Mind-Body-Exercises (MBE) – darunter Yoga, Tai Chi, Qigong oder Pilates – gewinnen zunehmend an Bedeutung in der onkologischen Supportivtherapie. Diese multimodalen, niedrigintensiven Bewegungsformen betonen die Verbindung zwischen Körper, Geist und Atmung und haben sich in zahlreichen Studien als effektive, nebenwirkungsarme Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität und Linderung therapieassoziierter Symptome bei Krebspatienten erwiesen [1, 2].
Besonders Yoga hat sich als eine der am besten untersuchten MBE-Formen etabliert und stellt eine vielversprechende alternative oder ergänzende Maßnahme dar – ein Übungskonzept, das körperliche Haltungen (Asanas), kontrollierte Atmung (Pranayama) und Meditation umfasst. Ziel vieler Yoga-Programme ist vor allem die Reduktion von Fatigue, wobei ähnliche Effekte wie bei klassischem Ausdauertraining beobachtet werden können – insbesondere in Bezug auf die Verbesserung der körperlichen Funktion von Krebspatienten. Inzwischen integrieren zahlreiche führende Krebszentren weltweit Yoga als komplementäre Therapieform.
Wirksamkeit von Yoga in der Onkologie
Die aktuelle Forschungslage zeigt, dass Yoga nicht nur die Cancer related Fatigue signifikant verbessern kann, sondern sich auch positiv auf Schlafqualität, Angst und Depression bei Brustkrebspatientinnen auswirkt. Letzteres ist besonders relevant, da diese Patientinnengruppe häufig unter therapiebedingten Schlafstörungen (Einschlafprobleme, geringe Schlafeffizienz, Tagesmüdigkeit) leidet – ein Problem, das zwischen 51 % und 90 % der Krebspatienten betrifft [3]. Durch tiefe Bauchatmung und muskuläre Entspannung während der Yoga-Praxis kann die Aktivität des Parasympathikus gesteigert, der Sauerstoffgehalt verbessert und der Stresspegel gesenkt werden – mit positiven Auswirkungen auf den Schlaf [2]. Darüber hinaus unterstützt Yoga-Patientinnen dabei, negative Emotionen wie Angst, Anspannung und Depression zu reduzieren. Sanfte körperliche Bewegungen und gezielte Atemtechniken wirken regulierend auf das Nervensystem und fördern eine geistige und körperliche Entspannung. Gruppenbasiertes Yoga-Training kann zusätzlich das Selbstvertrauen und das Gefühl sozialer Unterstützung stärken, was sich ebenfalls günstig auf das emotionale Wohlbefinden auswirkt. Eine Metaanalyse von Wang et al. (2023) [3] belegt signifikante Verbesserungen durch Yoga in den Bereichen Lebensqualität (QoL), Fatigue, Angst, Depression, Schlafqualität und Schmerzwahrnehmung bei Brustkrebspatientinnen. Yoga zeigte insbesondere bei emotionaler Funktion und Schlafqualität bessere Effekte als andere körperliche Übungen. Die Kombination aus körperlicher Aktivität, Achtsamkeit und Atemarbeit scheint dabei zentral für die Effektivität zu sein. Auch Armer & Lutgendorf (2020) [4] berichten über signifikante Verbesserungen bei Fatigue und depressiven Symptomen nach regelmäßiger Yogapraxis. Besonders hervorzuheben: Je länger und kontinuierlicher Yoga praktiziert wurde, desto ausgeprägter war die Symptomlinderung. In einer weiteren Metaanalyse [5] wurde die Wirkung von Yoga auf unterschiedliche Dimensionen der Lebensqualität bei Brustkrebspatientinnen untersucht. Hier zeigte sich eine Verbesserung in allen Bereichen: physisch, emotional, sozial und funktional. Neben der Reduktion von Fatigue, Schmerzen und Schlafstörungen wurde auch eine Senkung inflammatorischer Marker und eine Verbesserung der Immunfunktion dokumentiert.
Krebspatientinnen sind oft von kognitiven Beeinträchtigungen betroffen, die entweder durch die Krankheit selbst oder durch behandlungsbedingte Faktoren, wie etwa Chemotherapie, verstärkt werden. Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass Yoga eine vielversprechende Methode darstellt, um diese kognitiven Einschränkungen zu verringern. Untersuchungen weisen darauf hin, dass Yoga eine positive Wirkung auf die Reduktion kognitiver Defizite bei Brustkrebspatientinnen nach Abschluss ihrer Therapie haben kann. Zusätzlich stellt Yoga eine hilfreiche Intervention zur Minderung von therapiebedingten menopausalen Symptomen dar, wie etwa Hitzewallungen, Gelenkschmerzen und weiteren somatovegetativen sowie urogenitalen Beschwerden, die besonders bei Brustkrebspatientinnen nach Hormontherapien häufig auftreten. Diese Symptome können die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken. Yoga bietet hier eine nicht-invasive und wirksame Möglichkeit, diese Beschwerden zu lindern und somit das Wohlbefinden der Patientinnen zu fördern.
Empfehlungen der S3-Leitlinie Komplementärmedizin (2024)
Die aktualisierte S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Onkologie (Version 2.0, Mai 2024) gibt erstmals konkrete Empfehlungen zur Integration von Yoga [6]:
- Verbesserung der Fatigue Yoga sollte zur Linderung therapieassoziierter Fatigue empfohlen werden
- Schlafstörungen Yoga kann zur Senkung von Ein- und Durchschlafstörungen bei Brustkrebspatientinnen nach Therapie erwogen werden
- Lebensqualität Yoga kann zur Verbesserung der globalen und krebsspezifischen Lebensqualität beitragen
- Psychische Gesundheit Yoga kann depressive Verstimmungen und Angstsymptome bei onkologischen Patienten lindern
- Kognitive Beeinträchtigungen & menopausale Beschwerden Auch in diesen Bereichen können laut Leitlinie positive Effekte erzielt werden
Yoga-Stile und ihre Wirksamkeit
Die Wahl des richtigen Yoga-Stils spielt eine zentrale Rolle, insbesondere für Krebspatienten. Yoga gilt als eine moderate Intensitätstherapie, aber es gibt verschiedene Stile, von denen einige möglicherweise intensiver sind und für Krebspatienten nicht geeignet. Eine Meta-Analyse, die 26 Studien einbezog, stellte fest, dass sanfte Yoga-Stile wie Hatha, Iyengar und restorative Yoga besonders geeignet für diese Patientengruppe sind. Diese Stile beinhalten langsame, kontrollierte Bewegungen und einen starken Fokus auf korrekte Körperhaltung, Atmung und Meditation. Sie bieten den Teilnehmern die Möglichkeit, sich körperlich zu stärken und gleichzeitig geistige Ruhe zu finden. Im Vergleich zu intensiveren Yoga-Stilen wie Vinyasa oder Power Yoga, die für Krebspatienten möglicherweise zu anstrengend sind, bieten diese sanften Yoga-Formen eine modifizierte Praxis, die besser an die individuellen Bedürfnisse der Patienten angepasst werden kann. Zukünftige Studien sollten die Effektivität und die funktionalen Unterschiede zwischen diesen Yoga-Stilen weiter untersuchen, insbesondere in Bezug auf die spezifischen Bedürfnisse von Krebspatienten.
Sicherheit und Verträglichkeit von Yoga
Eine Untersuchung ergab, dass Yoga keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse verursachte. Von 76 berichteten kleineren unerwünschten Ereignissen, die in vier Studien dokumentiert wurden, wurden nur 15 als mit Yoga verbunden betrachtet. Diese Ergebnisse zeigen, dass Yoga eine sichere Praxis für Krebspatienten darstellt, wenn es in einem kontrollierten, angepassten Rahmen durchgeführt wird [2].
Praktische Relevanz für die Sporttherapie und Sportmedizin
Für Sport- und Rehabilitationsmediziner ergibt sich aus dieser Studienlage ein klares Praxispotenzial: Yoga als MBE ist sicher, kostengünstig, individualisierbar und in nahezu allen Krankheitsphasen durchführbar. Besonders in Phasen erhöhter körperlicher Einschränkung – etwa während oder nach Chemotherapie – kann Yoga durch seine moderate Intensität und das ganzheitliche Konzept eine wertvolle Alternative oder Ergänzung zu klassischem Kraft- oder Ausdauertraining darstellen [7]. Im Rahmen der Onkologischen Trainings- und Bewegungstherapie (OTT) hat Yoga bereits einen festen Platz in der Behandlung onkologischer Patienten gefunden. Hier können Yogainhalte modulbezogen in eine personalisierte und individualisierte Trainings- und Bewegungstherapie mit integriert werden. Aktuell finden sich hier Yogaempfehlungen in den OTT-Modulen Fatigue, Angst und Depression sowie Schlafstörungen wieder.
Fazit
Yoga als Bestandteil eines Mind-Body-Exercise-Ansatzes bietet wichtige Unterstützung bei der onkologischen Betreuung, insbesondere bei Brustkrebspatientinnen. Die Integration in sportmedizinische und rehabilitative Konzepte sollte aktiv gefördert werden. Zukünftige Studien müssen klären, welche Yoga-Stile und Intensitäten bei welchen Patientengruppen den größten Nutzen bringen. Der Einbezug von Yoga in die supportive Onkologie stellt einen vielversprechenden, patientenzentrierten Ansatz dar – mit Potenzial zur nachhaltigen Verbesserung der Lebensqualität.
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Literatur
[1] Wang Y. et al. (2023). Mind–body exercise and quality of life in breast cancer survivors: a network meta-analysis. J Cancer Surviv.
[2] Cramer H. et al. (2017). Yoga in Breast Cancer: A Systematic Review and Meta-analysis. BMC Cancer, 17, 1–13.
[3] Dong B et al. (2019).Yoga has a solid effect on cancer-related fatigue in patients with breast cancer: a meta-analysis. Breast Cancer Res Treat. 2019;177:5–16
[4] Armer J, Lutgendorf SK (2020). Effectiveness of yoga interventions in cancer-related fatigue: A meta-analysis. Psycho-Oncology.
[5] Danhauer SC et al. (2021). Yoga for symptom management in breast cancer patients: a meta-analysis. Breast Cancer, 28(2):264–276.
[6] S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer Patient*innen (2024). Leitlinienprogramm Onkologie, Version 2.0.
[7] Lipsett A et al. (2017). The impact of exercise during adjuvant radiotherapy for breast cancer on fatigue and quality of life: A systematic review and meta-analysis. Breast. 2017 Apr;32:144-155.
[8] Lundt A, Jentschke E. (2019) Long-term changes of symptoms of anxiety, depression, and fatigue in cancer patients 6 months after the end of yoga therapy. Integr Cancer Ther. 2019;18:1534735418822096.
[9] Pi P et al.(2025). Effects of different mind-body exercises on quality of life and cancer-related fatigue in breast cancer survivors: a systematic review and network meta-analysis. J Cancer Surviv. 2025 Apr 3.
Autoren
ist Diplom-Sportwissenschaftlerin, Mind-Body Medicine Therapeutin und Yogalehrerin und arbeitet als wiss. Mitarbeiterin an der Uniklinik Köln in der AG Onkologische Bewegungsmedizin im Centrum für Integrierte Onkologie (CIO). Sie leitet dort die OTT-Akademie.
ist Diplom-Sportwissenschaftler und leitet die Arbeitsgruppe Onkologische Bewegungsmedizin am Centrum für Integrierte Onkologie, Klinik für Innere Medizin I, Uniklinik Köln.