der enge Spielplan brachte hier einige vorhandene Beschwerden erst zum Vorschein. Sehr wenige der erlittenen Verletzungen beendeten das Turnier für den Sportler.
Auch die Docs kommen um die Abstriche nicht herum, die Pestmaske diente jedoch eher als Show-Element fürs Foto! Das Ärztetem: vl: Jürgen Müller, Marco Seita, Christoph Lukas
Alle allgemeinmedizinischen Behandlungen waren leichterer Art und konnten erfolgreich behandelt werden. Die von einzelnen Spielern ins Turnier getragenen Verletzungen mit schon laufender Behandlung konnten partiell weiter gelindert werden und einige Spieler wieder angepasst eingesetzt werden. Bei anderen war das Risiko der Progredienz oder erneuter Akzentuierung ihrer Beschwerden zu groß, auch und gerade hinsichtlich der eigenen sportlichen speziellen Zielsetzung und der bestehenden Teamambitionen im laufenden Turnier. Auch bestehende/ sich anbahnende Spielerverträge für 20/21 und die organisatorisch- rechtliche Unruhe in und um die Fortsetzung der Profiverträge unter den besonderen Corona Bedingungen, beeinflussten die Einsatz-/Spielfähigkeit einzelner Aktiver im Laufe des Turniers.
Interessant zu beobachten war, dass auch den Schiedsrichtern die intensive Belastung mit Spieleinsätzen alle 2 Tage und vorangegangener Pause anzumerken war. Hier traten zahlreiche Beschwerden auf, sodass fast alle Schiedsrichter die med. Betreuung in Anspruch nahmen. Leider war für die Refs kein eigener Physiotherapeut vorgesehen, sodass sie auf den „good will“ der Teamphysios und deren Zeit angewiesen waren. Insgesamt gesehen war das Turnier so erfolgreich, dass sich selbst die NBA vor ihrem eigenen „Bubble-Turnier“ in Florida das deutsche Konzept sehr genau ansah!
Final: Ein tolles Turnier! Ganz viele Eindrücke und Erkenntnisse! Viele neue Kontakte und unterschiedlichste neue Erfahrungen. Ein Erfolg für die BBL, jedes Team und die meisten Teilnehmer!
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie mit sehr großem Fort-/Weiterbildungsspektrum und seit 10 Jahren vorwiegend privatärztlich tätig in seiner orthopädisch-ganzheitlichen Praxis in Palma de Mallorca.
www.medisport-mallorca.com
ist Facharzt für Orthopädie mit den Zusatzbezeichnungen Sportmedizin, Chirotherapie, Akupunktur und Sozialmedizin. Er ist leitender Arzt der Reha-Zentren in Bietigheim-Bissingen, Crailsheim und Pforzheim-Birkenfeld mit Privatpraxis (www.drlukas.de). Er ist Mannschaftsarzt der Hakro Merlins Crailsheim, 1. Vorsitzender der Deutschen Basketballärzte e.V. (BasketDocs), Verbandsarzt des BBW und wiss. Beirat der sportärztezeitung.