„Gesundheit beginnt im Darm“, wusste schon Paracelsus, und Forscher bestätigen heute, dass ein gesundes Darmmikrobiom entscheidend für eine hohe Leistungsfähigkeit, schnelle Regeneration und allgemeines Wohlbefinden ist. Während viele Athleten auf dem Spielfeld Höchstleistungen erbringen, kämpft ihr Mikrobiom oft mit den Folgen. Neuere Erkenntnisse deuten auf eine multifunktionale, epigenetisch modulierende Wirkung von natürlichen Polyphenolen wie Resveratrol und Curcumin auf das Darmmikrobiom hin.
Besonders beachtenswert ist die entzündungshemmende Wirkung und die damit verbundene Stärkung der Darmbarriere sowie des Immunsystems von Resveratrol und Curcumin, die durch erste klinische Studien belegt wurde und damit auch für Sportler als prophylaktische Anwendung zur Risikominimierung typischer Verletzungen unerlässlich ist.
Darmmikrobiom
Das menschliche Darmmikrobiom umfasst schätzungsweise mehr als 100 Billionen Mikroben mit etwa 35.000 verschiedenen Bakterienarten, die in natürlicher Symbiose mit dem gesamten menschlichen Organismus im Einklang leben [1]. Bei gesunden Individuen beherbergt das Kolon mit etwa 1.012 Zellen/Gramm die überwiegende Mehrheit des Darmmikrobioms, während der Dünndarm nur etwa 103-107 Zellen/Gramm und eine geringere Vielfalt aufweist [2, 3]. Dies lässt sich dadurch erklären, dass das Darmmikrobiom optimal an die Funktion der verschiedenen Darmabschnitte adaptiert ist [3]. So gibt es eine Vielzahl von nützlichen Bakterien, darunter Bacteroidetes, Firmicutes, Actinobacteria, Proteobacteria, Fusobacteria und Verrucomicrobia, die Teil eines gesunden Darmmikrobioms darstellen [1]. Die Mundhöhle ist ebenfalls Teil des Verdauungssystems und beherbergt eine Vielzahl von Mikroben, die in ihrer Gesamtheit als orales Mikrobiom bezeichnet werden [4]. Insgesamt ist die genaue Zusammensetzung und Vielfalt des Darmmikrobioms individuell variabel und hängt von einer Vielzahl intrinsischer (Entzündungsstatus, Hormonspiegel einschließlich Cortisol [5] und reproduktiver Hormone [6]…) und extrinsischer Faktoren (Ernährung [7], Bewegung [8], Medikamente [9]…) ab.
Ernährungsweise und körperliche Aktivität
Zu einer ausgewogenen vielfältigen täglichen Ernährungsweise, die maßgeblich zu einem intakten Darmmikrobiom beiträgt, gehören neben ausreichend Mikro- und Makronährstoffen und Vitamin D [10] auch Ballaststoffe und natürliche Polyphenole [11]. Zudem kann der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme einen entscheidenden Einfluss auf die Zusammensetzung des Darmmikrobioms, vor allem auf epigenetischer Ebene haben [12]. Insbesondere weisen Studien darauf hin, dass die Anpassung an den zirkadianen Rhythmus mit einer verbesserten Nährstoffmetabolisierung, einer Modulation der Entzündung und einer Verbesserung des Immunsystems einhergeht [12]. Hinsichtlich des positiven Zusammenhangs zwischen körperlicher Aktivität und der Zusammensetzung des Darmmikrobioms belegen Studien, dass sportlich aktive Personen im Vergleich zu Personen, die sich wenig bewegen, häufig ein vielfältigeres Darmmikrobiom aufweisen, das mit höheren Werten an kurzkettigen Fettsäuren assoziiert ist [13]. Kurzkettige Fettsäuren wirken einerseits anti-entzündlich im Darm und zugleich über den Blutkreislauf in allen Geweben, wie beispielsweise in Knochen und Muskeln [14]. Die anabole Wirkung basiert dabei auf epigenetischen Modulationen [15], welche die Gewebsregeneration fördern [16]. Für Athleten von Bedeutung ist die Erkenntnis, dass ein gesundes und vielfältiges Darmmikrobiom interessanterweise die Endocannabinoid-Metabolite im Darm während des Trainings positiv moduliert, was mit erhöhten Dopaminspiegeln korreliert [17]. Das Darmmikrobiom ist also selbst ein bedeutender Faktor für optimale Leistungsfähigkeit und Motivation [17]. Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass ein intaktes Darmmikrobiom Folge von verschiedensten beeinflussbaren Faktoren ist. Die Beachtung dieser Faktoren ist insbesondere für Athleten von wesentlicher Bedeutung, da das Mikrobiom nicht nur für eine optimale Makro- und Mikronährstoffaufnahme (Ballaststoffe, Polyphenole usw.) unerlässlich ist, sondern auch wesentlich zu einem starken Immunsystem und der intrinsischen Regeneration von Organsystemen inklusive dem muskuloskelettalen System auf epigenetischer Ebene beiträgt.
Stress-induzierte Dysbiose bei Athleten und ihre Folgen
Athleten verzichten in der Regel auf entzündungsfördernde Substanzen wie Alkohol und Nikotin und scheinen dennoch bei sportlicher Höchstleistung, von enormen körperlichen und mentale Stressreaktionen betroffen zu sein, die chronische Entzündungsprozesse im Zusammenhang mit dem Darmmikrobiom, inklusive Dysbiose, verursachen [13]. Hierdurch kann es zur Abnahme von Butyrat-produzierenden Spezies und Zunahme von Bakterien, die entzündungsfördernde Substanzen wie Lipopolysaccharide oder Trimethylamine-N-oxid (TMAO) produzieren, kommen, was mit einem erhöhten Risiko für atherothrombotische kardiovaskuläre Erkrankungen korreliert [18] (Abb. 1). So wurde ein verringertes Vorkommen von Turicibacter spp. und erhöhtes Vorkommen von Ruminococcus gnavus in Korrelation mit körperlicher Überbelastung berichtet [8]. Als primäre Folge einer intestinalen Dysbiose wird die Epigenetik der angrenzenden Darmepithelzellen durch die Aktivierung des entzündungsfördernden Transkiptionsfaktors nuclear factor-kappa B (NF-κB) und entzündungsfördernden Signalwegen beeinflusst, was zu einer Herunterregulierung von Transkriptionsfaktoren führt, die an der Aufrechterhaltung der Darmbarriere beteiligt sind [19]. Dies führt zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Darmwand, die häufig als „Leaky Gut“-Syndrom bezeichnet wird [11] und auf Dauer mit einem Mangel an Mikronährstoffen, wie Mineralien und Vitaminen einhergeht, da diese nicht ausreichend über die Darmepithelzellen aufgenommen werden können. Symptomatisch kann sich dies in verschiedenen Nahrungsmittelunverträglichkeiten äußern, die auch bei Athleten bekannt sind [20]. Verstärkend wirken hierbei eine zu hohe Zufuhr von Eiweiß [21], ein zu hoher Anteil an einfachen Kohlenhydraten [22] und verschiedenen Zusatz-, sowie Aroma- und Süßstoffen [23], wie sie in den meisten industriell hergestellten Produkten enthalten sind (Abb. 1). Klinisch wurde nachgewiesen, dass ein großer Anteil an einfachen Kohlenhydraten innerhalb von vier Tagen mit einer gravierenden Veränderung des Darmmikrobioms korreliert [24]. Insbesondere Einzelsportler, die häufiger als Mannschaftssportler Energy Drinks mit hohem Gehalt an einfachen Kohlenhydraten und Zusatzstoffen konsumieren, sind diesem Risiko folglich ausgesetzt (Abb. 1). Klinisch wurde dies bei mehr als 60 % der Einzelsportler bestätigt und es wurde eine Korrelation zwischen dem Konsum industriell hergestellter Energy Drinks, oraler Dysbiose, Plaque, Zahnerosion und Bruxismus gefunden [25]. Eine Dysregulation des oralen Mikrobioms scheint laut aktuellen Studien bei Athleten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung häufiger zu sein, was sich durch erhöhte Prävalenz von Spezies wie Streptococcus genus zeigte [4]. Auch wenn Individualsportler am häufigsten betroffen sind, betrifft dies insgesamt mehr als 75 % aller Athleten aus Individual- und Teamsportarten [25] (Abb. 1).
Neben einer entzündungsfördernden Ernährungsweise, kann Dysbiose auch infolge von intensivem und langanhaltendem Training entstehen, was mit Immunsuppression korreliert [8] (Abb. 1). Dies ist dadurch erklärbar, dass ein signifikanter Teil des Immunsystems im Darm lokalisiert ist und Dysbiose-induzierte Entzündungen über die Hochregulierung von NF-κB zur Dysregulation von Immunzellen führen [8]. Darüber hinaus wurde eine Vielzahl von Medikamenten mit signifikanten Veränderungen eines intakten Darmmikrobioms in Verbindung gebracht [9] (Abb. 1). Hierzu zählen nicht nur Antibiotika [26], sondern auch Schmerzmittel wie nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) [27], die von Sportlern bekanntermaßen oft in hohen Dunkelziffern eingenommen werden, um trotz Schmerzen auf dem Spielfeld Leistung zu bringen [28]. Eine chronische Dysbiose führt zur stetigen Zunahme der systemischen Entzündung durch erhöhte Zirkulation von entzündungsfördernden Metaboliten und Zytokinen und infolgedessen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Regeneration des muskuloskelettalen Systems [18]. Die hierdurch induzierte verstärkte NF-κB-Aktivierung in mesenchymalen Stammzellen sowie Zellen des Knochens, der Sehnen, des Knorpels und der Muskulatur, führt zur Dysregulation zahlreicher zellulärer Prozesse, wie Autophagie, Mitochondrienfunktion und Biosynthese von Proteinen der extrazellulären Matrix [29, 30]. Diese Achsen, die von einem veränderten proinflammatorischen Mikrobiom ausgehen, werden unter anderem als Darm-Gelenk-Achse [31] und Darm-Knochen-Achse [32] bezeichnet, die es auch zu anderen Organen einschließlich Gehirn, Leber, Herz, Lunge gibt, was die Bedeutung des Darmmikrobioms weiter hervorhebt [33]. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Begünstigung einer chronischen Dysbiose multifaktoriell bedingt ist und einen integrativen Ansatz in der Co-Therapie, v. a. aber in der proaktiven Prophylaxe, erfordert. Übergeordnetes Ziel sollte es sein, auch unter physischen und psychischen Stresssituationen, wie sie im Sportalltag häufig auftreten, ein physiologisches Darmmikrobiom anzustreben und langfristig zu erhalten.
Modulation des Darmmikrobioms und Förderung der Regeneration durch Polyphenole
Einen vielversprechenden Ansatz bieten die Eigenschaften natürlicher Polyphenole wie Resveratrol [34] und Curcumin [35], die typischerweise über die tägliche Ernährung mit Obst, Gemüse, Nüssen, Samen, diversen Kräutern und Gewürzen in den Speiseplan integriert werden können. Während Resveratrol vor allem in roten Beeren enthalten ist [34], ist Curcumin vor allem in der Kurkumawurzel enthalten [36]. Das Besondere an beiden Polyphenolen ist, dass sie durch ihre multifunktionelle Wirkweise über die Modulation von NF-kB das Ausmaß von Entzündungen beeinflussen können [37] (Abb. 2). Die regenerative Wirkung auf das muskuloskelettale System erklärt sich durch die bekannte aktivierende Wirkung auf Sirtuin-1, ein NAD-abhängiges Enzym aus der Gruppe der Deacetylasen, über das Transkriptionsfaktoren wie Scleraxis [38], Runx2 [39] und Sox9 [40] positiv moduliert werden können (Abb. 2). Auch auf direkter mesenchymaler Stammzellebene fördern beide Polyphenole sowohl Osteogenese, Chondrogenese und Tenogenese [41], wodurch mesenchymale Stammzellen epigenetisch so moduliert werden, dass sie sich weniger in Adipozyten differenzieren [42]. Zudem wirkt die entzündungsmodulierende Funktion beider Polyphenole Muskelkater entgegen, was auf die regenerative Wirkung hindeutet, einschließlich einer verbesserten Mitochondrien-Funktion und Modulation von Myokinen [43] (Abb. 2).
Neueste Erkenntnisse weisen zudem auf eine modulierende Wirkung von Polyphenolen wie Resveratrol und Curcumin auf das Darmmikrobiom und die hiermit verbundene Stärkung der Darmbarriere hin, die durch erste klinische Studien bestätigt wurde (Tabelle). So korrelierte bereits eine zweimonatige polyphenolreiche Ernährung mit einer wesentlichen Zunahme an Butyrat-produzierenden Bakterien, was ebenfalls im Zusammenhang mit einer verbesserten Darmbarriere stand [11]. Zu den eingesetzten natürlichen Lebensmitteln gehörten u. a. Kakaopulver und Granatapfelsaft, die beide bekanntermaßen Resveratrol enthalten [34, 44]. Interessanterweise enthält Kakao [44] sowie auch entalkoholisierter und alkoholisierter Rotwein [45] einen großen Anteil von Piceid, einer Vorstufe von Resveratrol. Erkenntnisse aus in vitro Versuchen haben gezeigt, dass Piceid für die anti-entzündliche Wirkweise zunächst in Resveratrol durch bestimmte Darmbakterien metabolisiert werden muss [46]. Auch Resveratrol wird im Darm weiter verstoffwechselt, wobei Resveratrol-Metaboliten wie Lunularin und Dihydroresveratrol eine stärker anti-entzündliche Wirkungsweise aufzeigten als Resveratrol selbst [47]. Klinische Studienergebnisse deuten darauf hin, dass es verschiedene Metabotypen gibt und zwischen Lunularin-Metabotyp und Nicht-Lunularin-Metabotyp unterschieden werden sollte [48]. Unterschiede in Bezug auf interindividuelle Metabotypen wurden auch für Curcumin klinisch festgestellt [49]. Dies ist insofern von großer Bedeutung, als dass die Ergebnisse für eine individualisierte Ernährung sprechen, die auch die Metabolisierbarkeit von Polyphenolen wie Resveratrol und Curcumin berücksichtigt. Insgesamt unterstreichen die in der Tabelle aufgeführten klinischen Studienergebnisse die präbiotische Funktion von Polyphenolen wie Resveratrol und Curcumin sowohl bei gesunden Probanden als auch bei Übergewichtigen oder Patienten mit chronisch entzündlichen Erkrankungen. Da allen eine entzündungshemmende Wirkung gemeinsam ist, die auch für Sportler von essenzieller Bedeutung ist, sind ähnlich positive modulatorische Effekte auf das Darmmikrobiom bei Athleten zu erwarten.
Fazit
Natürliche Polyphenole wie Resveratrol und Curcumin können wesentlich zur Aufrechterhaltung und Modulation eines physiologischen Darmmikrobioms beitragen, indem sie Bakterienspezies fördern, die entzündungshemmende Substanzen wie kurzkettige Fettsäuren produzieren. Durch die multifunktionale Wirkungsweise der Polyphenole wird gleichzeitig eine ganzheitliche Regeneration auf epigenetischer Ebene unterstützt, sodass auch ein prophylaktischer Einsatz zur Risikominimierung von typischen Sportverletzungen wie Muskelfaserrissen, Gelenkschmerzen und Sehnenverletzungen, insbesondere in der Hochleistungs- und Regenerationsphase, empfehlenswert ist. Zu beachten ist, dass die natürliche Prophylaxe mit Polyphenolen sowohl eine regelmäßige bis tägliche Integration in den Ernährungsplan voraussetzt als auch die Vermeidung von hochverarbeiteten Lebensmitteln, einschließlich gängiger Sportler-Trinknahrung mit oftmals hohem Anteil an einfachen Kohlenhydraten, überhöhtem Eiweißgehalt, Zusatzstoffen und künstlichen Aromen.
Im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes sollten auch Taktiken zur mentalen und emotionalen Stressreduktion einen festen Platz im Alltag haben. Gerade für Profisportler ist dies von zentraler Bedeutung, da diese Faktoren das Mikrobiom und damit die physische und psychische Leistungsfähigkeit des Sportlers maßgeblich beeinflussen. Zudem ist zu beachten, dass die Versorgung mit Ballaststoffen für die Butyrat-produzierenden Bakterien ausreichend sein sollte und die Nahrungsmittel vollständig vom Athleten verdaut werden, was für eine Individualisierte Ernährung des Sportlers plädiert. Eine individualisierte, auf die jeweilige Trainingsphase (Trainingsphase, Wettkampfphase, Regenerationsphase) abgestimmte Ernährung sollte sich zudem an der Menge der Makronährstoffe orientieren, die vom Athleten tatsächlich verdaut werden kann.
Literatur
Autoren
ist Ärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Arbeitsgruppe von Prof. Mehdi Shakibaei am Lehrstuhl für Anatomie I der LMU München und forscht auf dem Gebiet der prophylaktischen und co-therapeutischen Entzündungsmodulation durch Phytopharmaka im Hinblick auf die Regeneration des muskuloskelettalen Systems.
ist Ärztin und Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Prof. Mehdi Shakibaei am Lehrstuhl Anatomie I der LMU München und forscht auf dem Gebiet der Entzündungsmodulation durch Phytopharmaka.
Lehrstuhl Anatomie I der LMU München, ist einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Grundlagenforschung zur Entzündungsmodulation des muskuloskelettalen Systems mittels Phytopharmaka.