Prävention: biologische Eigenschaften und Trainingsmethodik.
Das Wissen zur Vermeidung von muskulofazial-skelettalen Degenerationen (Arthrosen) und Schmerzsyndromen steigt seit Jahren innerhalb der verschiedenen Wissenschaftsgebiete stetig. Doch setzen wir dieses Wissen außerhalb der wissenschaftlichen Symposien für die Prävention und später auch die Behandlung im Breiten- wie auch im Leistungssport konsequent ein?
Widmen wir uns ausreichend dem von der WHO, der OECD und der EU erarbeiteten Konzept der Salutogenese? Es geht um die Abkehr von der Erforschung von Krankheiten hin zu begründeten Interventionen zur Entwicklung, Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit. Nur Gesunde trainieren auf Dauer erfolgreich und erreichen eine stabile hohe Leistungsfähigkeit.
Sportmedizinische Betreuung notwendiger Bestandteil des Trainingsprozesses
Für diese Zielstellung sind zunächst trainingsmethodisches und sportmedizinisches Wissen umzusetzen. Es gilt, das Training auf die körperlichen Eigenschaften abzustimmen, auch scheinbare Bagatellverletzungen zu beachten und konsequent auf die Zukunft ausgerichtet therapeutische und trainingsmethodische Konsequenzen zu ziehen. Eine ursächliche präventive Therapie ist primär die Anpassung der Trainingsinhalte, Umfänge und Intensitäten. Im Grenzbereich der Leistungsfähigkeit können in einzelnen Sportarten spezielle Fähigkeiten nur noch auf Kosten anderer Fähigkeiten gesteigert werden. Es ist die Herausforderung des Sportmediziners, sich ständig mit der Abstimmung zwischen dem Stand der biologischen Entwicklung (biologisches Alter), dem Trainingsergebnis und dem Trainingsprogramm zu beschäftigen.
Entwicklung der Knorpelbelastbarkeit
Da der Entwicklungsweg von Arthrosen sehr lang ist, wird heute angenommen, dass die Grundlagen einerseits durch eine ungenügende Entwicklung der Knorpelstrukturen infolge Inaktivität und Fehlernährung oder andererseits durch chronisch über die Belastbarkeitsgrenzen gehende mechanische Belastungen evtl. beginnend im Kindes- und Jugendalter gelegt werden. Knorpel bleibt solange gesund, wie der Verschleiß oder die Schädigung der Matrix durch Verletzungen, Entzündungen u.a. sowie ihre Erneuerung durch die Chondrozyten im Gleichgewicht bleiben und eine optimale Ernährung der Chondrozyten durch die Synovialflüssigkeit gewährleistet ist (Kasprzak/2013). Interessant ist in diesem Zusammenhang auch nicht denaturiertes Typ-II Kollagen. An dieser Stelle ein kurzer Einblick in die Studie Undenatured type II collagen (UC-II®) for joint support: a randomized, double-blind, placebo-controlled study in healthy volunteers. J Int Soc Sports Nutr 2013 Oct 24;10(1):48. doi: 10.1186/1550-2783-10-48. Lugo JP et.al.
Probanden Gesunde ohne Knieschmerzen und Entzündungsmarker; gelegentliche NSAR oder antientzündliche Supplemente mind. 2 Wo. ausgesetzt; Steppertest: Kriterium Diskomfort (Likert-Scale) 5 von 10 nach 10 Min.; Placebo: n=28, UC-II 40 mg/d n=27 für 120 Tage
Ergebnis Udani Stepper Protokoll: UC-II verdoppelt nach 120 Tagen die Zeit bis zum Beginn des Kniediskomforts (Schmerzen); auch die Placebogruppe wurde belastbarer – Differenz zwischen beiden Gruppen zum 120. Tag an der Signifikanzgrenze (p = 0,051); Zeit bis Schmerzen max., bis Beginn des Abklingens und die Erholungszeit ohne Gruppenunterschied; UC-II vergrößert die Knieextension im Sitz ohne LWS- und Beckenbewegung
Schlussfolgerung UC-II kann 1. einen Einfluss auf die Gelenkbeweglichkeit haben und 2. die Gelenkbelastbarkeit begünstigen. Weitere Untersuchungen auch bei Patienten sind notwendig. Dies erfolgt u. a. durch regeneratives und kompensatorisches nicht sportartspezifisches Training. Es ist immer zu beachten, dass auch Bagatellverletzungen und die sportliche Technik Gelenkschäden durch das Überschreiten der Belastbarkeitsgrenze begünstigen.
Ernährung ein wichtiger Faktor
Für die körperliche Entwicklung ist die Bereitstellung aller Bausteine des Bau- und Funktionsstoffwechsels erforderlich. Der trainingsbedingte erhöhte Bedarf sollte weitgehend mit ausgewählter Ernährung gedeckt werden. Zu häufig werden ohne vorherigen Nachweis eines Mangels willkürlich dosiert Nahrungsergänzungsmittel genommen, die potenziell auch kontraproduktiv sein können. Das führt zu einer falschen Gewissheit. Intensive Muskeltätigkeit verursacht die Freisetzung reaktiver oxidativer Substanzen (ROS: reactive oxygen species). Sie stimulieren die für die Anpassungen der Muskulatur und des Bindegewebes erforderliche Produktion muskulärer Signalstoffe (Myokine) und fördern die Reparaturvorgänge der Muskulatur. Sie sollten daher nicht vollständig supprimiert werden. Ein erhöhter und nicht ohne Weiteres allein durch gute Ernährung gedeckter Bedarf besteht insbesondere während intensiver Trainingsphasen für essentielle Aminosäuren, Magnesium, Zink, Kupfer, Silizium, Vitamin B6, Vitamin C und D3. Neben der Bestimmung des Vitamin D 3-Spiegels, können zusätzlich auch noch die Vitamin K2-Werte festgestellt werden, um zu sehen, ob ein Defizit vorherrscht und gegebenenfalls substituiert werden soll. Gute Erfahrungen bestehen seit Jahrzehnten mit dem Einsatz von Glucosamin und Chondroitinsulfat sowie ergänzend Methyl-Sulfonyl-Methan(MSM) zur Verstärkung der antiphlogistischen Wirkung.
Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass eine latente Azidose zu einer schleichenden Übersäuerung des Körpers führt und die Synovialitis der aktivierten Arthrose bei Freizeitsportlern oder „sehr trainingsalten Sportlern“ aufrechterhält. Dies wird gefördert z. B. durch eine jahrelang stark säurehaltige Ernährung mit zu viel tierischen Proteinen aus der Massentierhaltung und wenig basenbildenden Lebensmitteln wie Gemüse, Nüssen und zuckerarmen Obst. Die Volksdroge Zucker mit ihrem hohen inflammatorischen Potenzial sollte durch wertvolle langkettige Kohlehydrate ersetzt werden.
Fallbeispiel 1
Wiederholt schon bei geringer Belastung auftretende Kniegelenkbeschwerden mit Schwellung sind durch einen objektivierbaren Knorpel- oder Gelenkschaden nicht ausreichend begründbar. Die Ultraschalluntersuchung ergibt neben dem Erguss eine sehr auffällige unregelmäßig begrenzte entzündliche Schwellung der Gelenkinnenhaut. Die MRT Untersuchung zeigt zudem kleinste erosive Knorpelläsionen sowie subchondrale Knochenödeme teils mit Zysten. Ist es Zufall, dass gleichzeitig Muskelinsertionen und der Kibler-Hautfaltentest als Zeichen eines skeletto-myofaszialen Geschehens schmerzhaft sind? Ist es Zufall, dass bei unauffälligem Standard-Labor der Vitamin D3-Wert bei 10 ng/ml liegt, der Sportler wiederholt über weichen Stuhl klagt und das pH-Tagesprofil im Urin im Bereich zwischen pH 5 und pH 6 liegt?
Fallbeispiel 2
24-jährige Studentin, Leichtathletik: seit Jahren belastungsinduzierte Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule, der Patellaspitzen und zuletzt der Füße, schnelle Erschöpfung. Röntgenologisch unauffällig. Im MRT Nachweis knöcherner Ödeme im Calcaneus mit intraspongiösen Frakturlinien sowie auch korrespondierend im angrenzenden Talus (siehe Abbildung). Laborchemisch Nachweis eines Diabetes mellitus I, Mangel an Vitamin D3, Omega-3-Fettsäure, Dysbiose der Darmflora einschließlich Pilznachweis.
Umfassende Anamnese und manuelle Ganzkörper – Diagnostik
Die sorgfältige auch schriftliche Eigen-Anamnese, manuelle Palpation der schmerzhaften Strukturen und ihrer funktionellen Umgebung führen beim erfahrenen Untersucher schnell zur klinischen Verdachtsdiagnose. Ultraschall, Röntgen und MRT vollenden die strukturelle Darstellung der Schädigung, soweit diese so darstellbar ist. Anspruchsvoller wird die ursächliche Analyse der Vorgeschichte der Verletzung aus biochemischer und pathophysiologischer Sicht.
Labor-Diagnostik
Neben dem Nachweis bzw. Ausschluss von Entzündungswerten und Enzymen als Folge von Gewebezerstörungen kommt der Bestimmung von Vitaminen und Mineralien sowie von Spurenelementen eine für die Arthroseentwicklung besondere Bedeutung zu. Zu den Mineralstoffen zählen die in kleinen Mengen vorkommenden Spurenelemente wie z. B. Zink, Selen und Mangan und die Mengenelemente Magnesium, Kalium und Calcium. Als Zentralatome und Kofaktoren sind sie essenziell bei der Bekämpfung chronischer Entzündungsphänomene. Die meist praktizierte Untersuchung des Serums bietet verlässliche Werte für Natrium, Calcium (zu 90 % Anteil im Plasma), Kupfer (60 % i.P.) und Selen (30 % i.P.). Untersuchungen des Vollblutes haben dagegen den großen Vorteil, dass sie nicht nur das extrazelluläre, sondern auch das intrazelluläre Kompartiment erfassen, in dem die wesentlichen metabolischen Prozesse ablaufen. Auf diese Weise besteht ein Zugriff auf den Gesamtpool von Mineralstoffen und Spurenelementen im Blut mit wichtigen Aussagen zu Krankheitsverläufen sowie deren Risiken und der Prävention.
Die Stuhl-Analyse zur Beurteilung des intestinalen Mikrobioms (Darmflora) wird zu häufig unterschätzt. Sie hat Einfluss auf die antioxidative Kapazität mit Folgen für die Regenerationsfähigkeit. Dysbalancen zugunsten pathologischer Keime bis hin zur Pilzbesiedlung mit dem Ergebnis eines „Leaky Gut-Syndroms“ mit resultierender Alkalisierung des Stuhls führen nicht selten zum klinischen Erscheinungsbild polytoper Muskel-, Sehnen- und Gelenkbeschwerden. Die ursächliche Zuordnung eröffnet im positiven Fall entscheidende Therapieoptionen. Der Ganzkörperzusammensetzungsanalyse wird eine genaue Messung und Dokumentation der Körperzusammensetzung bzgl. des Gehaltes an Mineralien, Wasser, Muskulatur, von Fett mit exakter Lokalisation an den oberen und unteren Extremitäten sowie insbesondere dem für chronische Krankheiten sehr relevanten viszeralen Fettes zugeschrieben. Unter Beachtung der immer gleichen Durchführung, gegeben durch die Tageszeit, die zeitliche Zuordnung zur Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme und dem Training sind Verlaufsbeurteilungen möglich, die wertvolle Informationen zur variablen Körperzusammensetzung und mittels des „Phasenwinkels“ zur Zellwandpermeabilität als Hinweis auf die Qualität intrazellulärer mitochondrialer Regulationsprozesse zulassen.
Präventions- und Therapie-Konzepte
Die Devise lautet: „Zuerst einmal niemals Schaden, zweitens Vorbeugen und drittens Heilen“. Dies verlangt die individuelle ganzheitliche Kenntnis der vielschichtigen gesundheitlichen Situation und des Trainingsregimes des behandelten Sportlers. Aus sportmedizinischer Sicht ist der Fokus primär auf den langfristigen Trainingsaufbau und die alters- und leistungsgerechte Gestaltung und die „vollwertige“ Ernährung (fachkompetente Beratung) gerichtet. Die Förderung der Regeneration mittels durchblutungsfördernder und den Stoffwechsel anregender Nachbelastungsregime, der Periodisierung des Trainings mit Abschnitten hoher und geringerer Intensität sind zu beachten. Damit wird die endogene, körpereigene Regenerationsfähigkeit, immer wieder bezeichnet als die Selbstheilungskraft des Körpers, gefördert. Die Verwendung von Medikamenten wie NSAR und Kortison mit ihren Nebenwirkungen für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit ist aufgrund der regenerationshemmenden Wirkung und das potenzielle „unbemerkte Erreichen oder Überschreiten der Belastbarkeitsgrenze“ nur im Notfall zu akzeptieren. Wenn sie erforderlich sind, muss auch das Training daran angepasst werden. Der Schwerpunkt der regenerativen Sportmedizin ist eine Kombination von antiphlogistischen und trophotropen Maßnahmen in Verbindung mit Physiotherapie und Bewegung. Die monokausale Therapie ist bei chronischen Erkrankungen eine Illusion. Deshalb sind immer vielschichtige Therapieansätze erforderlich. Die Stärkung und Entwicklung von Gesundheit und passiver Belastungsfähigkeit der Bindegewebestrukturen sowie der aktiven Leistungsfähigkeit der Logistiksysteme, der Muskulatur immer verbunden mit den körpereigenen Signalstoffsystemen und der Immunfunktionen erfolgt durch das Zusammenspiel von Belastung und Regeneration. Der aerobe Energiestoffwechsel in allen Körperregionen und nicht nur in den „für die Sportart wichtigen“ ist von höchster Wertigkeit, denn eine inadäquate Kapazität und die Durchblutung sind Faktoren des Schmerzes.
Auch beim Leistungssportler ist es ein wichtiges Ziel der Trainings-Gestaltung, durch eine ausreichende Kompensation bzw. Erholung und Regeneration die myofasziale Azidose nach dem Training schnell abzubauen. Dies ist z. B. neben basischen Bädern durch ein angepasstes Ernährungsregime zu erreichen. Über subjektiv und objektiv gute Erfahrungen im Ballsport kann vom morgendlichen Start mit komplexen langkettigen Kohlehydraten als Hirse-Buchweizen-Brei mit Früchten und Samen berichtet werden. Bei fortgeschrittenen Schäden des Gelenkknorpels haben sich intraartikuläre Injektionen mit chondroprotektiven und antiphlogistischen Substanzen als hilfreich erwiesen. Hyaluronsäure ist nicht nur als Gelenkschmiere zu sehen, sondern ein sehr wichtiger Aufbaustoff für Chondozyten. In arthrotischen Gelenken ist ihr Anteil in der Synovialflüssigkeit um bis zu 50 % reduziert. Bei überwiegend synovialitischer Komponente bestehen gute Erfahrungen z. B. mit autolog konditioniertem Serum (ACS) aus dem Blut des Patienten mit erhöhtem Interleukin-1-Rezeptorantagonist (IL-1RA) sowie Wachstumsfaktoren.
Fazit
Der Organismus findet nur dann nachhaltig seine Gesundheit und optimale Leistungsfähigkeit auf Dauer, wenn er zur Selbstheilung angeregt wird. Denn dann sind es die eigenen Kräfte, die das innere Gleichgewicht garantieren. (Brettschneider, H./2009)
Weitere Infos zur Thematik finden Sie auch unter: www.frohberger.de
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie. Er leitet die Privatpraxis für Orthopädie und Sportmedizin in Münster, ehemals sportmedizinisch-wissenschaftlich tätig an der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf zur Leistungsdiagnostik der Herren Schwimm-Nationalmannschaft (DSV), ehemals Mannschaftsarzt der Herren-Nationalmannschaft und Verbandsarzt des Deutschen Verbandes für Modernen Fünfkampf (DVMF). Außerdem war er im Volleyball als Mannschafsarzt tätig (DVV, Juniorinnen und USC Münster Damen).
ist Facharzt für Sportmedizin, Physiologie und Physikalische und rehabilitative Medizin. Er trägt die Zusatzbezeichnung Medizinische Information und Manuelle Medizin. Er ist Autor des Standardwerkes „Sensomotorisches System“ (Thieme) und aktuell des Buches „Sensomotorik und Schmerz“ (Springer).