Die Therapie von Knorpelschäden oder degenerativen Veränderungen mit mesenchymalen Stammzellen (MSC) insbesondere aus dem Fettgewebe hat in den letzten Jahren immer mehr Interesse bei Patienten und Behandlern gefunden. Die Anzahl der Publikationen in PUBMED hat erheblich zugenommen.
Allerdings liegen insgesamt nur wenige klinische Studien vor, welche eine finale Beurteilung des Therapieerfolges zulassen. Zusätzlich sind die Herstellung der Stammzellen und deren Anwendung sehr unterschiedlich. Von autolog bis allogen, mit und ohne Konzentration, in Kombination mit Eigenplasma oder nur intraoperativ mit Matrix. De facto gibt es in Deutschland zurzeit kein zugelassenes Arzneimittel (ATMP), welches eine Behandlung mit allogenen MSC erlaubt. Daher ist die Therapie mit adipösen autologen MSC im Focus dieses Artikels. Bei den in Europa zugelassenen autologen Verfahren wird aus dem Fettgewebe durch Entfernung der adulten Fettzellen die sogenannte Stromal Vaskuläre Frakiton (SVF) gewonnen. Diese enthält eine Vielzahl von Zellen, wobei der Anteil der Progenitorzellen, welche die regenerativen Eigenschaften der MSC besitzen, bis zu 30 % betragen kann. Das mit überwiegender Mehrzahl behandelte Gelenk ist das Knie und insofern ist in diesem Artikel die Darstellung der klinischen Ergebnisse hierauf beschränkt. Die Behandlung mit SVF zeigt sowohl in der Literatur als auch in unserer Untersuchung eine signifikante Verbesserung in den klinischen Parametern.
Allgemeines
Knorpelschäden stellen nach wie vor in der Praxis eine der häufigsten Pathologien mit Behandlungsnotwendigkeit dar. Genauso vielfältig sind und waren die Therapieansätze von z. B. Magnetfeldbehandlung über Injektionstherapien bis hin zu operativen Verfahren mit Mikrofrakturierung und autologer Knorpelzelltransplantation.
Seit ca. zehn Jahren stellt die regenerative Zelltherapie, bei der MSC aus Knochenmark oder Fettgewebe injiziert werden, eine interessante Alternative und Ergänzung zu den bereits etablierten konservativen Therapie-Methoden dar. Die Wirkweise dieser Zellen ist nicht vollständig geklärt, jedoch gibt es viele Hinweise, dass diese Fähigkeiten aufweisen, die Proliferation inflammatorischer T-Zellen und Monozyten-Maturation zu inhibieren sowie die Eigenschaft, anti-inflammatorische Zytokine zu sezernieren. Außerdem besitzen sie die Fähigkeit, sich in Osteoblasten, Chondrozyten, Myozyten und Adipozyten zu differenzieren und Geweberegenration in Knorpeldefekten durch Ausschüttung bioaktiver Faktoren zu koordinieren.
Zumeist werden MSC in vitro kultiviert und expandiert. Auf diese Weise manipulierte Zellen werden als ATMP (Advanced Therapy Medicinal Product) klassifiziert, welche in Europa strikten Regulierungen unterliegen (EMA/CAT/852602/2018). Einfacher ist es, die SVF, welche entsprechende Vorläuferzellen und auch MSC Zellen enthält, zu gewinnen. Diese werden nicht als ATMP klassifiziert. Eine Genehmigung zur Anwendung durch die Regierungspräsidien ist dennoch erforderlich. Die Sicherheit und Wirksamkeit von SVF-Zellen wurde in verschiedenen klinischen Bereichen wie der Kardiologie, Urologie, plastischer und rekonstruktiver Chirurgie sowie der Orthopädie untersucht. Erste Studien zeigten bereits vielversprechende Resultate nach intraartikulärer Injektion zur Behandlung der Gonarthrose. Die Injektion von MSC gilt als sicheres Verfahren. Nach Genehmigung haben wir im Juni 2018 begonnen, Patienten mit der SVF zu behandeln und es liegen erste Ergebnisse einer Injektion mit SVF bei Gonarthrose hinsichtlich Schmerzreduktion sowie Verbesserung der Funktion und Lebensqualität vor. Neben der Beurteilung des klinischen Ergebnisses wurde die Zahl und Vitalität der tatsächlich injizierten Zellen untersucht. Im Folgenden werden Teile unserer im Knie Journal sowie im Journal „Bone-Reports“ veröffentlichte Studie zusammengefasst und mit neuen aktuellen Auswertungen dargestellt.
Liposuktion, Vorbereitung des Fettgewebes und Herstellung der SVF
Zur Gewinnung des für die Produktion von SVF notwendigen Lipoaspirates wurde den Patienten unter Tumeszenzanästhesie Lipoaspirat aus dem abdominellen Fettgewebe entnommen (Abb. 1). In weiteren Arbeitsschritten werden letztendlich die Fettzellen mechanisch zerstört und die SVF Fraktion soweit wie möglich isoliert (Abb. 2). Vor der Injektion wird bei unserem Vorgehen eine Probe der SVF zur Bestimmung der Anzahl kernhaltiger Zellen und des Anteils an vitalen Zellen entnommen. Die SVF wird dann unter sonografischer Kontrolle in den Hoffa´schen Fettkörper injiziert.
Klinisches Ergebnis
Es wurden bisher über 80 Patienten von uns behandelt. In die Studie eingeschlossen wurden bisher über 50 Patienten und abschließende Ergebnisse bei einer Follow-up Zeit von zwölf Monaten lagen bei 18 männlichen und 15 weiblichen Patienten mit einem Alter von 23 – 88 Jahren und einem mittleren Alter von 61 Jahren vor. Alle Patienten litten unter Gonarthrose mit einem KL Score von 1 – 3. Der klinische Fortschritt wurde durch die Verwendung der Visuellen Analogskala (VAS für Schmerzempfindung) und des KOOS überwacht. Es zeigten sich signifikante Verbesserung im Vergleich zum Basiswert bei der VAS sowie den Subskalen Schmerz, alltägliche Aktivitäten, sportliche Aktivität und Lebensqualität des KOOS (Abb. 3 – 6). Des Weiteren konnte eine Korrelation zwischen einer Reduktion des Schmerzniveaus und einer höheren Zahl an injizierten Zellen festgestellt werden (Abb. 7).
Fazit
Die Behandlung mit SVF wird seit vielen Jahren vor allem im Ausland durchgeführt und die bisher veröffentlichten Studien zeigen, dass diese sicher und effektiv ist. Eine Level 1 Studie liegt nicht vor, sodass hier wie bei vielen anderen regenerativen Therapien keine abschließende Beurteilung möglich ist. In den neueren Metaanalysen wird die Behandlung mit MSC allerdings nun deutlich positiver gesehen als noch vor fünf Jahren. In fast allen Studien konnten signifikante Verbesserungen in Bezug auf das Bewegungsausmaß, Schmerz, Gelenkfunktion und bei täglichen Aktivitäten beobachtet werden. In den meisten der Studien konnten im MRT Zeichen von Knorpelregeneration und Meniskus Volumen Zunahme beobachtet werden als auch eine Zunahme der Regeneration mit einer zweiten Injektion nach einigen Monaten. Unsere ersten Ergebnisse zeigen genau diesen Trend und einer repräsentativen komplett auswertbaren Patientenanzahl klinisch signifikante Verbesserungen. Der Patientenkomfort ist hoch, da alle Maßnahmen in Lokalanästhesie erfolgen und keine Limitierung der Mobilität nach Injektion vorliegt. Der Zeitaufwand für den Patienten beträgt nur max. eine Stunde. Im Vergleich zu anderen Verfahren, bei denen Patienten eine Vollnarkose erhielten oder die Zellen zunächst in vitro expandiert werden müssen, kann der Aufwand und die damit verbundene psychische und physische Belastung für die Patienten auf ein Minimum reduziert werden.
Vorteile der Therapie mit autologen MSC aus unserer Sicht zusammengefasst:
- Ambulant
- Lokalanästhesie
- Nur eine Injektion erforderlich
- Einfacher zu Gewinnen als MSC aus Knochenmark
- Keine Mobilitätseinschränkung nach der Injektion
- Signifikante Schmerzreduktion und Mobilitätsverbesserung
- Knorpelwachstum möglich
- Keine Immunisierung durch allogene Zellen
- Keine Reagenzien oder Additive im gesamten Prozess erforderlich
- Hohe Sicherheit (keine Tumorinduktion, keine schwerwiegenden allergischen Reaktionen)
Indikationen aus unserer Sicht sind:
- Älterer Patient mit ausgeprägten degenerativen Schäden
- Jüngerer Patient nach einem operativen Eingriff
- Kniebinnenschäden (Knorpel, Kreuzband und Meniskus)
Ausblick Zukunft
Es sind noch viele Fragen offen und die Effektivität dieser vielversprechenden Therapie kann vermutlich noch erheblich gesteigert werden. Die starke Regulation der Therapie durch die Europäische Arzneimittelbehörde (ATMP) lässt eine zügige und umfangreiche Erfahrung momentan nicht zu. Aber aufgrund der genannten Vorteile und Indikationen gehen wir von einer deutlichen Steigerung der Behandlungszahlen aus.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnungen u.a. Spezielle Unfallchirurgie und Sportmedizin. Er ist Chefarzt der Abteilung Unfallchirurgie und orthopädische Chirurgie und leitet eine orthopädische Privatpraxis in Mannheim. Neben der operativen Tätigkeit zählt zu seinen Schwerpunkten Biologische Zelltherapie mit eigenem Plasma und Fettzellen zur Behandlung von Arthrosen, Muskel- und Bänderverletzungen, Knorpelzelltransplantationen.
ist Assistenzarzt und wiss. Mitarbeiter an der Abteilung Unfallchirurgie und
orthopädische Chirurgie Theresienkrankenhaus und St. Hedwig-Klinik Mannheim. Er ist beteiligt an der Entwicklung einer Messmethode zur Quantifizierung von mesechymalen Stammzellen im Knochenmark mit einem Durchflusszytometer.