Schulterschmerzen werden in den meisten Fällen durch entzündliche Veränderungen im Subacromialraum hervorgerufen. Klinische Leitsymptome sind Schmerzen beim Abspreizen des Armes über 70 – 80°, schmerzhafte Impingementtests sowie Nachtschmerzen beim Liegen auf der Schulter mit wiederholtem Aufwachen. Dies führt zu Durchschlafstörungen und reduzierter Schlaftiefe mit chronischem Schlafdefizit.
Entsprechend hoch ist der Leidensdruck der Patienten. Die Beschwerden werden initial oft bagatellisiert und in Eigentherapie mit entzündungshemmenden Medikamenten behandelt (Diclofenac/Ibuprofen), sodass sich viele Patienten bereits in einem chronifizierten Stadium der Erkrankung in der Praxis vorstellen. Zugrundeliegende anatomische Läsionen der schmerzhaften Funktionsstörungen sind in den meisten Fällen Verschleiß- und Überlastungsschäden der Rotatorenmanschette. In den letzten Jahren sieht man diese Pathologien auch zunehmend bei jüngeren Patienten als Folge neuartiger hochintensiver Sportarten wie Crossfit sowie forciertem Krafttraining mit hohen Gewichtsbelastungen und mangelhafter Technik. Dies führt zu entzündlichen Veränderungen insbesondere der Supraspinatussehne und der darüber liegenden Schleimbeutelschicht (Abb. 1).
Multifaktorelle Behandlung
Die Behandlung muss, wenn sie nachhaltig sein soll, multifaktoriell geplant werden. Das Behandlungskonzept wird in einer späteren Ausgabe der sportärztezeitung noch im Detail dargestellt werden. Ein wesentlicher Baustein der Behandlung ist die subacromiale Infiltrationstherapie.
Medikamente, die zur subacromialen Infiltration eingesetzt werden sind:
- Lokalanästhetika (LA)
- Kortisonpräparate
- Homöopathische Präparate (Traumeel, Zeel)
- Hyaluronsäurepräparate
- Blutderivate (PRP, ACP, BCS etc.)
- Mesenchymale Stammzellen
Die Medikamente werden als Monopräparate angewendet oder als Kombinationspräparate. Die Indikation und Wirkung der verschiedenen Präparate wird kontrovers diskutiert. Klinische Studien zeigen unterschiedliche Resultate. Einigkeit besteht darin, dass Kortisonpräparate nicht häufiger als 3 x in Serie appliziert werden sollten. In den letzten Jahren geht der Trend weg vom Cortison zu o. g. alternativen Medikamenten. Kortikoide werden überwiegend nur noch im hochakuten Stadium der Erkrankung eingesetzt.
Korrekte Technik
Die Wirkung der Infiltration ist nicht nur vom Medikament, sondern entscheidend von der korrekten Infiltrationstechnik abhängig. Ein therapeutischer Effekt kann nur eintreten, wenn das Präparat in die Region der anatomischen Läsion und des entzündlichen Prozesses appliziert wird. In den meisten Fällen betrifft dies die Supraspinatussehne und die umgebende Schleimbeutelschicht. Die Infiltration erfolgt am sitzenden Patienten bei herunterhängendem Arm. Die anatomischen Landmarken des Akromions sollten mit Kugelschreiber oder wasserfestem Hautstift angezeichnet werden. Danach erfolgt die Markierung der geplanten Infiltrationsstelle. Nach Identifikation des gewünschten Infiltrationspunktes wird die Haut sorgfältig und großflächig desinfiziert. Eine Abdeckung wird nicht empfohlen, da ansonsten die Orientierung für den optimalen Winkel und die Richtung der Infiltration verloren geht.
Mögliche Infiltrationspunkte sind:
- Dorsal ca. 2 cm medial und 2 cm kaudal des hinteren Akromionecks
- Anterolateral ca. 2 cm dorsal und 2 cm kaudal des vorderen Akromionecks
- Ventral ca. 1 cm medial und kaudal des vorderen Akromionecks
Beim sitzenden Patienten mit hängendem Arm in physiologischer leichter Innenrotation befinden sich die in der Regel betroffene Supraspinatussehne und die umgebende Schleimbeutelregion ca. 1 – cm vor der vorderen Akromionkante und unterhalb des vorderen Akromiondrittels. Eine Infiltration von dorsal erreicht diese Region nur teilweise oder gar nicht. Wir würden daher Infiltrationen von dorsal nur in Sonderfällen von dorsal lokalisierten entzündlichen Prozessen empfehlen, die mittels MRT Diagnostik eindeutig identifiziert sind (z. B. dorsale Kalkherde der ISP Sehne mit Tendinitis/Bursitis) (Abb. 2). Für die üblicherweise betroffene Supraspinatussehne empfiehlt sich die Infiltration von anterolateral mit fächerförmiger Infiltration nach ventral und direkt unter das vordere Akromiondrittel. Wir verwenden bei nicht adipösen Patienten eine schwarze Kanüle (G22, 30 mm Länge), bei muskelkräftigen Patienten eine gelbe Kanüle (G20, 40 mm Länge). Die Infiltration erfolgt nach ventral in horizontaler Ausrichtung, unter das Akromion leicht nach cranial (Abb. 3). Sofern sich der entzündliche Prozess im Bereich der SSC Sehne befindet, z. B. als Folge eines Kalkdepots, kann die Infiltration ebenfalls von anerolateral erfolgen, wobei der Arm dann in 70 – 80° Flexion gelagert wird. Die Alternative zur anterolateralen Infiltration ist die ventrale Infiltration mit nach kaudal geneigter Kanüle. Nachteilig dabei ist das höhere Blutungsrisiko infolge Gefäßverletzungen.
Weitere Aspekte und Ausblick
Die exakte Platzierung der Kanüle kann ultraschallgestützt in zwei Ebenen kontrolliert werden. Dies führt zu einer deutlichen Erhöhung der Präzision der Infiltration. Im Alltag kann sich die Anwendung der ultraschallgestützten Infiltration manchmal etwas schwierig gestalten infolge des zusätzlichen Zeitaufwandes und der Rahmenbedingungen der Sterilität. Die Methode kann jedoch insbesondere in der „Lernkurve“ der subacromialen Infiltration empfohlen werden. Die Infiltrationstherapie erfolgt in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Pathologie, Beschwerdeentwicklung im Verlauf und Präparatabhängig. Meistens werden 3 – 5 Infiltrationen im Abstand von etwa einer Woche durchgeführt. Kortikoide sollten maximal dreimalig in Serie infiltriert werden. Kombinationstherapien sind möglich. Häufige Kombinationen sind PRP und Hyaluronsäure, LA und Homöopathika, LA und Korticoid. Neben der gezielten subacromialen antientzündlichen Therapie werden subacromiale Infiltrationen mit Lokalanästhetikum zur therapeutischen Differentialindikation eingesetzt, vor allem bei unklaren Schmerzzuständen, zur Abgrenzung von muskulärfunktionellen Beschwerden und von cervikalen Pathologien. Sowohl im Bereich der konservativen Behandlung als auch zur additiven Therapie im Rahmen der operativen Verfahren werden zukünftig Blutderivate (PRP, ACP, BCS etc.) und die Stammzelltherapie einen höheren Stellenwert einnehmen.
Autoren
ist Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie. Seine Schwerpunkte sind Schulterchirurgie und Sporttraumatologie sowie die sportmedizinische Betreuung von Ausdauerathleten. Von 2007 bis 2018 war er leitender Arzt an den ARCUS Kliniken in Pforzheim, aktuell ist er Chefarzt Schulter- Ellenbogenchirurgie an der ATOS Klinik Stuttgart und wiss. Beirat der sportärztezeitung.