Schmerzhafte Überlastungsschäden sind in der olympischen Leichtathletik noch vor den traumatischen Problematiken als Ausfallursache Nummer 1 zu finden. Sie sind häufig langwierig und in der Nachbehandlung zeitraubend. Nicht selten ist die Ursache der Problematik nicht in der betroffenen Struktur zu suchen. Eine gezielte Diagnostik, die sich über den gesamten Körper erstreckt und sämtliche aktive und passive Strukturen mit einbezieht, ist unumgänglich.
Hierbei hat das Wissen um die Biomechanik der myofaszialen Strukturen einen hohen Stellenwert bekommen. Die Tatsache, dass die Kraftübertragung der Muskelmechanik nicht nur ein myotendinösen Ursprung hat, sondern auch ein myofaszialen, ist für die Therapie sehr wichtig. Häufig müssen beide Systeme in der Nachbehandlung berücksichtigt bzw. therapiert werden.
Eine 23-jährige Leichtathletin aus der Disziplin Kurzsprint (100m) litt seit 8 Wochen unter Schmerzen im Bereich der Achillessehne. Die Schmerzen traten im Verlauf einer Trainingseinheit auf und nahmen währenddessen ständig zu. Es lag kein traumatisches Ereignis vor. Die Trainingseinheit selber wurde von der Athletin nicht als außergewöhnlich beschrieben, nach dem Training nahm der Schmerz wieder ab. Bei dem darauf folgenden Training traten die Beschwerden schon zu Beginn der Belastung auf und blieben während dem gesamten Verlauf der Einheit. Im Laufe der folgenden 4 Wochen verschlechterte sich das Beschwerdebild insofern, als dass der Schmerz nach den Trainingseinheiten nicht mehr vollständig verschwand, sondern bei der normalen Gehbelastung zu spüren war. Nach Ruhepausen nahm die Athletin den Schmerz nicht mehr so stark war, spürte aber ein latentes Vorhandensein. In dieser Zeit wurde sie mit Physiotherapie (Querfriktionen ausschließlich an der Achillessehne) behandelt. Bei der Befunderhebung zeigte sich in der Inspektion eine Abflachung des Längs- als auch des Quergewölbes, welches rechts, auf der betroffenen Seite stärker ausgeprägt war. Ebenso fand man auf der rechten Seite eine vermehrte Innenrotation des Unterschenkels. Das Arm-Taillendreick war rechts kleiner als auf der linken Seite, links stand die scapula höher. Bei der Funktionsprüfung zeigten sich eine verminderte Dorsalextension im rechten oberen Sprunggelenk sowie eine geringfügige Streckhemmung im rechten Kniegelenk. Der M. psoas major wies eine erhöhte Spannung auf und verbarg einen aktiven Triggerpoint mit dem typischen referrd pain. Vorlauf- und Derbolowskytest waren auf der betroffen Seite positiv. Positive Triggerpoints waren in der Glutealmuskulatur beidseits aufzufinden. Die mittlere Thoracale (Th5/6) war in Flexion blockiert. Eine weitere Blockierung war bei C1 rechts zu finden.
Komplexbehandlung
Die Athletin unterzog sich einer einwöchigen Komplexbehandlung, bestehend aus 2 x täglich Physiotherapie (1x mit INDIBA activ Cell Therapie), 1x Massage, 2x Elektrotherapie sowie einem täglichen Personal Training zur Behebung der muskulären Dysbalancen und einem Übungsprogramm, welches die Athletin in ihr tägliches Trainingsprogramm mit einbeziehen sollte. Die Physiotherapie bezog sich auf die Korrektur der bestehenden Blockierungen nach Richtlinien der manuellen Therapie. Weiterhin fand eine Mobilisation des oberen und unteren Sprunggelenkes (insb. Os Calcaneus), dem caput fibuelae und dem tibiaplateau statt. Die aktiven Triggerpunkte im Bereich M. gluteuas maximus und medius sowie M. psoas major sowie der mediale gastrocnemius wurden ebenfalls mitbehandelt. Im zweiten Teil der Physiotherapie wurden die myofaszialen Strukturen behandelt. Hierbei spielte die Behandlung mit der INDIBA Fascia eine große Rolle. Zu behandelnde Strukturen waren vorwiegend die Plantarfaszie, der M. abduktor hallucis, die Achillessehne selber (besonders der muskulo-tendinöse Übergang) und der gastrocnemius (davon der mediale Kopf). Des Weiteren wurden die Fußextensoren, M. tibialis posterior, M. flexor digitorum longus und hallucis longus mitbehandelt. Auch die Oberschenkelmuskulatur wurde in die Behandlung mit einbezogen. Die erste Stufe der Behandlung fand im kapazitiven Modus statt. Hier liegt der Schwerpunkt auf eine Oberflächenerwärmung, um den Hautwiderstand zu senken. Dies hat eine Steigerung der Viskoplastizität und eine Entspannung der Vaskularisation zur Folge. Die erste Stufe der Behandlung sollte eine Dauer von 10min nicht überschreiten. In der zweiten Stufe wird der resistive Modus eingesetzt. Das Ziel ist hier die Befreiung myofaszialer Restriktionen und eine Elastifizierung myofaszialer Ketten. Die Therapie der Stufe 2 war 16 min eingesetzt. Am Ende der Therapie fand noch eine 4 min Therapie im kapazitiven Modus statt. Dies erfolgte mit einer geringen Intensität um einen Drainageeffekt zu erzielen.
Ergebnisse
Bereits am zweiten Tag wurden keine Schmerzen mehr während der Gehbelastung ausgelöst. Fußgelenksprünge waren noch schmerzhaft, aber nicht mehr in der bisherigen Intensität. Bei dem Alternativtraining (Radfahren und Aquajogging) war sie beschwerdefrei. Am Ende der Therapiewoche wurde mit ihr und ihrem Trainer ein Aufbelastungsprogramm besprochen, welches am darauf folgenden Tag mit 5 x 1min Lauftraining (1min Gehpause) begann. Dieses Training erfolgte im schmerzfreien Bereich. Nach zwei Wochen konnte sie das NI Programm (niedrige Intensität) in ihrer Trainingsgruppe absolvieren. In den Therapieeinheiten zeigte sich eine signifikante Verbesserung erst als die myofaszialen Strukturen mit berücksichtigt wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt sprach die Athletin kaum auf die verabreichte Therapie an.
Autoren
ist Physiotherapeut und leitet das Therapiezentrum, St. Josef Stift in Sendenhorst. Seit 2006 betreut er die Sportler des A-Kaders der Deutschen Leichtathletik Nationalmannschaft und begleitet das Team zu den Europa- und Weltmeisterschaften, ebenso wie zu den Olympischen Spielen.