Dr. med. Wulf Schwietzer, Dr. med. Christoph Seeger/ OFZ Langen
Tendinopathien treten im Sport häufig auf und führen nicht selten zu langen Sportpausen. Für das Patellaspitzensyndrom konnte gezeigt werden, dass 30 % der betroffenen Athleten es nicht schaffen, innerhalb von sechs Monaten wieder auf das Ausgangsniveau zurückzukehren (return-to-preinjury-level). Immer wieder führen chronische Tendinopathien sogar zur Beendigung der sportlichen Karriere. Um eine möglichst zeitnahe und nachhaltige Rückkehr in den Sport zu erreichen, bedarf es eines komplexen und gut aufeinander abgestimmten Therapiekonzepts.
Aktuelle Behandlungsoptionen bei Tendinopathien
Über die Jahre wurden die Behandlungsalgorithmen verfeinert. Der Stellenwert des exzentrischen Trainings, der Detektion und Korrektur funktioneller Dysbalancen (mittels funktionellem Training und Physiotherapie) sowie weitere Trainingsformen wie heavy-slow-resistence Training, progressive-tendon-loading-exercises (PTLE) und das Tendon-neuroplastic-training (TNT) verbreiten sich zunehmend und stellen die Basistherapie bei der Behandlung der Tendinopathien dar. Aufbauend darauf kommen die fokussierte und radiale Stoßwellentherapie, Infiltrationen mit verschiedenen Substanzen und andere Behandlungsmethoden (Laser, Needling, klassische Magnetfeldtherapie etc.) zum Einsatz. Zudem finden neuere Verfahren, wie z. B. die hochenergetische Induktionstherapie immer mehr Anwendung.
Vonseiten der Ernährung wird die Reduktion bzw. Meidung purinhaltiger/ harnsäuresteigernder Lebensmittel (insbesondere rotes Fleisch und Innereien) empfohlen. Omega-3-Fettsäuren (2 g/ Tag) und Curcumin gegebenenfalls in Verbindung mit Boswelia (Weihrauch) sowie das in Kirschen (vornehmlich Montmorency Sauerkirsche) enthaltene Anthocyanin haben eine starke antiinflammatorische Wirkung und senken den oxidativen Stress. Zudem haben auch Glucosamin- und Chondroitinsulfat einen positiven Effekt auf die Sehnenheilung, da sie die Synthese von Kollagen fördern. Neben Einzelpräparaten steht eine Vielzahl von kombinierten Nahrungsergänzungsmitteln zur Verfügung. Bei Versagen der konservativen Therapie stehen verschiedene OP-Verfahren zur Verfügung, die primär die Entfernung des erkrankten Gewebes zum Ziel haben.
Perkutane (galvanische) Elektrolyse
Bereits im Jahr 2014 veröffentlichten Abat F et al. [1] ihre Zweijahresergebnisse bei der Behandlung des Patellaspitzensyndroms mit der perkutanen Elektrolyse in Kombination mit exzentrischem Training und zeigten einen positiven Effekt auf die Heilung und die RTS-Rate. So kehrten knapp 80 % der 33 Betroffenen nach Beendigung der Behandlung (4,5 Wochen) wieder auf das Aufgangsniveau hinsichtlich Sportverhalten zurück. Am Ende des Follow-up waren es 100 %. Die gleiche Arbeitsgruppe konnte im Tiermodell zeigten, dass es bei der Behandlung zu einem Anstieg anti-inflammatorischer und proliferatorischer Effekte bei Kollagenase-induzierten Tendinopathien kommt [2]. Dabei wurde eine signifikant erhöhte Expression von Cytochrom C, Smac/ Diablo, Vascular endothelial growth factor, einem Rezeptor 2 und dem Peroxisome proliferator-activated receptor gamma. Ein ebenfalls positiver Effekt zeigte sich bei der Anwendung bei Fußballspielern mit Insertionstendinopathien des M. adductor longus. Dabei zeigte die Gruppe mit der Kombination von Physiotherapie und Elektrolyse einen schnelleren und sicheren Return-to-sport als die Gruppe, die ausschließlich mit Physiotherapie behandelt wurde [3]. Andere Arbeiten zeigten positive Effekte bei der Behandlung der proximalen Tendinopathie der Hamstrings, der Epicondylitis lateralis und bei chronischen Soleus-Verletzungen bei Tänzern. Eine aktuelle Arbeit von Lopez-Royo et al. (2021) [4] konnte den positiven Effekt beim Patellaspitzensyndrom hingegen nicht belegen. Dabei wurde das Outcome bei Patienten, die mit dry needling und exzentrischem Training (ET) bzw. Elektrolyse und ET sowie ausschließlich mit ET behandelt wurden, verglichen. Alle drei Gruppen zeigten keinen signifikanten Unterschied nach 10 bzw. 22 Wochen.
Anwendung
In Deutschland findet das Verfahren als sogenannte ultraschallgesteuerte galvanische Elektrolyse-Therapie (USGET) meist mit dem Gymna Acure Anwendung (Abb. 1). Zunächst wird eine Akupunkturnadel mit Kupferwendel ultraschallgesteuert im Defekt platziert. Aufgrund der kleinen Nadelgröße ist die Visualisierung nicht immer ganz einfach. Bewegungen der Nadel lassen sich hingegen gut zeigen und helfen bei der Platzierung. Ein nicht zu steiler Eintrittswinkel und die Visualisierung in in-plane-Technik (Abb. 2) empfehlen sich daher. Nach Anlegen des Stroms entstehen entlang der Nadel kleine Gasbläschen aufgrund der Galvanisierung, welche die Nadel gut sichtbar machen, sodass eine Fotodokumentation gut möglich ist (Abb. 3). Die Anwendung kann alle zwei Wochen bei Sehnenverletzungen und mitunter wöchentlich bei Muskelverletzungen wiederholt werden. Zudem bietet sie die Möglichkeit der Triggerpunkttherapie, die z. B. additiv zur Detonisierung des zugehörigen Muskels genutzt werden kann. Wie bereits oben beschrieben sollte die Therapie bei Sehnenpathologien soweit möglich immer mit dem exzentrischen Training bzw. funktionellem Training kombiniert werden.
Abb. 1 Ultraschallgesteuerte galvanische Elektrolysetherapie (USGET) mit dem Gymna Acure 250 (Quelle: www.gymna.com)
Fazit
Die USGET findet auch aufgrund der minimalen Invasivität und der verhältnismäßig einfachen Anwendung eine zunehmend breitere Anwendung. Weitere klinische Studien sind insbesondere zur weiteren Untersuchung der Wirksamkeit und der Optimierung der Behandlungsintensität wünschenswert. Im eigenen Patientenkollektiv kommt das Verfahren zudem zur Verödung von Neovaskularisationen beim chronischen Patellaspitzensyndrom und Tendinopathien der Achillessehne zum Einsatz. Erste Erfahrungen zeigen hier vielversprechende Ergebnisse.
Literatur
[1] Abat F, Gelber PE, Polidori F, Monllau JC, Sanchez-Ibenez JM: Clinical results after ultrasound-guided intratissue percutaneous electrolysis (EPI®) and eccentric exercise in the treatment of patellar tendinopathy; Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2015 Apr; 23(4):1046 – 52
[2] Abat F, Valles SL, Gelber PE, Polidori F, Stitik TP, Garcia-Herreros S, Monllau JC, Sanchez-Ibenez JM: Molecular repair mechanisms using the Intratissue Percutaneous Electrolysis technique in patellar tendonitis; Rev Esp Cir Ortop Traumatol. 2014 Jul-Aug; 58(4):201– 5.
[3] Moreno C, Mattiussi G, Nunez FJ, Messina G, Rejc E: Intratissue percutaneous electrolysis combined with active physical therapy for treatment of adductor longus enthesopathy-related groin pain: a randomized trial; J Sports Med Phys Fitness. 2017 Oct; 57(10):1318 – 1329.
[4] Lopez-Royo MP, Rios-Diaz J, Galan-Diaz RM, Herreo P, Gomez-Trullen EM: A Comparative Study of Treatment Interventions for Patellar Tendinopathy: A Randomized Controlled Trial; Arch Phys Med Rehabil. 2021 May; 102(5):967 – 975.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Notfallmedizin. Er ist Inhaber der Praxis SPORTORTHO rheinmain in Bad Homburg und war langjähriger Mannschaftsarzt u. a. in der Fußball-Bundesliga (Eintracht Frankfurt, TSG 1899 Hoffenheim) und ist Kooperationsarzt verschiedener Vereine und Athleten insbesondere in den Bereichen Fußball, Leichtathletik, Handball, Bob.