Das Knochenmarködemsyndrom (KMÖS) ist ein häufiges Krankheitsbild in Orthopädie und Unfallchirurgie. Das Spektrum ist weit und reicht vom wenig schmerzhaften, selbstlimitierten Krankheitsbild über komplexe, schmerzhafte, rezidivierende oder wandernde Knochenmarködemsyndrome bis hin zum drohenden Übergang in die Osteonekrose.
Die Diagnosestellung erfolgt über die MRT. Für die Therapieentscheidung ist die Kenntnis der Ätiologie von Bedeutung. Prinzipiell lassen sich Knochenmarködemsyndrome in drei Kategorien einteilen: vaskulär-ischämisch, mechanisch bedingt und reaktiv. Die Übergänge sind teils fließend. Je ausgeprägter ein KMÖS ist, oder bei rezidivierenden sowie multilokulären KMÖS, sind vor allem zugrunde liegende Störungen des Knochenstoffwechsels oder chronische Erkrankungen als auslösender Faktor zu beachten.
Ursachen eines Knochenmarködems
- Ischämisch
- mechanisch
• degenerativ
• Achsfehlstellung / Überlastung - reaktiv
• traumatisch („bone bruise“)
• Tumor
• Infektion
• Hämatopoese
• Osteomalazie
• CRPS?
• neurogene Knochenläsion?
Differentialdiagnostische Abklärung
- Trauma?
- rezidivierende Überlastung?
• z. B. Achsfehlstellung UE - Knochenstoffwechselstörung?
• Vitamin D-Mangel / Osteomalazie - Grunderkrankungen / Medikamente?
• maligne Erkrankungen
• Entzündungen
• CRMO bei Kindern
Das KMÖS ist eine teilweise sehr schmerzhafte, üblicherweise selbstlimitierende Erkrankung, bei der ein Ödem vorwiegend im Bereich der unteren Extremität (Hüfte, Knie oder Sprunggelenk / Fuß) auftritt. Die Erstbeschreibung erfolgte durch Wilson und Kollegen [2] an einem Patientenkollektiv mit unspezifischen Schmerzen an Hüfte oder Knie mit unauffälligem Röntgenbild, bei denen sich im MRT eine verminderte Signalintensität in der T1-Gewichtung bei gleichzeitig erhöhter Signalintensität in der T2-Gewichtung zeigte. Die Arbeitsgruppe prägte den Begriff „bone marrow edema syndrome“. Das Knochenmarködemsyndrom ist also eine rein deskriptive Beschreibung von Veränderungen im MRT. Aufgrund der häufigen Selbstlimitierung wird auch der Begriff transientes Knochenmarködemsyndrom benutzt. Das KMÖS tritt vorwiegend im Bereich von Hüfte, Knie oder Sprunggelenk / Fuß auf.
Die Beschwerden sind teilweise so ausgeprägt, dass eine über die reine Schmerztherapie hinausgehende Behandlung notwendig ist. Die möglichen Optionen reichen von der konservativen Therapie bis hin zur operativen Therapie. Bei Erstdiagnose eines KMÖS sollten folgende Fragen gestellt werden:
Ist die Ätiologie des Knochenmarködemsyndrom erkennbar?
Das einfachste Beispiel hierfür ist ein KMÖS im Rahmen eines adäquaten Traumas. Hier ist von einer vollständigen Heilung auszugehen.
Handelt es sich um ein eher selbstlimitierendes Knochenmarködemsyndrom oder finden sich Hinweise auf eine Frühform einer Osteonekrose (Ausdehnung, Veränderungen subchondraler Knochen, multilokulär etc.)?
In Fall des Verdachtes auf eine beginnende Nekrose sollte sich der therapeutische Algorithmus auf die Nekrose fokussieren.
Bei akutem Knochenmarködemsyndrom im Rahmen degenerativer Veränderungen: Was verursacht den Schmerz?
Häufig mit KMÖS assoziiert sind Knochenstoffwechselstörungen, allem voran der Vitamin D Mangel. Während schon lange bekannt ist, dass insbesondere bei älteren, im Altersheim lebenden Menschen ein Vitamin D Mangel fast die Regel ist, gibt es verschiedene Arbeiten, die auch bei jungen, sportlich aktiven Menschen einen relativen Vitamin D Mangel nachgewiesen haben, insbesondere bei Auftreten von KMÖS oder Stressfrakturen. Bei Auftreten eines KMÖS sollte jedoch immer eine osteologische Differenzialdiagnostik erfolgen, um grundsätzliche Störungen des Knochenstoffwechsels nachzuweisen oder auszuschließen. Hierbei kann man sich an der Leitlinie der Diagnostik und Therapie der Osteoporose orientieren.
Therapie
Da das KMÖS selbstlimitierend ist, besteht das Ziel der Behandlung in erster Linie in der Symptomkontrolle. Die Entlastung der betroffenen Region kann helfen, die Schmerzen zu kontrollieren, während nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente (NSAIDs) und Physiotherapie die Hauptpfeiler der symptomatischen Behandlung bleiben. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Behandlung mit Nifedipin (einem Kalziumkanalblocker) und die Blockade des Sympathikusnervs eine wesentliche Erleichterung bei der Behandlung des Knochenmarködemsyndroms bringen kann.
Reichen die rein symptomatischen Therapieoptionen nicht aus, weil entweder das KMÖS zu schmerzhaft ist oder im MRT eine sehr große Ausdehnung mit der Gefahr des Übergangs in eine Osteonekrose zeigt, bestehen weitere medikamentöse Therapieoptionen: Iloprost ist ein Prostazyklin-Analogon, das in der Vergangenheit zur Behandlung kritischer Ischämien eingesetzt wurde, aber auch bei Patienten mit KMÖS nachweislich die Funktionalität und die Schmerzen verbessert. Zu beachten ist, dass Prostazyklin-Analoga bei Patienten, die Antikoagulanzien erhalten, und während der Schwangerschaft, einer häufigen Begleiterkrankung beim KMÖS, kontraindiziert sind. Die Ergebnisse der in Deutschland als Off-label-Therapie einzustufenden Therapie sind hinsichtlich Schmerzreduktion und Reperfusion vielversprechend. In einem Vergleich der Behandlung mit Iloprost versus Core Decompression konnten gleiche bzw. bessere klinische und kernspintomografische Ergebnisse nach der medikamentösen Therapie gezeigt werden. Allerdings sind die Kontraindikationen und Nebenwirkungen zu berücksichtigen und im Rahmen der Therapieaufklärung auch dem Patienten mitzuteilen. Neben diesen medizinischen Gründen ist die Behandlung vergleichsweise teuer und kann aufgrund der notwendigen Überwachung wegen der bekannten Nebenwirkungen nur unter stationären Bedingungen durchgeführt werden. Alternativ können auch Bisphosphonate oder Denosumab eingesetzt werden. Beide Stoffgruppen zeigen in Fallbeschreibungen einen positiven Effekt auf Ödem und Schmerz. Für Zoledronat liegt eine Studie im Vergleich zu Placebo vor, die die beschleunigte Rückbildung des KMÖS bei schnellerer Schmerzreduktion nachweist. Eingesetzt werden können sowohl die oralen Bisphosphonate Alendronat und Risedronat als auch die iv-Bisphosphonate Ibandronat und Zoledronat. Die verwendete Dosis und Zeitdauer der Therapie ist unterschiedlich.
Auch ein Einsatz der Extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) ist denkbar: In einer retrospektiven Studie mit 46 Patienten, die konservativ behandelt worden waren, wurde eine chirurgische Core-Dekompression oder eine Stoßwellenbehandlung durchgeführt. Alle Patienten erholten sich klinisch nach zwölf Wochen und hatten nach sechs Monaten keine pathologischen Befunde im MRT, aber die Gruppe mit der Stoßwellenbehandlung hatte eine stärkere Verbesserung der Schmerzen und nahm ihre täglichen Aktivitäten früher wieder auf. Eine andere retrospektive Studie mit 20 Patienten berichtete ebenfalls über funktionelle und MRT-Verbesserungen nach zwei Monaten, die sich bis zu sechs Monaten verstärkten.
Bei ausgedehnten, schmerzhaften KMÖS kommt als operativer Eingriff auch die Core Decompression infrage. Hierdurch gelingt in der Regel eine ausreichende Entlastung des Ödems bei schneller Schmerzreduktion. Das gleichzeitige Einbringen entweder von PRP oder Knochenersatzmaterialien ist möglich, deren Sinnhaftigkeit bisher jedoch nicht durch Studien belegt.
Autoren
ist niedergelassener Orthopäde und Unfallchirurg in Heinsberg mit Lehrauftrag an der Universität Aachen. Er ist Präsident der Orthopädischen Gesellschaft für Osteologie e.V. und forscht und veröffentlicht regelmäßig zu osteologischen Themen.