Die Funktion des sensomotorischen Systems ist im Kindes- und Jugendalter für die gesunde Entwicklung aller Gewebe und Organe essentiell und sie bestimmt als hauptsächlicher Faktor in den weiteren Lebensabschnitten die physiologische oder auch die pathophysiologische Strukturierung des Organismus und die Verzögerung der involutiven Alterungsprozesse.
Der Funktionszustand der Muskulatur steht für den Gesundheitsstatus des Organismus. Die Muskulatur ist nicht nur der „Motor“ für die Stabilisierung und für alle Bewegungen, sondern sie hat weitere wichtige Funktionen. Sie liefert aufgrund der mechanischen und metabolischen Aktivität die Signale für die Mechano-, Metabo-, Chemosensoren aber auch die Nozizeptoren in der Haut, den myofaszialen Strukturen und den Knochen. Dessen Verarbeitung entwickelt das Gehirn. Die Aktivität der Muskulatur prägt den Energiestoffwechsel anti-diabetogen oder diabetogen. Liegt inaktivitätsbedingt eine Insulinresistenz vor, werden damit zugleich die angeborenen Immunreaktionen in ihrer Effektivität beeinträchtigt. Gesundheitlich besonders relevant ist, dass die Muskulatur Produzent von Signalstoffen für sich selbst und die Kommunikationen mit dem Gehirn, der Leber, dem Pankreas, den Testes und allen fixen Bindegewebestrukturen wie u.a. dem Knochen ist. Damit stimmt die Muskulatur die Homöostase zwischen den Geweben aufeinander ab und gegenseitig werden die aktivitätsabhängigen Adaptationen ausgelöst und die Strukturen und Funktionen einander angepasst. Die Signalsubstanzen der Muskulatur, die Myokine, sind u.a. wesentlich an der cerebralen Neuroprotektion und der Neurogenese im Hippocampus und damit an der Entwicklung, Sicherung oder auch der Förderung höchster Gehirnfunktionen beteiligt. Aus mechanischer Sicht ist die Muskelaktivität der Stimulator für die mechanische Belastbarkeit der Faszien, Sehnen und des Skeletts. Die Sarkopenie ist nicht nur ein Vorgang des Alterungsprozesses, sondern auch ein Ergebnis der physischen Inaktivität. Daran ist u.a. die Infrastruktur der Mikrozirkulation, die zugleich auch ein anti-nozizeptives oder nozizeptives Milieu im interstitiellen Raum verantwortet, beteiligt. Der interstitielle Raum ist somit auch der Ursprung und Ort der peripheren Sensibilisierung bei chronisch degenerativen und entzündlichen Erkrankungen und Basis einer zentralen Sensibilisierung.
Dieser Artikel ist die Zusammenfassung eines Vortrags, der am 23.07.2021 auf dem KÄRNTNER ÄRZTESYMPOSIUM – Sportmedizin und Prävention präsentiert wurde
Autoren
ist Facharzt für Sportmedizin, Physiologie und Physikalische und rehabilitative Medizin. Er trägt die Zusatzbezeichnung Medizinische Information und Manuelle Medizin. Er ist Autor des Standardwerkes „Sensomotorisches System“ (Thieme) und aktuell des Buches „Sensomotorik und Schmerz“ (Springer).