Es gibt zahlreiche verbreitete Strategien, auf die (Muskel-) Gewebeheilung bzw. ihre einzelnen Phasen Einfluss zu nehmen, wobei die Evidenzlage für die meisten Therapieoptionen eher gering ist. Daher gibt es auch keine allgemeingültigen Richtlinien. Da strukturelle Muskelverletzungen sehr heterogen ausfallen, muss auch die Einflussnahme individuell abgewogen und geplant werden – sowohl bezüglich der Art der Verletzung als auch der Individualität der Patienten.
Hierbei spielen Schweregrad und Lokalisation der Verletzung ebenso eine wichtige Rolle wie das Alter und der Gesundheitszustand der Patienten. So können inflammatorische Vorerkrankungen die immunologische Balance und damit auch den natürlichen Heilungsprozess stören. Ähnliches gilt für den Faktor Alter. Die zelluläre Seneszenz, ein Zustand des irreversiblen Stillstands des Zellzyklus, betrifft alle beteiligten Zelltypen (Myozyten, Muskelstammzellen, Fibroblasten, Leukozyten) und kann dementsprechend auch die einzelnen Phasen der Gewebeheilung beeinflussen. Eine ausführliche Anamnese und klinisch- funktionale Untersuchung sollte eng vernetzt auf ein Behandlungsregime auslaufen, welches optimal an die Struktur der Verletzung sowie Alter, Gesundheitszustand und dem Leistungslevel der Patienten angepasst ist [1].
Chronifizierung von Entzündungen
In manchen Situationen kann eine Entzündung nicht abklingen, weil eine überschießende oder unkontrollierte pro-inflammatorische Immunreaktion die entzündungshemmenden Signale überwiegt. Die Dynamiken, aus denen sich chronische Entzündungsprozesse entwickeln, sind nicht bis ins Detail bekannt. Etwas Orientierung zum Verständnis dieser Prozesse bietet eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, wie die Muskeldystrophien, die durch fortschreitenden Muskelschwund gekennzeichnet sind. Viele grundsätzliche immunologische Prozesse ähneln akuten Entzündungen nach Verletzung. Unterschiede gibt es aber in den Kinetiken der zellulären Infiltration [2]. Während sich bei einer akuten Verletzung in Phase 1 vorwiegend M1-Makrophagen ansammeln und diese pro-inflammatorische Zytokine produzieren, treten bei chronischen Entzündungen vermehrt M2-Makrophagen auch in den frühen Stadien der Entzündung auf. Die M2-Makrophagen scheinen dann die Lyse von beschädigten Muskelzellen zu hemmen und eine pathologische Fibrose zu fördern [3]. Umgekehrt kann auch ein pro-entzündliches Umfeld der Verletzung den Übergang von M1 zu M2-Makrophagen stören, wodurch Übergänge in Phase 2 und 3 verhindert werden. Auch so werden fibrotische Prozesse verstärkt, die Muskelproteinsynthese gehemmt und katabole Mikroumgebungen aufrechterhalten. Die gegensätzlichen Rollen von Entzündungen bei der Förderung und Hemmung der Myogenese kann konzentrations- und zeitabhängig in verschiedenen experimentellen Arbeiten gut belegt werden [4].
Unterstützende Maßnahmen der Wiederherstellung der Muskelfunktion
Eine Reihe von physikalischen, physiotherapeutischen, ernährungswissenschaftlichen und pharmakologischen Strategien wurde auf ihre Wirksamkeit bei der Wiederherstellung der Muskelfunktion und der Verringerung intramuskulärer Entzündungen untersucht.
Akutphase
In der akuten Phase wird in der Regel die PRICE-Methode (P – Protection – Schonung; R – Rest – Entlastung; I – Ice – Kühlung; C – Compression – Kompressionsverband; E – Elevation –Hochlagerung) eingesetzt. Die detaillierten physiologischen Effekte und Mechanismen dieser Behandlung sind nicht vollständig bekannt, aber generell werden die Maßnahmen für nicht schädlich und daher eher hilfreich gehalten, um Einblutungen ins Gewebe und myofibrilläre Nekrosen zu limitieren. Eine Immobilisierung sollte möglichst kurzgehalten und jegliche gewebeerwärmende physiotherapeutische Intervention vermieden werden. Für die Wirksamkeit von gepulsten Ultraschalltherapien und Low-level-Lasertherapien gibt es zwar positive Anwendererfahrungen, allerdings noch keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz [1].
Da die Entzündungen Schmerzen verursachen und gegebenenfalls auch zur Fibrose beitragen können, gibt es zahlreiche Ansätze, das Entzündungsgeschehen einzudämmen. Das Problem bei diesen vor allem medikamentösen Interventionen ist allerdings, dass zwar oftmals eine kurzzeitige Linderung bestimmter Symptome eintritt, gleichzeitig aber Reparatur- und Remodellierungsprozesse behindert werden können. Insofern sind viele derzeitige Behandlungsmöglichkeiten und deren potentielle, langfristige Folgen wissenschaftlich nicht gesichert. Daher stellt sich die Frage, ob es in einem ansonsten gesunden System zunächst nicht sinnvoller ist, die Entzündungsprozesse zunächst ablaufen zu lassen [5]. Zu prüfen wäre dann, inwiefern eine Entzündungshemmung von außen dennoch sinnvoll eingesetzt werden könnte, z. B. nur für einen bestimmten Zeitpunkt oder eine bestimmte Dauer nach der Verletzung. Gegebenenfalls sollte das Ausmaß der Entzündung ermittelt werden, das dem verletzten Gewebe den größten Nutzen bringt, ohne weitere Schäden zu verursachen. Diese Diskussionen laufen letztendlich darauf hinaus, dass es notwendig ist, die einzelnen Prozesse und Phasen zunächst grundlagenwissenschaftlich besser zu verstehen. Dies gilt auch für die physiologischen Auswirkungen der spezifischen Interventionen [6]. Während Einzelstudien über den positiven Nutzen gebräuchlicher Strategien zur Behandlung von Muskelschäden berichten, sind die Ergebnisse systematischer Übersichten und Meta-Analysen nicht vorhanden oder zeigen inkonsistente Ergebnisse [7]. Grundsätzlich wäre ein eigener Artikel notwendig, um diese Verfahren genauer zu beschreiben. Daher soll hier an dieser Stelle nur auf einige wenige Möglichkeiten hingewiesen werden.
Reine Entzündungshemmung nicht langfristig immer zielführend
Maßnahmen, die rein auf Entzündungshemmung ausgelegt sind, zeigten in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten keine einheitliche Wirksamkeit. Es gibt sogar Belege für negative Effekte, wie z. B. bei der Anwendung von NSAIDs (nichtsteroidale Antirheumatika, nichtsteroidale Antiphlogistika) [8]. Der Grund, warum NSAIDs so weit verbreitet sind, liegt in ihrer selektiven Hemmung der Cyclooxygenase (COX)-Enzyme. Als Reaktion auf eine Verletzung produzieren die COX-Enzyme (COX-1 und COX-2) Prostaglandine, die Entzündungen und Schmerzen fördern, sodass die Hemmung dieser Enzyme eine Verringerung dieser Symptome erwarten lässt [9]. Prostaglandin E2 (PGE2) wurde allerdings zwischenzeitlich als ein bedeutender Mediator für die Proliferation von Muskelstammzellen identifiziert [10]. Daher sollte die Anwendung von NSAIDs mit viel Bedacht, wohldosiert und stets nur in speziellen Fällen erfolgen.
Kortikosteroide werden ebenfalls als entzündungshemmende Therapeutika eingesetzt, da sie die Infiltration von Monozyten und Neutrophilen an den Entzündungsherden hemmen. Sie blockieren auch die Aktivierung von T-Zellen durch eine Inhibition der Zytokinfreisetzung. Bisherige Studien deuten darauf hin, dass Kortikosteroide zwar kurzfristig von Vorteil sein können, bei nicht korrekter und chronischer Anwendung jedoch den heilenden Muskel schädigen, was zu Störungen der Faserintegrität und einer Verringerung der funktionellen Wiederherstellung führen kann. Insgesamt muss aber auch hier festgestellt werden, dass es nur wenige wissenschaftliche Befunde gibt, die eindeutig für oder gegen ihre Verwendung sprechen [11]. Flavonoide wie Phenole, Quercetin und Anthocyane werden wegen ihrer hohen antioxidativen und entzündungshemmenden Wirkung im Kontext von Muskelverletzungen angewendet. Hier gibt es eine Fülle von Untersuchungen, die recht heterogen sind und überwiegend uneindeutige Ergebnisse zeigen [12].
Pro-Resolving-Mediatoren (SPMs) und proteolytische Enzyme
Vor einigen Jahren wurde eine Reihe von Molekülen, die spezifisch bei der Beendigung von Entzündungen eine Rolle spielen, intensiver erforscht. Dabei handelt es sich um spezialisierte Pro-Resolving-Mediatoren (SPMs), eine große und wachsende Klasse von Signalmolekülen, die in Zellen durch den Stoffwechsel von mehrfach ungesättigten Fettsäuren (PUFA) gebildet werden. Präklinische Studien deuten darauf hin, dass SPMs, wie Resolvine und Protectine, an der Begrenzung von Entzündungen beteiligt sind. Sie scheinen bei der Wiederherstellung der Gefäßintegrität, der Regeneration verletzten Gewebes und der Hemmung pro-entzündlicher Zytokine wirksam zu sein [13]. Auch eine systemische Enzymtherapie, wie z. B. mit proteolytischen Enzymen, wird seit vielen Jahren zur Behandlung von Schmerzen und Entzündungen im Zusammenhang mit Muskel-Skelett-Erkrankungen eingesetzt. Diese Enzyme können extrazelluläre Matrixproteine und zellmembrangebundene Proteine abbauen und so zur Entwicklung und zum Fortschreiten der Entzündungsreaktion beitragen. Hier gibt es eine divergierende Studienlage mit spannenden Einzelbefunden, die jedoch weiter validiert werden müssen [14].
Funktionelles Training und physikalische Therapien
In der Regenerationsphase ist das neugebildete Gewebe noch instabil. Es sollte keine starke Schwellung und weitestgehende Schmerzfreiheit vorhanden sein. Dann kann hier durch leichte mechanische Reize funktionell gearbeitet werden. Diese Bewegungen sollten langsam kontrolliert, konzentrisch und fachlich angeleitet ausgeführt werden. Auch propriozeptive Übungen können hier unterstützend eingesetzt werden. In der Remodellierungsphase kann das Training intensiver, die Last auf den verletzten Muskel erhöht und auch gegen Widerstände gearbeitet werden. Voraussetzung ist auch hier die Schmerzfreiheit während des Trainings. Es gibt schwache bis moderate Evidenz für den (zusätzlichen) Einsatz einiger physikalischer Therapiemethoden wie Eiswasser-Tauchbäder, Kontrastbäder, TENS und extrakorporale Stoßwellentherapie [1].
Fazit
Die Reparatur und das Remodelling nach Muskelverletzungen ist ein aktiv gesteuerter, hochgradig kontrollierter und integrativer Prozess, der sich modellhaft in die sich überlappenden und voneinander abhängigen Phasen der Inflammation, der Regeneration und der Remodellierung einteilen lässt. Dabei kommt es zur Aktivierung geweberesidenter Immunzellen, der Rekrutierung und Gewebeinfiltration von Leukozyten aus umgebenden Geweben und dem vaskulären System sowie intensiver Interaktionen von Immunzellen mit Zellen des Muskelgewebes. Spezifische Kinetiken in der Invasion von Leukozyten sowie die differenzierte Makrophagenpolarisation prägen den Übergang der Entzündung in eine Regenerationsphase ebenso wie die differenzierte Sekretion von Zytokinen und Wachstumsfaktoren. Der kürzlich erschienene Artikel von Benedicte Chazaud mit dem Titel „Inflammation and Skeletal Muscle Regeneration: Leave It to the Macrophages!“ [15] deutet bereits im Titel sehr gut an, dass einerseits die Qualität und Dimension der Entzündung massive Auswirkung auf den Heilungsprozess hat, andererseits auch Immunzellen, wie Makrophagen, nicht nur an der Entzündung, sondern auch am gesamten Regenerations- und Remodellingprozess beteiligt sind. Daher scheinen Maßnahmen, die einseitig ein Entzündungsgeschehen hemmen, nicht immer zielführend für den Gesamtheilungsprozess zu sein. Vielmehr sollte das Ziel sein, ganzheitlichere Strategien wissenschaftlich zu untersuchen. Es sollte z. B. analysiert werden, inwiefern die sequentielle Verabreichung von entzündungsfördernden und entzündungshemmenden Molekülen förderlich sein kann, um eine umfassendere Kontrolle über den gesamten Prozess der Geweberegeneration auszuüben. Auch hier wäre es erforderlich, grundlagenwissenschaftliche Fragen eng mit der angewandten Physiologie und Herausforderungen der sportmedizinischen Praxis zu verknüpfen.
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Literatur
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Autoren
studierte Biologie und Sportwissenschaft, Promotion (2009) und Habilitation (2015) zu den Zusammenhängen von Sport und Immunsystem und der Rolle von inflammatorischen Prozessen in der Adaptation an sportliches Training. Er ist leitet die Abteilung für Leistungsphysiologie und Sporttherapie und ist stellvertretender Direktor des Instituts für Sportwissenschaft, Justus-Liebig-Universität Gießen. Sein Forschungsschwerpunkt ist die angewandte Physiologie mit einem Fokus auf molekulare und integrative Mechanismen der Anpassung an körperliche Belastungen und Training. (Foto: Rolf K. Wegst)