Es wird geschätzt, dass mehr als 80 % der Bevölkerung in den westlichen Industrienationen mindestens einmal in ihrem Leben an Wirbelsäulenschmerzen leiden und sich aus diesem Grund in ärztliche Behandlung begeben. Die Ursache der Schmerzen in der Wirbelsäule ist meist durch degenerative Veränderungen bedingt. Sie können aber auch durch angeborene, erbliche, entzündliche und tumoröse Erkrankungen der Wirbelsäule verursacht werden.
Definition: Schmerzen an der Wirbelsäule
Die Bezeichnung Wirbelsäulenschmerzen wird häufig synonym mit der Bezeichnung Rückenschmerzen verwendet. Rückenschmerzen lassen sich häufig auf Erkrankungen zurückführen, die mit der Wirbelsäule zusammenhängen. Beide Krankheitsbezeichnungen stellen außerdem kein selbstständiges Krankheitsbild dar. Vielmehr sind sie das Symptom einer Erkrankung, durch die die Schmerzen in der Wirbelsäule verursacht werden. Daher lassen Wirbelsäulenschmerzen alleine noch keine Rück-
schlüsse auf die Ursache zu. Aus diesem Grund muss vor einer Therapie eine umfassende fachärztliche klinische Untersuchung und häufig auch eine Bildgebung durchgeführt werden. Das genaueste bildgebende Verfahren ist die Kernspintomographie (MRT). Mit ihr können die „normalen“ degenerativen Veränderungen von Entzündungen, Bandscheibenvorfällen mit und ohne Beteilung der Nervenwurzeln und sonstigen Pathologien differenziert werden. Anhand der dezidierten Diagnostik kann dann die entsprechende Therapie geplant werden.
Im Wesentlichen kommen dabei die folgenden minimal invasiven Therapieverfahren zum Einsatz:
- CT-gesteuerte Facettengelenksinfiltration/Facettengelenksblockade
- CT-gesteuerte periradikuläre Therapie (PRT)
- CT-gesteuerte epidurale Umflutung
- CT gesteuerte Vertebroplastie
Die Prinzipien dieser vier Verfahren werden nachfolgend kurz erläutert. In Abhängigkeit von den Beschwerden wird die geeignetste Therapie oder eine Kombination aus verschiedenen Verfahren ausgewählt. Die Behandlung findet in der Regel ambulant und unter Lokalanästhesie statt.
CT-gesteuerte Facettengelenksinfiltration (Infiltration der kleinen Wirbelgelenke)
Diese Infiltrationsmethode wird hauptsächlich bei schmerzhaften Verschleißerscheinungen an den kleinen Wirbelgelenken, meist in Kombination mit einer lokalen Entzündungsreaktion mit Knochenödem eingesetzt. Nicht selten sind die Schmerzen morgens nach dem Aufwachen deutlich intensiver und lassen langsam im Laufe des Tages erst nach, nehmen aber bei Belastung wieder in ihrer Intensität zu.
Indikationen:
- anhaltende, tieflumbale Kreuzschmerzen ohne sensomotorische Defizite
- anhaltende Nacken- oder Brustwirbelsäulenschmerzen
- gürtelförmige Schmerzausstrahlung
- nicht einem Segment zuzuordnende Kreuzbeinschmerzen
- Arthrose der kleinen Wirbelgelenke (Facettengelenksarthrose)
Durch eine gezielte Therapie der Facettengelenke bzw. Blockade der versorgenden Nerven an den Facettengelenken kommt es rasch zu einer Schmerzlinderung, so dass dann mit einer effizienten unterstützenden Therapie der Rückenschmerzen im Rahmen der Physiotherapie begonnen werden kann.
Ablauf der Facettengelenksinfiltration
Für die Facettenblockaden in der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule wird der Patient in Rücken- oder Seitenlage auf dem CT-Tisch gelagert. Nach üblichen Vorbereitungen, Festlegung der Koordinaten auf der Haut und einer gründlichen Hautdesinfektion kann mit der Behandlung begonnen werden. Unter MRT- oder CT-Bildsteuerung wird eine dünne Injektionsnadel in örtlicher Betäubung und Stichkanalanästhesie bis zu den Facettengelenken vorgeschoben. Danach werden kleine Mengen von Kontrastmitteln injiziert, damit sichergestellt wird, dass die Nadelspitze korrekt liegt und dass die zu injizierenden Medikamente eine richtige Verteilung erreichen. Nach erneuter Kontrolle und eventueller Korrektur der Nadellage wird eine Mischung von langwirksamen Lokalanästhetika und Hyaluronsäure und gegebenenfalls kleinen Mengen Cortison gespritzt. Anschließend werden die Kanülen wieder entfernt.
CT-gesteuerte Nervenwurzelbehandlung, Periradikuläre Therapie (PRT)
Die Indikation zur PRT besteht bei Nervenwurzelreizsyndromen. Diese sind meist Folge eines Bandscheibenvorfalls und/oder Einengung der Nervenwurzeln infolge degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule (Spinalkanalstenose). Hierbei erfolgt die Applikation des Betäubungsmittels direkt an die Austrittsstelle der Nervenwurzel aus dem Wirbelkanal.
Indikationen:
- alle akuten und chronischen Nervenwurzelreizungen
- Nervenwurzelkompression durch lumbalen Bandscheibenvorfall
- monoradikuläres Schmerzsyndrom (Schmerzausstrahlung über eine bestimmte lumbale Nervenwurzel)
Ablauf der periradikulären Therapie
Auch für die PRT wird der Patient in Rücken- oder Seitenlage auf dem CT-Tisch gelagert. Nach den üblichen Vorbereitungen und Festlegung des zu behandelnden Wirbelsäulenabschnitts wird mithilfe der Bildsteuerung eine dünne Injektionsnadel, unter Lokalanästhesie der Haut und Muskulatur und Stichkanalanästhesie, bis in unmittelbare Nähe zur Nervenwurzel vorgeschoben. Danach werden kleine Mengen von Röntgenkontrastmittel oder Luft injiziert, um die korrekte Lage der Nadel zu überprüfen. Dadurch können die Medikamente genau an den betroffenen Nerv gespritzt werden. Bei den Injektionen werden zusätzlich Lokalanästhetika um den Nerv injiziert. Dadurch lässt der Schmerz meist sofort nach, kann aber ein vorübergehendes Taubheitsgefühl mit oder ohne Kraftverlust in den Beinen oder den Armen auftreten. Dies kann mehrere Stunden anhalten und verschwindet wieder gänzlich. Diese Art von Behandlung kann wiederholt werden.
CT-gesteuerte epidurale Umflutung
Die epidurale Umflutung erfolgt ähnlich wie die PRT. Die Medikamente werden dabei direkt in den sogenannten Epiduralraum injiziert, so dass man mit dieser Methode der gereizten Nervenwurzel sowie dem Bandscheibenvorfall am nächsten kommt. Die Gabe eines Lokalanästhetika-Kortison-Gemisches in kleiner Dosierung erfolgt also direkt an dem Ort, wo auch der Schmerz entsteht.
Indikationen:
- akute, ausstrahlende Schmerzen durch einen Bandscheibenvorfall
- chronisches Schmerzsyndrom durch Nervenwurzelreizung
- Postnucleotomiesyndrom (Schmerzen nach erfolgloser Bandscheiben-operation)
CT-gesteuerte Vertebroplastie bei osteoporotischen und Wirbelkörperfrakturen
Unabhängig von ihrer Äthiologie ist die manifeste Osteoporose durch eine erniedrigte Knochenmasse sowie die Verschlechterung der ossären Mikroarchitektur gekennzeichnet. Die höchste Ausprägung der Erkrankung ist im fortgeschrittenen Alter zu beobachten und die Prävalenz in Deutschland liegt bei 4 – 6 Millionen im Jahr. Die Wirbelkörperfraktur stellt die häufigste und zugleich schwerste Frakturvariante bei Osteoporose dar. Es besteht hier die erhöhte Gefahr einer neurologischen Begleitsymptomatik, welche wiederum zusätzliche therapeutische Maßnahmen erfordert, um einer länger anhaltenden Immobilisierung entgegenzuwirken. Die Wirbelkörperfraktur bei Osteoporose tritt oft ohne adäquates Trauma auf, es handelt sich somit um Spontanfrakturen im Sinne von Mikrofrakturen ohne sichtbare Wirbelkörperveränderungen. Die röntgenologisch nachweisbare Makrofraktur tritt am häufigsten in Form eines Keilbruches oder als Kompressionsbruch auf. Die damit verbundene Immobilisierung kann bis zur Bettlägerigkeit führen, was wiederum verschiedenen Folgekomplikationen, wie eine erhöhte Involutionsatrophie der Muskulatur und eine progrediente Demineralisierung des Skelettsystems nach sich zieht. Nach Sicherung der Diagnose einer osteoporotischen Wirbelkörperfraktur durch eine adäquate Bildgebung erfolgt eine CT gesteuerte Einbringung von kanülierten Nadeln in den betroffenen Wirbelkörper. Im Anschluss daran wird über die liegenden Nadeln Knochenzement in den Wirbelkörper eingespritzt, der den Wirbelkörper aushärtet und somit ein weiteres Einbrechen des Wirbelkörpers verhindert.
Fazit
Die fachärztliche klinische Untersuchung ermöglicht in Kombination mit einer hochaufgelösten dezidierten Bildgebung eine exakte Differenzierung der verschiedenen Ursachen der Rückenschmerzen und erlaubt die exakte Planung und Durchführung der Therapie.
Autoren
ist Facharzt für Diagnostische Radiologie und seit 2012 Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis Radiologie München. Außerdem ist er seit 2013 Mitglied des Direktoriums der Akademie für Fort- und Weiterbildung in der Radiologie der Deutschen Röntgengesellschaft. Seine Schwerpunkte sind u.a. Diagnostik des Bewegungsapparates, Diagnostik von Sportverletzungen, Traumatologische Diagnostik sowie CT-gesteuerte Interventionen.
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnungen Sportmedizin, Notfallmedizin, Manuelle Medizin/Chirotherapie. Von 2009 bis 2017 war er als Teamarzt beim FC Bayern München tätig (von 2009 – 2014 bei der zweiten Mannschaft).