Es steht nicht gut um die Physiotherapiepraxen in Deutschland. Trotz einer steigenden Nachfrage nach Therapie- und Rehabilitationsleistungen, ist der Betrieb einer Physiotherapiepraxis alles andere als wirtschaftlich lukrativ. Der Hauptgrund, neben den steigenden Mieten, ist die geringe Rezeptgebühr, die sich durch die Heilmittelverordnung ergibt und von den Praxen mit der Krankenkasse abgerechnet wird.
Dazu kommt der Fachkräftemangel. Aber das Jahr 2018 hat die politische Wende eingeläutet. Höhere Honorare stehen im Raum. Und auch die Verknüpfung mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (siehe dazu auch Artikel von Prof. Krückhans in dieser Ausgabe auf Seite 36) und der Fitnessbranche bieten neue Chancen.
Herausforderungen der Physiotherapie
In Deutschland gibt es rund 38.000 Physiotherapiepraxen. In diesen Praxen, in Krankenhäusern und Kliniken, in Rehabilitations- und Vorsorgezentren, Pflegeheime sowie in Sport-, Fitness- und Wellness-Einrichtungen arbeiten rund 190.000 ausgebildete Physiotherapeuten. Auch wenn deren Zahl in den letzten Jahren leicht zugenommen hat, so ist der Markt an Physiotherapeuten leergefegt. Seit 2017 führt die Bundesagentur für Arbeit die Physiotherapie als Branche mit Fachkräftemangel. Potenzielle Arbeitgeber brauchen immer länger, um eine unbesetzte Stelle mit einem Physiotherapeuten neu zu besetzen. So ist es für die Patienten in vielen Teilen des Landes immer schwieriger geworden, einen Termin in einer Physiotherapiepraxis ohne längere Wartezeiten zu erhalten. Die Patienten, die es sich leisten können, nutzen die Angebote der privat abrechnenden und damit teureren Physiotherapiepraxen. Für eine rezeptierte Manuelle Therapie von rund 20 Minuten kann eine Physiotherapiepraxis gerade einmal 16,00 Euro mit den Ersatzkassen abrechen. Die Folge: Nicht wenige Praxen bieten ihr Angebot nur noch Selbstzahlern an.
Die politische Wende
Das letzte Jahr schloss für die Branche mit der dringend erhofften Wende ab. Es scheint, dass die Belange der Physiotherapeuten im Gesundheitsministerium ernst genommen werden. Noch ist abzuwarten, inwieweit sich die von Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) angekündigte Änderungen realisieren lassen. Ein wichtiger Schritt ist aber schon einmal getan. Die Bundesländer, zuallererst das Bundesland Bayern, schaffen Stück für Stück das Schulgeld für die Ausbildung zum Physiotherapeuten ab. Bisher waren das rund 500 Euro im Monat, die der auszubildende Physiotherapeut selbst an eine der privaten oder staatlichen 229 Schulen in Deutschland zahlen musste.
Es gibt aber noch mehr gute Nachrichten. Im Rahmen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) sollen die Arbeitsbedingungen für Physiotherapeuten verbessert werden. Eine öffentliche Anhörung mit den betroffenen Verbänden findet Ende Januar 2019 statt. Besprochen werden dann auch die Preisverhandlungen für Heilmittelerbringer und die Blankoverordnung, mit denen der Therapeut über den Umfang der Therapie selbst entscheiden kann. Dr. Roy Kühne, CDU-Bundestags-abgeordneter und selbst Physiotherapeut, lobte die Pläne aus dem Bundesgesundheitsministerium: „Höhere Vergütungen für therapeutische Leistungen sind unabdingbar, dieser Schritt ist wichtig für die gesamte Branche. Dass wir Struktur und Gehälter gleichzeitig angehen, zeigt, wie wichtig uns die Zukunft der Heilmittelberufe ist.“ Erläutern wird Dr. Roy Kühne die aktuelle Situation der Physiotherapie und die Aussichten auch am FIBO Samstag im Meetingpoint Physiotherapie.
Gute Aussichten für Physiotherapeuten
Der Wegfall des Schulgeldes und die Aussicht auf eine bessere Bezahlung sind nur die Vorboten. Die Physiotherapie wird vielfältiger und als Berufsbild immer interessanter. Das Einsatzgebiet wird sich deutlich ausweiten. Sportvereine, Fitness- und Wellness-Einrichtungen werden verstärkt Physiotherapeuten nachfragen. Gerade das steigende Gesundheitsbewusstsein in der Gesellschaft bietet der Physiotherapie neue Möglichkeiten. Physio meets Fitness heißt es heute in zahlreichen Praxen und Fitnessstudios. Sinnbildlich dafür steht die FIBO, die dem Gesundheitstraining einen hohen Stellenwert zuweist. Hier finden Physiotherapeuten eine breite Auswahl an Geräten mit MPG-Zertifizierung sowie ein umfangreiches Fortbildungsprogramm.
Durch Zusatzangebote können Physiotherapiepraxen die vom Arzt verschriebene Medizinische Trainingstherapie hin zu einer Art physiotherapeutisch betreutem Fitnessstudio weiterentwickeln. Gerade für Patienten, die unter Bewegungsmangel leiden, und das sind nicht wenige, ist dies eine gute Option. Allerdings kommt hier auf den Physiotherapeuten eine neue Herausforderung zu, er muss seine Leistung verkaufen und die Patienten, die zu Kunden verwandelt wurden, motivieren. Hierbei ist zu bemerken, dass der Ablauf zwischen Arzt, Therapeut und Patient ganz klar geregelt sein muss. Kompetenzen dürfen an dieser Stelle nicht überschritten werden, damit alle Beteiligten von einer Zusammenarbeit profitieren. Außerdem sollte der Austausch zwischen Arzt und Therapeut in Zukunft weiter intensiviert werden. In der sportärztezeitung und auch auf den Events von thesportgroup GmbH, z. B. dem jährlich stattfindenden Symposium der sportärztezeitung in der Arcus Sportklinik in Pforzheim, wird dieser Austausch seit Jahren gefördert und umgesetzt.
Neue Chancen bietet Physiotherapeuten auch das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Bereits jetzt beschäftigen einige große Unternehmen Physiotherapeuten, die für Mitarbeiter Präventionsleistungen anbieten. Es entstehen aber auch immer mehr ganzheitliche Praxen, in denen Ärzte und Therapeuten Hand in Hand an der Genesung der Patienten arbeiten, um eine schnelle Eingliederung ins den Berufsalltag zu ermöglichen. Es bleibt zu wünschen, dass mehr junge Menschen auch den Weg zum Studium der Physiotherapie an den Hochschulen finden und so für eine starke Physiotherapie sorgen, die so auch im Bereich der Forschung einen Niederschlag in unserem Gesundheitssystem findet.
FIBO & sportärztezeitung
Autoren
Sportmedizin für Ärzte, Therapeuten & Trainer