Bandscheibenvorfälle an der Lendenwirbelsäule treten regelmäßig auf und führen dabei oft zu radikulären Symptomen der unteren Extremitäten. Diese können funktionell sehr einschränkend sein und sind daher häufige Ursache für Vorstellung in Praxis und Krankenhaus.
Die Fachliteratur der letzten Jahre beschäftigt sich immer wieder mit den konservativen und operativen Therapieoptionen. Daher haben wir für den Artikel „Konservative Therapie bei lumbalem Bandscheibenvorfall“ in der Zeitschrift „Die Orthopädie“ den aktuelle wissenschaftlichen Stand zur Auswahl von konservativen Therapieoptionen analysiert. Im Einzelnen lag für die Bereiche hierbei eine sehr unterschiedliche Evidenz vor.
Analgetika & Infiltrationen
Analgetika sollten dem Risiko / Nutzen Profil entsprechend individuell für die betroffene Person angewendet werden. Hierbei sollte besonders die mögliche Ursache des Schmerzes berücksichtigt werden. Bei neuropathischer Schmerzkomponente entsprechende Medikation mit beispielsweise Pregabalin, ebenso wie bei vermutlich entzündlicher Genese eher antiphlogistische Auswahl an Präparaten. Die Wirkung von oraler Kortikoidgabe hat keine gute Evidenz. Bei Paracetamol und Metamizol ist auf Dosierung und entsprechende Kontraindikation zu achten. Auch die Gruppe der Co-Analgetika, wie Amitriptylin, ist dabei zu bedenken, wenn die Schmerzverarbeitung bei chronischen Beschwerden gestört ist. Schmerztherapeutische Infiltrationen an der Lendenwirbelsäule können eine effektive Maßnahme sein. Dabei sind Zugangswege und Präparate unterschiedlich bewertet worden. Bildgebung ist dabei vor allem bei diagnostischen Infiltrationen empfohlen.
TCM, Verhaltenstherapie & Patientenschulung
Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) kann vor allem in Kombination mit Bewegungstherapie eine sinnvolle Ergänzung sein. Auch können sehr spezielle Therapieformen, wie Moxibustion aus der TCM, durch entsprechend geschultes Personal therapeutisch versucht werden. Als psychologische Unterstützung sollte Verhaltenstherapie besonders dann angewendet werden, wenn psychosoziale Risikofaktoren bestehen. Entspannungsverfahren, wie progressive Muskelrelaxation, sollte vor allem bei subakuten Beschwerden auch für zu Hause unbedingt empfohlen werden. Obwohl die Studienlage uneinheitlich ist, sollte der Patient bezüglich der Symptome und Risiken geschult werden. Kompetenzen zur verbesserten Schmerz- und Krankheitsbewältigung, ebenso wie Selbstwirksamkeit in Bezug auf therapeutische Maßnahmen, sollten vermittelt werden.
Physio- und Bewegungstherapie & ergänzende Verfahren
Ein wichtiges Kernelement einer konservativen Therapie bleibt die Physiotherapie und auch die Bewegungstherapie unter fachlicher Anleitung. Je nach Phase (akut, subakut oder chronisch) und Symptomatik können die Schwerpunkte entsprechend angepasst werden. Details zum Einsatz Manueller Therapie und ergänzenden Verfahren, wie Elektro- oder Thermotherapie und ähnlichen, kann gerne dem Originalartikel entnommen werden. Stoßwellentherapie kann eine gute Schmerzlinderung der begleitenden myofaszialen Rückenschmerzen bewirken. Orthesen können in der Akutphase im Einzelfall erwogen werden, in der Subakutphase etwas großzügiger eingesetzt werden („kann angewendet werden“). Im Langzeitverlauf sollen sie jedoch nicht mehr genutzt werden, da die aktive Muskelaktivierung dann im Vordergrund steht.
Fazit
Die Analyse der wissenschaftlichen Datenlage zeigt, dass für viele konservative Therapiemaßnahmen eine gute Evidenz vorliegt. Auch dort, wo diese noch nicht gegeben ist, können die meisten Maßnahmen dennoch einen Therapieversuch wert sein. Die Nebenwirkungen der Maßnahmen sind meist gering, sodass das Ziel, die Symptome zu lindern und eine Operation zu vermeiden, an erster Stelle stehen sollte. Bei neurologischen Ausfällen oder Therapieresistenz sind operative Maßnahmen zu erwägen. In die Entscheidung, welche Maßnahmen für die betroffene Person sinnvoll erscheinen, sind die Patienten immer mit einzubinden, um auch die Compliance zu erhöhen. So können gemeinsam mit den Fachberufen und dem Spektrum der Optionen die Beschwerden meist rasch gelindert werden und die Funktion wiederhergestellt werden.
Originalartikel: Sturm, C., Schiller, J., Egen, C. et al. Konservative Therapie bei lumbalem Bandscheibenvorfall. Orthopädie 53, 918–927 (2024). https://doi.org/10.1007/s00132-024-04579-3
Autoren
studierte an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) Medizin und ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin. Er ist Leiter der Physikalischen und Rehabilitativen Medizin in der Klinik für Rehabilitations und Sportmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Darüber hinaus ist Dr. Sturm Sprecher der Kommission Digitalisierung der Deutschen Gesellschaft für Physikalische und
Rehabilitative Medizin (DGPRM). Er ist Sportmediziner, Arzt für Manuelle Medizin und für spezielle Schmerztherapie.