Die Wärmebilddiagnostik hat zwischenzeitlich in der Sportorthopädie zur Beurteilung von funktionellen Beschwerden einen relevanten Stellenwert erreicht. Insbesondere bei chronifizierten funktionellen Beschwerden im gesamten Achsenskelett können mit Hilfe der Wärmebildkamera Triggerpunkte gut dargestellt und entsprechende therapeutische Maßnahmen wie Stoßwellenbehandlungen, Dry Needling, Cryotherapie, Friktionsmassage oder Taping eingeleitet und im Verlauf hinsichtlich ihres Wirkungserfolges überprüft werden.
In der von uns eingesetzten Infrarotthermographie (FLIR E75 Wärmebildkamera, Abb. 1) werden mit der Kamera mehr als 75.000 Messpunkte mit einer thermischen Empfindlichkeit von < 0,04 Grad Temperaturdifferenz dargestellt und somit auch kleine Flächen einer Hyperämie (Triggerpunkte) sicher nachgewiesen. Das Wort „trigger“ kommt aus dem Englischen und kann mit „Auslöser“ übersetzt werden. Unterschieden werden kann zwischen den aktiven myofaszialen Triggerpunkten, die häufig überaus schmerzhaft sind und den betroffenen Muskel oftmals abschwächen, latenten myofaszialen Triggerpunkten, die nur in der Bewegung schmerzhaft sind und assoziierten Triggerpunkten, die durch Funktionsstörungen der benachbarten Muskelgruppen entstehen. Zunehmend wird in letzter Zeit auch eine differenzierte EMG-Diagnostik in Verbindung mit der Thermographie eingesetzt, um Ansteuerungsprobleme der Muskulatur parallel zu erkennen und mit Hilfe des Biofeedbacktrainings zu korrigieren. Initial kam die Thermographie vor allem im Bereich der wirbelsäulennahen Muskulatur zur Anwendung, um schmerzhafte Muskelverspannungen im Bereich der HWS/LWS zu erkennen und gezielt an diesen Strukturen zu arbeiten. Im vorliegenden Fall ist die Indikation zur Wärmebilddiagnostik auf den Bereich „Achillessehnenbeschwerden“ ausgeweitet worden.
Fallbeispiel
Vorstellig wurde eine 29-jährige Patientin mit rezidivierenden Beschwerden im myotendinösen Übergangsbereich der rechten Achillessehne, insbesondere einen Tag nach sportlicher Betätigung (Laufen). Die durchschnittliche Trainingsbelastung lag bei 40 – 50 km/Woche, ein Unfallereignis war nicht erinnerlich. Die durchgeführte bildgebende Diagnostik (Ultraschall, MRT) sowie eine differenzierte Fußdruckmessung konnten Strukturveränderungen der Sehne bzw. eine relevante Fußfehlstellung ausschließen. Lediglich in der Ultraschalldiagnostik konnte am Folgetag nach einer sportlichen Betätigung eine Peritendinitis im Bereich der proximalen Sehnenanteile nachgewiesen werden. Zunächst erfolgte eine EMG-Diagnostik im Bereich des Musculus gastrocnemius, die einen erhöhten Ruhetonus des rechten Gastrocnemius nachweisen konnte. In der weiteren Funktionsdiagnostik (neuromuskuläre Aktivierung) zeigte sich ein Ansteuerungsdefizit der medialen Wadenmuskulatur (Abb. 2 & 3).
Parallel erfolgte die Thermographie, welche eindrucksvoll einen schmerzenden Bereich der proximalen Achillessehne rechtsseitig nachweisen konnte (Abb. 4 & 5). Therapeutisch erfolgten neben einer (fokussierten) Stoßwellentherapie eine Lasertherapie sowie eine Neuroreflektorische Kältetherapie (Cryotherapie) des proximalen Achillessehnenansatzes mit Taping des Muskelbereiches und begleitendem (zeitversetztem) Biofeedbacktraining der Wadenmuskulatur (Abb. 6 – 10).
Die Kontrolluntersuchungen zeigten bereits nach der ersten Behandlung eine deutliche Reduktion der Triggerpunktbildung über der proximalen Achillessehne. Klinisch war die Patientin nach zwei Sitzungen Stoßwelle plus Taping und zwei Sitzungen Biofeedbacktraining zu 100 % beschwerdefrei (Abb. 11 – 13).
Fazit
Insbesondere hinsichtlich funktioneller Beschwerden, auch im Ansatzbereich der Sehnen außerhalb der Wirbelsäule, hilft die Thermographie eindrucksvoll, muskuläre Triggerpunkte zu diagnostizieren und die Behandlungserfolge zu kontrollieren. Begleitende Muskelfunktionsstörungen werden durch das EMG nachgewiesen und in der EMG-basierten Biofeedbacktherapie therapiert.
Einen weiteren interessanten Artikel zum Thema „Thermographie – Eine neue Methode zur Diagnostik entzündlicher Gelenkerkrankungen“ von Dr. med. Thomas Ambacher, Chefarzt Schulter-Ellenbogenchirurgie ATOS Klinik Stuttgart, finden Sie hier.
Autoren
ist Ärztlicher Direktor von Sporthomedic, Sportorthopädische Praxisklinik in Köln, offizielles Medizinzentrum Olympiastützpunkt Rheinland. Er ist Facharzt für Chirurgie mit Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Chirotherapie. Außerdem ist Professor Tobolski Verbandsarzt des Tennisverbandes Mittelrhein sowie ATP-Turnierarzt.