Bereits im vierten Jahrhundert vor Christus soll der bedeutende Mediziner Hippokrates gewusst haben: „Der Wein ist ein Ding, in wunderbarer Weise für den Menschen geeignet, vorausgesetzt, dass er bei guter und schlechter Gesundheit sinnvoll und in rechtem Maße verwandt wird.“ Außerdem hält sich das „Französische Paradox“ als hartnäckige Hypothese, die besagt, dass der in Frankreich gesellschaftlich etablierte Rotwein-Konsum das kardiovaskuläre Risiko senke. Doch was steckt dahinter? Sollten wir wirklich Rotwein trinken, um lange gesund zu leben?
Aus wissenschaftlicher Sicht ist diese Frage klar zu verneinen, denn mittlerweile ist bekannt, dass es sich bei der gesundheitsfördernden Komponente um das natürliche Polyphenol Resveratrol handelt, welches in relevanten Mengen in Weintrauben aller Farben vorkommt. Nach der Entdeckung des sekundären Pflanzenstoffes im Jahr 1939 begann eine umfangreiche Quellensuche, die zahlreiche Früchte als natürliche Resveratrol-Lieferanten hervorbrachte. Hierzu zählen, neben Weintrauben sowohl die meisten Beeren wie Erdbeeren, Preiselbeeren, Heidelbeeren sowie rote und schwarze Johannisbeeren als auch Nüsse, beispielsweise Erdnüsse und Pistazien. Doch wieso enthalten so viele Pflanzen Resveratrol? Das Phytoalexin schützt sie vor Infektionen, Verwitterung sowie vorzeitiger Überreifung und erhöht dadurch die Überlebensdauer der Früchte und Pflanzen.
Wirkung von Resveratrol auf den menschlichen Körper
Vor diesem Hintergrund wurden die letzten Jahrzehnte zur intensiven Untersuchung von Resveratrols Wirkungen auf menschliche Zellen und den menschlichen Körper genutzt. In Zusammenschau zeigten sich vielseitige Effekte, die unsere Gesundheit schützen, aufrechterhalten und verteidigen. So reguliert das Phytopharmakon den Metabolismus sowie das Immunsystem und entfaltet sowohl neuro- als auch kardioprotektive Wirkung. Hierbei führt eine Resveratrol-Behandlung interessanterweise zu einer Erhöhung des Enzyms Stickoxid-Synthase, welches für die Produktion des bekannten kardialen Vasodilatators Stickstoffmonoxid (NO) verantwortlich ist. Über diese prophylaktischen Mechanismen hinaus, ist Resveratrol sogar in der Lage, das Wachstum von Krebszellen zu hemmen oder die Wirkung von klassischen Chemotherapeutika durch Sensibilisierung der Zellen zu erhöhen. Die Basis dieser umfangreichen Modulation bildet eine strikte Regulation der Entzündungskaskaden um den Haupt-Transkriptionsfaktor aller entzündlichen Prozesse, bekannt unter der Bezeichnung Nukleärer Faktor kappa B (NF-kB). Zur Eindämmung sowohl akuter als auch chronischer Entzündungen schränkt Resveratrol die Sekretion von pro-inflammatorischen Zytokinen und Enzymen wie TNF-α, TNF-β, IFN-γ, COX-2, MMPs und verschiedenen Interleukinen ein und verhindert dadurch die Aktivierung von NF-kB. Aber auch die Phosphorylierung von NF-kB selbst sowie die Produktion seiner entzündungsbeschleunigenden Endprodukte wird durch das natürliche Polyphenol blockiert. Zusätzlich wirkt der Pflanzenstoff organübergreifend anti-oxidativ und beseitigt Umwelt-induzierte Irritationen in unterschiedlichen Geweben durch die Balancierung von Stickoxiden sowie Zellstress-Reduktion.
Neben diesen katabolen Eingriffsmöglichkeiten, nutzt Resveratrol in gesunden Geweben gleichzeitig anabole Optionen und stabilisiert primäre Bindegewebszellen wie Osteozyten, Chondrozyten und Tenozyten. Eine klinische Studie belegte in diesem Zusammenhang, dass der tägliche Verzehr von Resveratrol-enthaltenden Heidelbeeren die Lebensqualität von Patienten mit symptomatischer Kniegelenksarthrose durch Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung signifikant steigerte. An gesunden Probanden wurde zudem kürzlich festgestellt, dass die Aufnahme von Johannisbeer-Nektar zu einer deutlichen Eindämmung sportassoziierter Muskelschädigungen führt. Dies lässt über die anti-inflammatorische sowie anti-oxidative Wirkung hinaus auch auf ein regeneratives Potenzial von Resveratrol schließen. Erfreulicherweise kann das Phytopharmakon über eine ausgewogene Ernährung wie auch als Supplement in konstanten Dosierungen aufgenommen werden. Hierbei sind bisher weder relevante Nebenwirkungen noch allergische Reaktionen des Menschen auf eine Resveratrol-Gabe bekannt.
Fazit
Insgesamt stellt der regelmäßige Einsatz von Resveratrol einen vielversprechenden präventiven sowie (co-)therapeutischen Ansatz der Komplementärmedizin dar und könnte sich zukünftig auch aus sportmedizinischer Sicht als multifunktionelle Perle der Natur bewähren.
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Autoren
Lehrstuhl Anatomie I der LMU München, ist einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Grundlagenforschung zur Entzündungsmodulation des muskuloskelettalen Systems mittels Phytopharmaka.
ist Ärztin und Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Prof. Mehdi Shakibaei am Lehrstuhl Anatomie I der LMU München und forscht auf dem Gebiet der Entzündungsmodulation durch Phytopharmaka.