Die Behandlung von Knorpelschäden in unseren Gelenken stellt nach wie vor eine große Herausforderung für Behandler und Patienten dar. Am häufigsten betroffen ist aufgrund seines komplizierten Bewegungsablaufes und seiner Belastung, insbesondere auch beim Sport, das Kniegelenk.
Es konnte gezeigt werden, dass unbehandelte Knorpelschäden zur Arthrose des Gelenkes führen können. Dies zu verhindern und beim Sportler möglichst auch den „return to sport“ zu ermöglichen, ist das Ziel der modernen Knorpeltherapie. Der Londoner Anatom und Chirurg Sir William Hunter stellte 1773 fest: „Ein geschädigter Knorpel kann allgemein als beschwerliche Erkrankung angesehen werden; dies verlangt zur Heilung Komplexeres als bei einem brüchigen Knochen und ist, wenn einmal zerstört, nicht mehr zu reparieren.“ Durch Fortschritte der operativen Therapien ist diese Aussage heute so nicht mehr haltbar. Unsere Gelenke benötigen hyalinen (gläserner) Knorpel, um die Belastungen auf Dauer aushalten zu können. Unser Körper ist aber nur in der Lage, mit mechanisch weniger belastbarem Faserknorpel auf den Schaden zu reagieren. Hier sind, insbesondere im operativen Bereich, große Fortschritte erzielt worden. Ziel ist es, möglichst hyalinen Knorpel zu regenerieren.
Konservative & Operative Maßnahmen
Mit konservativen Maßnahmen wie Physiotherapie und Gewichtsabnahme kann der Fortgang eines Knorpelschadens zu einer Arthrose verlangsamt werden. Weitere Therapieansätze sind: entzündungshemmende, schmerzlindernde, abschwellende und knorpelstabilisierende Medikamente, Knorpelschutzbehandlung mit Hyaluronsäure, biologische Therapieverfahren, Hilfsmittel wie Orthesen, Bandagen und Schuhzurichtungen, Krankengymnastik, Kinesiotaping und physikalische Therapie. Auch heute werden in Deutschland nur etwa 10 % der geeigneten Patienten einer regenerativen Knorpeltherapie zugeführt. Intakter hyaliner Knorpel ermöglicht ein nahezu widerstandsloses Gleiten der Gelenkpartner und sorgt für eine Absorption der auftretenden Kräfte. Hyaliner Knorpel besteht zum größten Teil aus der Knorpelmatrix (ca. 95 %). Diese besteht aus Kollagenfasern, Proteoglykanen und Hyaluronsäure sowie ca. 70 % aus Wasser. Nur etwa 1–3 % Prozent machen die zellulären Bestandteile wie Chondrozyten aus. Knorpel ist nicht durchblutet; er wird durch Diffusion aus der Gelenksflüssigkeit (Synovia) ernährt. Dies erklärt zum Teil die schlechte Regenerationsfähigkeit des Knorpels. Knorpelschäden treten infolge von Traumen (lokalisiert), häufiger aber im Rahmen degenerativer Veränderungen auf.
Immer deutlicher wird die Bedeutung einer Mitbeteiligung des darunterliegenden Knochens. Mechanische Ursachen wie Bandinstabilitäten, Beinachsenfehlstellungen oder Meniskusschäden oder -defekte sind in die Behandlung mit einzubeziehen (MRT präoperativ). Die arthroskopische Klassifikation von Knorpelschäden geschieht nach der International Cartilage Repair Society ICRS von 2003, eine Weiterentwicklung der vierstufigen Klassifikation von Outerbridge aus dem Jahr 1961. Eine stadiengerechte operative Behandlung der Knorpeldefekte umfasst heute das Debridement, knochenmarkstimulierende Verfahren (Mikrofrakturierung, Nanofakturierung) jeweils mit oder ohne abdeckende Matrix, die Knorpel-Knochen-Transplantation und die zellbasierten Verfahren der Knorpeltransplantation (MACT Matrixassozierte autologe Chondrozytentransplantation). Ein vielversprechender neuer Ansatz ist das Verfahren „minced cartilage“. Grundsätzlich sollten nur symptomatische Knorpelschäden 3. und 4. Grades nach ICRS behandelt werden. Allerdings ist beim ersten Auftreten von Symptomen die Behandlung rasch indiziert, da sich die Behandlungsergebnisse mit zunehmender Dauer der Symptome deutlich verschlechtern. Zur Wahl des OP-Verfahrens existiert die Empfehlung der AG Klinische Geweberegeneration der DGOU. Knorpelschäden unter 2,5 cm² werden mit den knochenmarkstimulierenden Verfahren Mikrofakturierung/Nanofrakturierung versorgt. Prinzip ist die Eröffnung des subchondralen Knochens mit Austritt von „pluripotenten Zellen“, die stimulierend und regenerativ auf das umliegende Knorpelgewebe wirken sollen. Die erstmalige Beschreibung eines knochenmarkstimulierenden Verfahrens erfolgte 1959 durch Pridie, in den 1990er Jahren wurde die Mikrofakturierung durch Steadman eingeführt. Durch Bohrungen mit kleinem Durchmesser aber größerer Tiefe (1 mm bzw. 9 mm) können bessere Ergebnisse erzielt werden [1]. Diese Technik der Nanofrakturierung ist ein patentiertes Verfahren, bei dem der Draht (1mm) in den Knochen gestoßen und nicht gebohrt wird. Diese Verfahren werden heute zum Teil mit Auflage eines azellulären Implantates (Membran aus Kollagen/Hyaluronsäure etc.) kombiniert, um die Zellen vor Ort zu halten. Die mechanischen Eigenschaften des entstehenden Faserknorpels sind für kleine Defekte mittelfristig zufriedenstellend.
Knorpelschäden über 2,5 cm² (hoher Aktivitätsgrad oder junger Patient) oder über 3 – 4 cm (niedriger oder mittlerer Aktivitätsgrad) sind die Domäne der zellbasierten Therapien, der autologen Chrondrozytentransplantation ACT. Die erste ACT wurde 1987 von Peterson in Schweden durchgeführt. 1994 erfolgte die erste Veröffentlichung durch Brittberg. In einem zweizeitigen Verfahren wird beim ersten Eingriff an einer unbelasteten Stelle des Gelenkes Knorpel entnommen, in Speziallaboratorien erfolgt dann eine Kultivierung der Knorpelzellen. Nach drei bis sechs Wochen erfolgt in einer zweiten Operation das Einbringen der gezüchteten Knorpelzellen, inzwischen mitsamt deren Matrix (MACT, Beimpfte Membran, eigene produzierte extrazelluläre Matrix der Zellen). Aktuell wenden wir die vierte Generation der Knorpelzelltransplantation an. Diese ist in vielen Fällen arthroskopisch möglich. Hiermit können nahezu alle Lokalisationen innerhalb des Kniegelenkes erreicht werden. Es entsteht hyaliner bzw. hyalin- artiger Knorpel, der in seinen mechanischen Eigenschaften dem ursprünglichen Knorpel sehr nahe kommt und eine dauerhafte Lösung im Sinne einer Regeneration des Knorpelgewebes verspricht. Die Ergebnisse der ACT sind in 85-90% gut bis sehr gut. Entscheidend ist die richtige Indikationsstellung durch einen erfahrenen Anwender. In Fällen, in denen der subchondrale Knochen Ursache für den Knorpelschaden (z. B. Osteochondrosis dissecans) ist, ist es bei kleinen Defekten möglich, Knorpelknochenzylinder in den Defekt einzubringen, die an anderer unbelasteter Stelle des Kniegelenkes entnommen werden. Bei größeren Defekten sind eine Auffüllung des Knocheneffektes mit autologer Spongiosa und eine ACT indiziert. Mit dem „minced cartilage“–Verfahren rückt zunehmend ein vielversprechendes einzeitiges Verfahren für kleinere Knorpelschäden in den Fokus des Interesses. Hierbei wird Knorpelmaterial aus anderer Stelle des Gelenkes mechanisch zerkleinert und in den Defekt eingebracht. Die Fixation kann auf mit Fibrinkleber oder abdeckenden Membranen erfolgen. Erste Ergebnisse zeigen gutes Regeneratgewebe mit guten klinischen und mechanischen Eigenschaften. Knorpeltherapien mit Stammzellen zeigen in Grundlagenforschungen vielversprechende Ergebnisse auf, sind in Deutschland aber nicht zugelassen. Durch die Etablierung des weltweit ersten Knorpelregisters 2013 in Deutschland stehen heute große Fallzahlen zur wissenschaftlichen Auswertung zur Verfügung. Die Knorpelzelltransplantation ist mit 16 Level I Studien mittlerweile das am besten untersuchte Verfahren in der gesamten Orthopädie/Unfallchirurgie.
Beispiel & weitere Faktoren
Der Freizeitfußballer F.W. (Nr.147) zog sich 2008 beim Fußball einen 6cm2 großen 4.gradigen Defekt an der äußeren Femurrolle zu. Durch die ACT erlangte er den „return to sport“ nach einem Jahr. Seither spielt er beschwerdefrei auf Wettbewerbsniveau. Jährliche klinische Kontrollen dokumentieren seither das hervorragende Langzeitergebnis.
Die Ernährung spielt bei akuten Knorpelschäden derzeit noch keine große Rolle, wird aber zunehmend erforscht. Wahrscheinlich ist aber, das Gelenkmilieu günstig zu beeinflussen, was die Heilung unterstützt. Bei Arthrose wird der Einfluss der Ernährung immer deutlicher. Calciumreiche Nahrungsmittel, ungesättigt Fettsäuren (Olivenöl), fettarme Milchprodukte sowie bestimmte Inhaltsstoffe von Knoblauch, Zwiebeln und auch Lauchgemüse zeigen knorpelprotektive Wirkungen. Die Vermeidung von Gewichtszunahme entlastet und schützt so den Knorpel.
Fazit
Zur Behandlung von Knorpelschäden stehen uns heute vielfältige Verfahren zur Verfügung, die, bei korrekter Indikation und Anwendung gute bis sehr gute Ergebnisse auch im Langzeitverlauf zeigen.
Literatur
[1] Benthien et al. Reviewing Subchondral Cartilage Surgery: Considerations for Standardised and Outcome Predictable Cartilage Remodelling: A Technical Note – PubMed Labs , Int Orthop. Nov 2013
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung spezielle Unfallchirurgie sowie Sportmedizin. Er war Chefarzt am AGAPLESION Elisabethenstift in Darmstadt und leitet die Privatpraxis für Gelenkerhalt und Knorpeltherapie am AGAPLESION Elisabethenstift in Darmstadt. Seit 1998 führt er die Knorpeltransplantation durch, womit er damit zu einem der erfahrensten Anwender auf diesem Gebiet zählt. Dr. Schreyer ist Knorpelspezialist des QKG und dort als Instruktor bei Workshops tätig.