Im Rahmen des Europäischen Kardiologen Kongress 2022 wurden die “ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death” publiziert. Auch bei Athleten jeglichen Alters kann es zum Auftreten eines plötzlichen Herztodes kommen. Eine Besonderheit ist der Sport-assoziierte plötzliche Herztod (sports-related sudden cardiac deaths /SrSCD).
Definition des SrSCD
Der plötzliche Herztod (PHT oder SCD) wird definiert als trainingsbedingter Herzstillstand außerhalb des Krankenhauses (Out of Hospital cardiac Arrest/OHCA), der in direktem Zusammenhang mit einer sportlichen Tätigkeit steht. Per Definition tritt er während des Sportes oder maximal eine Stunde danach auf und kann nicht auf andere Ursachen zurückgeführt werden.
Inzidenz & Ursachen
Pro Jahr sterben etwa 1 – 3 von 100.000 kompetitiven und 5 – 8 von 100.000 nicht-kompetitiven Sportlern an einem sportassoziierten plötzlichen Herztod [1 – 3]. Das Geschlechterverhältnis von Frauen zu Männern ist zu Ungunsten der Männer und variiert je nach Register zwischen 1:5 – 15 [4]. Insgesamt kommt der SrSCD in allen Altersgruppen seltener vor als der SCD in der Allgemeinbevölkerung [5]. Bei Sportlern unter 35 Jahren überwiegen in deutschen Registern strukturelle Herzerkrankungen, Koronaranomalien und Myokarditiden [6]. Bei Frauen ist nicht selten, trotz genetischer Abklärung, keine Ursache zu eruieren. Ein deutlicher Risikoanstieg nach dem 35. Lebensjahr ist in verschiedenen Herzstillstand-Registern übereinstimmend zu verzeichnen [7, 8]. Die älteren Freizeit- und Mastersportler machen die Hauptanzahl der Fälle insgesamt aus (95 %). Ursächlich überwiegt in dieser Altersgruppe die KHK, es folgen strukturelle Herzerkrankungen und primär elektrische Erkrankungen [9].
Identifikation von Gefährdeten (besondere Population)
Die Identifikation von gefährdeten Personen ist schwierig. Risiko-Scores liegen nicht vor. Bei den vermeintlich Gesunden liegt nicht selten Überanstrengung oder Selbstüberschätzung vor, verstärkt durch extreme Umgebungsbedingungen wie Kälte und Hitze. Daten, inwieweit eine Wettkampfsituation gefährlicher ist als ein intensives Training, sind nicht einheitlich. Als besonders vulnerabel sind Personen mit Risikofaktoren oder mit vorbekannten kardiovaskulären Erkrankungen zu nennen [10].
Keine Sicherheit durch Sportrestriktion
Restriktive Empfehlungen oder gar Sportverbote werden nur noch bei wenigen Erkrankungen, wie der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie (ARC) ausgesprochen [11, 12]. Vor dem Hintergrund der vielen positiven Eigenschaften von Sport und Bewegung und der Erkenntnis, dass mangelnde körperliche Leistungsfähigkeit der stärkste Prädiktor für kardiovaskuläre aber auch Gesamt-Morbidität und Mortalität ist, werden den erkrankten Sporttreibenden verantwortungsvolle individuelle Trainingsempfehlungen gegeben, mit der Option einer gemeinsamen Entscheidungsfindung (shared decision making). Die sportkardiologischen ESC-Empfehlungen 2020 zum körperlichem Training im Freizeit- und Leistungssport zeigen für kardiovaskulären Patienten auf, welcher Sport in welcher Intensität und mit welchem Umfang sinnvoll ist [13, 14]. Voraussetzung zur Sportteilnahme ist eine optimal eingestellte und stabile Erkrankung [15 – 19].
Prävention durch PPS
Das Preventive Preparticipation Screening (PPS) vor einer Teilnahme an Freizeit- oder Leistungssport zielt auf die Erkennung von Krankheiten im Zusammenhang mit einem SrSCD ab [20, 21]. Registerdaten belegen, dass sich ein Großteil der betroffenen Sportler über 35 Jahren nicht regelmäßig sportkardiologisch untersuchen ließ. Eine Sportvorsorgeuntersuchung wird angeraten, wenn hochintensiver Sport oder Wettkampfsport ausgeübt wird. In Europa wird empfohlen, dass die Sporttauglichkeitsuntersuchung eine persönliche und familiäre Anamnese, eine körperliche Untersuchung und ein EKG umfassen. Die Anwendung moderner Kriterien für die Interpretation des EKGs bei Sportlern bietet das Potenzial, die Genauigkeit des Screenings zu verbessern, indem die Zahl der falsch-positiven Ergebnisse verringert wird [23]. Ein maximales bzw. symptom-limitiertes Belastungs-EKG und, je nach Sportart und Intensität und Vorerkrankung, eine Echokardiographie werden angeraten. Einige Autoren plädieren dafür, mindestens zweimal im Leben eines Sportlers eine Echokardiographie durchzuführen [24 – 26]. Die erste Untersuchung im Jugendalter kann strukturelle Herzerkrankungen ausschließen, die mit SCD assoziiert sind und nicht durch das EKG erkannt werden können, insbesondere Mitralklappenprolaps, bikuspide Aortenklappe, Koronararterienanomalien und Aortendilatation. Eine zweite Echokardiographie erfolgt ab dem Alter von 30 – 35 Jahren.
Schulung und Aufklärung in der Laienreanimation
SrSCD-Ereignisse werden sich trotz Prävention nicht vermeiden lassen. Umso wichtiger sind Schulungen zur Herz-Lungen-Wiederbelebung. Die höchste Überlebenswahrscheinlichkeit (65 %) ohne neurologisches Defizit hat die kardiopulmonalen Laien-Reanimation mit Anwendung von halbautomatischen Defibrillatoren (AEDs). Die Überlebenschancen sind bei Mannschaftssportarten besonders gut. Das basiert auf der Tatsache, dass in Vereinen, auf Wettkampfstätten, aber auch in Fitnessstudios Trainer, Übungsleiter und Sportler geschult sind im effizienten Einsatz automatisierter externer Defibrillatoren [27 – 29]. Die Laienreanimationsrate variiert zwischen und innerhalb von Ländern. Eine Ausweitung von Vor-Ort-Kampagnen zur SCD-Prävention ist unbedingt notwendig.
Sportler mit SCD
Ein ICD stellt heutzutage keine Kontraindikation mehr zum Sport dar, jedoch sollte eine sorgfältige Risikoabwägung in Abhängigkeit der Grunderkrankung und der Sportart geführt werden [30, 31]. Die ICD-Indikationen für Leistungssportler sollten sich nicht von denen für Nicht-Sportler-Patienten unterscheiden [32, 33]. Nicht selten bestehen strukturelle Herzerkrankungen, die die sportliche Aktivität limitieren. Es gibt aber durchaus einige ICD-Träger, die abhängig von der Art und Schwere der Herzerkrankung – sofern sie mindestens drei Monate keine Therapieabgabe durch den ICD und auch keine dokumentierte ventrikuläre Rhythmusstörung hatten – sogar Wettkampfsport durchführen können. Sportarten, bei denen durch adäquate oder inadäquate Schockabgabe ein Bewusstseinsverlust tödlich sein kann, wie beim Tauchen, Bergsteigen, Motorsport oder Freiwasserschwimmen, sollten im Einzelfall sehr kritisch evaluiert werden.
Subcutaneous Intracardiac Defibrillator (S-ICD)
Bei den herkömmlichen transvenösen ICD-Systemen wird durch Sport das Risiko an Sondenkomplikationen (Frakturen, Dislokationen, Infektionen) erhöht. Zu nennen sich insbesondere ausladenden Armbewegung oder Kontusion bei Kontaktsportarten [34]. Ein S-ICD kann bei Patienten in Betracht gezogen werden, die keine bradycarde bzw. antitachykarde ICD-Funktion benötigen [35, 36]. Prophylaktische ICDs sollten bei Sportlern nicht zu dem alleinigen oder primären Zweck eingesetzt werden, die Teilnahme an hochintensiven Sportwettkämpfen zu ermöglichen.
Literatur
2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death, Zeppenfeld K., Tfelt-Hansen J., European Heart Journal, Volume 43, Issue 40, 21 October 2022, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehac262
Übrige Literatur bei der Verfasserin
Autoren
ist Fachärztin für Kardiologie, Innere Medizin, Sportmedizin/Sportkardiologie Level 3 mit eigener Praxis (KardioPro) in Düsseldorf. Sie ist Autorin des Buches „Sportherz und Herzsport“. Zusammen mit PD Dr. med. Pascal Bauer (Sprecher der AG32 Sportkardiologie der DGK) und Dr. med Katrin Esefeld (TUM München, Mitglied des Nucleus der AG 32) hat sie als Mandatstragende der Leitliniengruppe die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie-Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK) vertreten.
Foto: © MAX SONNENSCHEIN