So psychologisch wichtig das Essen und Trinken für die einzelne Spielerin und die gemeinsamen Mahlzeiten für die Teambildung sind – der Ernährung kommt im modernen Frauenfußball auch für den physischen Bereich eine immer größere Bedeutung zu. Die diesjährige Frauenfußball-WM dürfte zum Höhepunkt der immer professioneller werdenden Zusammenarbeit zwischen Trainerteams, betreuenden Ärzten, Ernährungswissenschaftlern und Köchen sowie letztendlich der Spielerinnen geworden sein.
Eine fußballgerechte Ernährung hat wesentlichen Einfluss auf die Leistung auf dem Feld und kann im Gegensatz zu vielen anderen Leistungsfaktoren gut von außen beeinflusst und gesteuert werden. Eine der ersten Ernährungsstudien mit Fußballspielern stammt aus der Arbeitsgruppe des schwedischen Wissenschaftlers Bengt Saltin. Er ließ eine Spielergruppe, die in der Woche zuvor mit einem Ernährungsplan kohlenhydratreich versorgt worden war, gegen ein Team spielen, das sich mit üblicher Kost, die entsprechend dauerhaft weniger Kohlenhydrate enthielt, versorgt hatte. Bei den Spielern, die sich kohlenhydratreich ernährten, konnte vor und nach dem Spiel sowie in der Halbzeitpause eine höhere Glykogenkonzentration im Muskel nachgewiesen werden. Dies spiegelte sich auch in einer höheren Laufleistung wider. Die erstgenannte Mannschaft lief in der ersten Halbzeit sechs Kilometer, die andere fünf. In der zweiten Hälfte schaffte die mit Kohlenhydraten besser versorgte Elf immer noch sechs Kilometer, die andere nur noch vier. Zudem war der Anteil der im Sprint zurückgelegten Laufstrecke in der kohlenhydratreich versorgten Gruppe deutlich höher (Abb. 1).
Wird die potenzielle Laufleistung mit der Statistik, in welcher Spielminute Treffer erzielt werden, verglichen wird der Zusammenhang noch deutlicher (Abb. 2). Im Fußball werden besonders viele Treffer in den letzten 15 Spielminuten erzielt, was, neben taktischen Änderungen, vor allem auch auf die einsetzende Müdigkeit zum Spielende hin zurückzuführen ist. Müde Spieler sind sowohl in ihrem technisch-taktischen als auch ihrem konditionellen Leistungsvermögen begrenzt. Die einsetzende Ermüdung steht in direktem Zusammenhang mit depletierten Muskelglykogenspeichern. Diese wirken sich auf eine offensiv aus dem Mittelfeld heraus agierende Mannschaft deutlicher aus als auf ein sich in der Defensive befindendes Team. Mit entsprechend länger zur Verfügung stehender Energie aus Muskelglykogenspeichern ist der Erfolg der angreifenden Mannschaft daher wahrscheinlicher. Abbildung 3 zeigt die Trefferbilanz einer englischen Profi-Mannschaft über eine gesamte Saisonhälfte, die neben einem gezielten Ausdauertraining auch einen Ernährungsplan verfolgte. Auffällig ist, dass diese Mannschaft im Laufe des Spiels immer mehr Treffer erzielen konnte, während der Anteil der Gegentore zum Spielende hin abnahm.
Größe der Glykogenspeicher mitentscheidend für Laufleistung, Trefferquote und Spielintelligenz
Im Speiseplan aller Teams der diesjährigen Frauenfußball-WM dominierten leicht verdauliche, auf die individuelle Verträglichkeit getestete Speisen und Getränke, deren Gesamt-Kohlenhydratgehalt situations- und bedarfsspezifisch abgestimmt wurde. Nur mit der richtigen Kohlenhydratperiodisierung ist eine lange Turnierphase ohne eklatante Leistungseinbußen zu überstehen. Um die täglich wechselnden, notwendigen Kohlenhydratmengen zu erreichen, wurde bei hohem Bedarf auch mit zusätzlichen Kohlenhydratkonzentraten wie Maltodextrinlösungen gearbeitet. Der überwiegende Einsatz von Vollkornprodukten als Kohlenhydratlieferant erhöht in derartigen Situationen das Risiko gastrointestinaler Beschwerden. Hingegen stehen Kohlenhydrate mit komplexer Struktur aus vollwertigen Lebensmitteln häufig auf dem Speisenplan, wenn an spielfreien Tagen oder Tagen mit geringen Trainingsintensitäten und -umfängen ein geringerer Kohlenhydratbedarf besteht. Wenn möglich, wurden von den Spielerinnen je nach Spielposition am Tag vor und am Spieltag selbst 6 – 8 g Kohlenhydrate pro kg Körpergewicht verzehrt, wovon 2 – 4 g Kohlenhydrate pro kg Körpergewicht in den letzten fünf bis sechs Stunden vor dem Spiel eingenommen wurden. Und fast schon selbstverständlich: Mögliche Lebensmittelunverträglichkeiten, -allergien oder –intoleranzen (Bsp. Laktoseintoleranz, Fruktosemalabsorption) sowie spezielle Ernährungsweisen, z. B. Vegetarierinnen, wurden in der Teamverpflegung durchgehend berücksichtigt.
Die Ernährung während des Turnieres musste jedoch nicht nur den spezifischen, individuellen Kohlenhydratbedarf der Spielerinnen decken, sondern gleichzeitig auch den Wasser- und Mineralstoffhaushalt optimieren sowie den Aufbau von Struktureiweißen, Enzymen sowie das hormonelle und neuronale Gleichgewicht im Einklang halten. Da Glykogen ca. 2,5 g Wasser pro g Glykogen bindet, spielt neben dem Ausgleich der Schweißverluste durch geeignete Getränke auch die individualisierte Wasserversorgung in Abstimmung zur Kohlenhydratperiodisierung eine große Rolle. Der zeitnahe Ausgleich von Schweißverlusten ist umso wichtiger, je höher der Kohlenhydratverbrauch während des Spiels oder Trainings war. Damit verbunden ist die benötigte Kohlenhydratmenge zur Resynthese der muskulären Glykogenspeicher mit entsprechendem Wasserbedarf. Zudem wurde gerade wegen der hochsommerlichen Temperaturen im gesamten Turnierverlauf auf eine stetige, über den Tag verteilte, ausreichende Trinkmenge geachtet. Als Basisgetränk hat sich der Einsatz eines natriumhaltigen Mineralwassers bewährt, am besten mit einem Calcium- und Magnesiumgehalt im Verhältnis 2 Ca : 1 Mg, um den Wasser- und Mineralstoffhaushalt dauerhaft im Gleichgewicht zu halten und die effektive Speicherung der Kohlenhydrate zu unterstützen.
Seit 2014 FIFA-Vorschrift: Die Abkühlpause
Die hohe Bedeutung des Wasser- und Mineralstoffhaushalts bei der diesjährigen Fußball-WM wurde durch die dreiminütigen Abkühlpausen selbst dem Fernsehzuschauer deutlich. Die Abkühlpausen (englisch cooling break), umgangssprachlich auch Trinkpausen genannt, hat der Weltfußballverband FIFA 2014 im Rahmen der Weltmeisterschaft in Brasilien eingeführt, nachdem ihn ein brasilianisches Arbeitsgericht dazu für den Fall einer Außentemperatur von über ca. 32 °C verpflichtet hatte. Maßgeblich ist die nach dem WBGT-Index (Wet Bulb Globe Temperature) berechnete gefühlte Temperatur, die sowohl Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung als auch die Windgeschwindigkeit berücksichtigt.
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
Auch wenn Sepp Herberger mit diesem viel zitierten Satz nicht die heutige Sportlerernährung gemeint haben dürfte, beschreibt diese Aussage doch auch die Ernährungsanforderungen zwischen zwei zeitlich nah aufeinander folgenden Spieltagen. Die Menge und der Zeitpunkt einer Kohlenhydrataufnahme direkt nach einem Spiel oder einer formgebenden Trainingseinheit wird umso wichtiger, je früher das nächste Spiel angesetzt ist. Eine Kohlenhydratgabe unmittelbar nach einer Belastung führt insulinunabhängig zu einer höheren Glykogenresynthese als zu einem späteren Zeitpunkt. Unmittelbar nach Spielende sowie in den folgenden 3–4 Stunden verzehrten Feldspielerinnen deshalb mindestens 1 g Kohlenhydrate pro kg Körpergewicht pro Stunde. Je länger der Verzehr vom Belastungsende entfernt stattfindet, umso geringer wird der Glykämische Index der Kohlenhydratquellen gewählt. Eine effektive Auffüllung der Glykogenspeicher bei geringeren Kohlenhydratmengen, z. B. nach kraftorientierten Trainingseinheiten wird durch den Einsatz einer Kohlenhydrat-Protein-Mischung erzielt. Nachgewiesen ist die analoge Wirkung auf die Glykogenspeicher für die ersten 40 Minuten nach Spielende. Die Empfehlung eines Kohlenhydrat-Eiweiß-Verhältnis von 3:1 bei hohen Laufumfängen bis hin zum Verhältnis von 1:1 bei geringem Laufstrecken oder wenig intensiven Trainingseinheiten mit einer Mindesteiweißmenge von 20 g pro Portion unterstützt effizient eine strukturelle Muskelregeneration. Von Molken- und Milcheiweißen, aber auch von Sojaprotein, ist der unterstützende Effekt durch Studien gut dokumentiert, die angegebene Mindesteiweißmenge vorausgesetzt. Bewährte Nach-Spiel-Snacks, welche die ernährungsphysiologischen Anforderungen des KH-EW-Verhältnisse von 3:1 nach einem typischen Spiel erfüllen, sind in der Tabelle beispielhaft aufgeführt, wobei die Gesamt-Verzehrmenge dem individuellen Kohlenhydratbedürfnis durch Vergrößerung der Portionen anzupassen ist.
2:1 – Das Wunschergebnis bei der Mineralwasserauswahl
Der tägliche Wasserbedarf von 1 ml pro kcal Energieumsatz ohne Berücksichtigung der temperaturbedingten zusätzlichen Schweißverluste, ergibt bei einem Energiebedarf einer Fußballspielerin von ca. 2.800 – 3.500 kcal an einem Spieltag rund 3 – 3,5 Liter. Diese Basis-Trinkmenge wird in erster Linie durch ein sportgerechtes Mineralwasser gedeckt. Um eine entsprechende Hydrierung des Körpers zu ermöglichen, sollte das Mineralwasser Natrium in nennenswerter Menge sowie die Mineralstoffe Calcium und Magnesium im Verhältnis 2 Teile Calcium zu 1 Teil Magnesium enthalten, da diese Elektrolyte auch mit dem Ganzkörperschweiß in diesem Verhältnis ausgeschieden werden.
Autoren
ist Ernährungswissenschaftler und Mitglied des Vorstandes im Deutschen Institut für Sporternährung e.V. Bad Nauheim. Im Rahmen der sportmedizinischen Betreuung der Sportklinik Bad Nauheim berät er Leistungs- und Hochleistungssportler sowie Freizeit- und Breitensportler. Er hat einen Lehrauftrag an der Hochschule Fresenius und ist Dozent an der Darmstädter Akademie für Gesundheit und Sport (DAGeSp) der TU Darmstadt.
ist Ernährungswissenschaftler, zertifizierter Ernährungsberater und Vorstandsmitglied im Deutschen Institut für Sporternährung e.V. Bad Nauheim
(www.dise.online). Er besitzt Lehraufträge für Sporternährung an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, der Fachhochschule Münster und der Hochschule Fresenius. Zudem war er zweiter Vorsitzender des Zentralverbands ambulanter Therapieeinrichtungen (ZAT) Deutschland e.V.