Unsere wiss. Beirätin Frau Dr. med. Susanne Berrisch-Rahmel hat in der letzten Ausgabe der sportärztezeitung (04/20) die ESC Guideline 2020 vorgestellt. In den nächsten Ausgaben wird sie kurz und prägnant einzelne Krankheitsbilder und Fragestellungen zusammenfassen. Den Anfang macht in dieser Ausgabe die Frage, welche Sportempfehlung für Menschen mit Risikofaktoren und arterieller Hypertonie gegeben werden können.
In der Corona- Pandemie kommt es zu einer weiteren Zunahme der körperlichen Inaktivität in allen Bevölkerungsgruppen. Bewegungsmangel ist mitverantwortlich für die kardiovaskulären Risikofaktoren arterielle Hypertonie, Übergewicht und Diabetes mellitus. In der neuen ESC Leitlinie gibt es spezifische Empfehlungen für Personen mit diesen Risikokonstellationen.
Vor Trainingsbeginn sollte das kardiovaskuläre Risiko bestimmt werden
Empfehlungen zur Sportvorsorgeuntersuchung bei Gesunden > 35. Lebensjahr
Körperlich aktive Personen mit einem niedrigen Risiko (ESC-Score < 1 %) ohne Beschwerden benötigen keine Untersuchung. Personen, die bisher völlig inaktiv waren oder über längere Zeit eine Sportpause hatten, sollten sich ärztlich untersuchen lassen, bevor sie mit dem Sporttreiben beginnen. Dies gilt insbesonders für Personen mit einem hohen und sehr hohen Risiko (ESC-Score > 5 %) und zusätzlichen anderen Risikofaktoren wie Herzerkrankungen in der Familie.
Der ESC-Risiko-Score beinhaltet die Parameter Alter, Geschlecht, Blutdruck, Rauchen und Fettstoffwechselstörungen
Die Sportvorsorgeuntersuchung beinhaltet Annamnese, Sportanamnese, körperliche Untersuchung und ein Ruhe-EKG. Eine Belastungsuntersuchung gibt Aufschluss über die Leistungsfähigkeit. In der Ergometrie (oder Spiroergometrie) sollte eine maximale kardiopulmonale Ausbelastung erreicht werden (Borg RPE 17 – 19). Die Informationen zu Blutdruck- und Herzfrequenzverhalten dienen auch der Trainingssteuerung.
Je höher die geplanten Intensitäten des Sportes sind desto umfassender sollten die Voruntersuchungen sein
Ein Belastungstest wird unbedingt empfohlen, wenn eine hochintensive Belastung oder eine Teilnahme am Wettkampfsport geplant werden.
Wenig körperliches Training ist immer besser als gar keins
Insbesondere der Untrainierte sollte langsam starten und kontinuierlich steigern. Zunächst den Umfang, dann die Dauer pro Sporteinheit und zuletzt die Intensität (ÖLI= öfter, länger, intensiver) steigern. Gleiches gilt auch für Personen nach einer längeren Sportpause, wie z. B. nach einer abgelaufenen Myokarditis oder nach einer Verletzung. Ziel ist ein Pensum von mindestens 150 Minuten Sport mit moderater Intensität in der Woche zu erreichen. Noch besser ist es, dieses Pensum zu verdoppeln. Nicht nur Patienten mit Übergewicht, (gut eingestelltem) Bluthochdruck oder Diabetes sondern allgemein allen Personen wird zusätzlich mindestens 3 x/Woche ein Krafttraining empfohlen. Personen über dem 60.Lebensjahr wird ein Gleichgewichts- und Koordinationstraining als Sturzprophylaxe an zwei Tagen pro Woche angeraten.
Start slow – Langsam beginnen und Schritt für Schritt steigern bis auf 150 Minuten pro Woche
Es ist notwendig, konkrete, den Sport betreffende, Dosisempfehlungen auszusprechen. Welche Art der Bewegung sinnvoll ist, sollte entsprechend den Wünschen und Zielen des Patienten gemeinsam abgestimmt werden. Regelmäßige ärztliche Kontrollen zur Überprüfung der Compliance und zur Anpassung der Trainingsprogramme sind sinnvoll.
Pelliccia A et al. 2020 ESC Guidelines on sports cardiology and exercise in patients with cardiovascular disease: The Task Force on sports cardiology and exercise in patients with cardiovascular disease of the European Society of Cardiology (ESC); Eur Heart J 2020, ehaa605, DOI: https://doi org/10.1093/eurheartj/ehaa605
Autoren
ist Fachärztin für Kardiologie, Innere Medizin, Sportmedizin/Sportkardiologie Level 3 mit eigener Praxis (KardioPro) in Düsseldorf. Sie ist Autorin des Buches „Sportherz und Herzsport“. Zusammen mit PD Dr. med. Pascal Bauer (Sprecher der AG32 Sportkardiologie der DGK) und Dr. med Katrin Esefeld (TUM München, Mitglied des Nucleus der AG 32) hat sie als Mandatstragende der Leitliniengruppe die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie-Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK) vertreten.
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