Eine 35-jährige Triathletin stellt sich zur Sportvorsorgeuntersuchung vor, sie plant bei der Challenge Roth (Triathlon-Langdistanz) teilzunehmen. Die sportmedizinische Untersuchung wird von ihrer gesetzlichen Krankenkasse im Bonusprogramm beworben. Über die Frage zur
letzten Periode ist sie sichtlich erstaunt.
In den letzten Jahren rückt der Frauensport immer stärker in den Fokus. Athletinnen sind auch in Sportarten erfolgreich, in denen über lange Zeit nur Männer aktiv waren. In der Sportmedizin finden spezifische Frauenthemen großes Interesse, wobei umfangreiche wissenschaftlichen Daten noch ausstehen [1]. Die Wahrnehmung der speziellen Belange von Elite-Sportlerinnen, aber auch von Frauen im Breiten- und Gesundheitssport, bedarf einer Aufwertung im Alltag.
Not all „women“ are the same
Frauen haben lebenslang eine ständig wechselnde hormonelle Situation. Beginnend ab der Menarche (erste Periodenblutung) bis hin zur Menopause (Einstellung der Regelblutung) findet regelmäßig ein Menstruationszyklus statt [2]. Sowohl die Hormonkonzentrationen als auch die Anzahl und Ausprägung der zyklusassoziierten Symptome unterscheiden sich. Beeinflusst wird das endogene Hormonprofil zudem durch hormonelle Kontrazeptiva (HC) zur Empfängnisverhütung, durch Schwangerschaften oder eine Hormonersatztherapie (HRT) in den Wechseljahren.
Zyklusbasiertes Training
Der Einfluss des Menstruationszyklus auf Training und Wettkampf schwankt individuell. Angeregt durch die Hormone Östrogen und Progesteron kann bei einem regelmäßigen Zyklus der Einfluss auf die unterschiedliche (sportliche) Leistungsfähigkeit und Motivation genutzt werden [3]. Ein „Zyklustracking“ ist allerdings nur bei nicht-hormoneller Kontrazeption möglich. Das aufmerksame Monitoring des eigenen Menstruationszyklus und eine entsprechende individuelle Ausrichtung von Trainingsplänen an den eigenen Zyklus kann neben einer Verbesserung der Belastungseffizienz möglicherweise auch das Verletzungsrisiko mindern [4].
Störungen des Menstruationszyklus
Ganz gleich welche Sportart ausgeübt wird, im Spitzenbereich erreicht die Belastung von Organismus und Psyche nicht selten einen Grenzbereich. Intensive Trainingsphasen und Wettkampfbelastungen verbunden mit Stress haben nicht selten Zyklusunregelmäßigkeiten zur Folge. Diese können Oligo- oder Anovulationen sein, auch ein längeres Ausbleiben der Periode ist möglich [5]. Eine noch häufigere Ursache für die Zyklusstörungen ist eine relativ zu geringe Energieaufnahme. Eine negative Energiebilanz ist bei bestimmten Sportarten erwünscht. Bei rhythmischer Sportgymnastik, Geräteturnen, Ballett, Eiskunstlaufen, Gewichtsklassensportarten oder aber auch beim Skisprung spielt das Körpergewicht eine große Rolle, um nur einige Sportarten zu nennen. Das „Relative Energy Deficiency in Sport (RED-S)“-Syndrom beruht auf einer dauerhaft niedrigen Energiezufuhr bei männlichen oder weiblichen Athleten und wurde 2014 im Rahmen eines Konsensus Statement des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) überarbeitet (Abb. 1). Der alte Begriff „female athlete Trial“ aus den 1990er Jahren, der die Kombination „Untergewichtigkeit, Ausbleiben der Periode und eine verminderte Knochendichte“ beinhaltete, wurde abgelöst [6 – 8].
Dem RED-S liegt ein relativer Energiemangel zugrunde
Die empfohlene Energieaufnahme von 45 kcal/kg/FFM/Tag wird nicht erreicht. Gerade bei hohen Trainingsumfängen und einem Gesamttagesbedarf von bis zu 5.000 – 6.000 kcal / Tag ist dies aufgrund zeitlicher Verfügbarkeit, Reisen etc. nicht immer umsetzbar. Die effektivste Therapie ist die Korrektur der LEA „low energy availability“ durch eine adäquate Nährstoffaufnahme. Manchmal ist allerdings auch eine Reduktion des Sportumfanges notwendig.
Das Ausbleiben der Periode kann verschiedene Ursachen haben. Je nach Alter sollte bei Sportlerinnen im reproduktiven Lebensalter nicht nur an RED-S, sondern auch an eine Schwangerschaft gedacht werden [9, 10]. Ein Ausbleiben der Regelblutung kann bei Master-Athletinnen auf eine (vorzeitige) Menopause hinweisen. Im Rahmen der gynäkologischen Anamnese sollte gezielt Wechseljahresbeschwerden abgefragt werden [11].
Was ist bei der Untersuchung von Sportlerinnen speziell anders?
Der Schwerpunkt von Sport-Screening-Untersuchungen liegt üblicherweise auf der kardiopulmonalen und orthopädischen Leistungsfähigkeit. Bei allen Sportlerinnnen sollte eine gynäkologische Anamneseerhebung standardisiert eingesetzt werden, nützlich ist der gynäkologische Fragebogen der DGSP [12] (siehe Abb. 2).
Im Rahmen der Anamnese wird nach Medikamenten gefragt, die Einnahme der „Pille“ wird oft vergessen. Laut Anti-Doping-Gestzt (antiDopG) sind alle hormonalen Ovulationshemmer (Tabletten, Pflaster, Vaginalringe), Gestagen-Präparate zur Verhütung (Tabletten, Verhütungsstäbchen und Verhütungsspritzen), Notfallkontrazeptiva sowie Gestagen- und Estrogen-Präparate zur Hormonersatztherapie (z. B. bei Wechseljahresbeschwerden) erlaubt [13].
Fazit
- Sportlerinnen jeden Alters sollten gynäkologisch befragt werden, ein Anamnese-Fragebogen erleichtert emotionale Hürden.
- Das Ausbleiben der Periode kann verschiedene Ursachen haben. Bei Sportlerinnen im reproduktiven Alter sollte nicht nur an RED-S-Syndrom, sondern auch an eine Schwangerschaft gedacht werden.
- Der Monatszyklus und sein spezieller Einfluss auf verschiedene Parameter im Sport kann zur Optimierung der Trainingsplanung eingesetzt werden.
- Für Frauen ist bei der sportmedizinischen Untersuchung ein größerer Untersuchungsumfang zu fordern.
- Ein interdisziplinärer und fachübergreifender Austausch mit Gynäkologen / Endokrinologen kann notwendig sein.
Literatur
[1] Elliott-Sale KJ, Minahan CL, de Jonge XAKJ, Ackerman KE, Sipilä S, Constantini NW, Lebrun CM, Hackney AC. Methodological Considerations for Studies in Sport and Exercise Science with Women as Participants: A Working Guide for Standards of Practice for Research on Women. Sports Med. 2021 May;51(5):843-861. doi: 10.1007/s40279-021-01435-8. Epub 2021 Mar 16. PMID: 33725341; PMCID: PMC8053180.
[2] Carmichael, M.A.; Thomson, R.L.; Moran, L.J.; Wycherley, T.P. The Impact of Menstrual Cycle Phase on Athletes’ Performance: A Narrative Review. Int. J. Environ. Res. Public Health 2021, 18, 1667. https://doi.org/10.3390/ijerph18041667
[3] McNulty KL, Elliott-Sale KJ, Dolan E, Swinton PA, Ansdell P, Goodall S, Thomas K, Hicks KM. The Effects of Menstrual Cycle Phase on Exercise Performance in Eumenorrheic Women: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Med. 2020 Oct;50(10):1813-1827. doi: 10.1007/s40279-020-01319-3. PMID: 32661839; PMCID: PMC7497427.
[4] Nédélec E, Foli E, Shultz SJ, Swinton PA, Dolan E, Enright K, Piasecki J, Matthews JJ, Sale C, Elliott-Sale KJ. Effect of menstrual cycle phase, menstrual irregularities and hormonal contraceptive use on anterior knee laxity and non-contact anterior cruciate ligament injury occurrence in women: a protocol for a systematic review and meta-analysis. BMJ Open Sport Exerc Med. 2021 Oct 29;7(4):e001170. doi: 10.1136/bmjsem-2021-001170. PMID: 34745647; PMCID: PMC8559120.
[5] Hakimi O, Cameron LC. Effect of Exercise on Ovulation: A Systematic Review. Sports Med. 2017 Aug;47(8):1555-1567. doi: 10.1007/s40279-016-0669-8. PMID: 28035585.
[6] Mountjoy M, Sundgot-Borgen J, Burke L, Ackerman KE, Blauwet C, Constantini N, Lebrun C, Lundy B, Melin A, Meyer N, Sherman R, Tenforde AS, Torstveit MK, Budgett R. International Olympic Committee (IOC) Consensus Statement on Relative Energy Deficiency in Sport (RED-S): 2018 Update. Int J Sport Nutr Exerc Metab. 2018 Jul 1;28(4):316-331. doi: 10.1123/ijsnem.2018-0136. Epub 2018 May 17. PMID: 29771168.
[7] Ackerman KE, Stellingwerff T, Elliott-Sale KJ, Baltzell A, Cain M, Goucher K, Fleshman L, Mountjoy ML. #REDS (Relative Energy Deficiency in Sport): time for a revolution in sports culture and systems to improve athlete health and performance. Br J Sports Med. 2020 Apr;54(7):369-370. doi: 10.1136/bjsports-2019-101926. Epub 2020 Jan 10. PMID: 31924625.
[8] Coelho AR, Cardoso G, Brito ME, Gomes IN, Cascais MJ. The Female Athlete Triad/Relative Energy Deficiency in Sports (RED-S). Rev Bras Ginecol Obstet. 2021 May;43(5):395-402. English. doi: 10.1055/s-0041-1730289. Epub 2021 Jun 2. PMID: 34077990.
[9] Physical Activity and Exercise During Pregnancy and the Postpartum Period: ACOG Committee Opinion, Number 804. Obstet Gynecol. 2020 Apr;135(4):e178-e188. doi: 10.1097/AOG.0000000000003772. PMID: 32217980.
[10] Pivarnik JM, Szymanski LM, Conway MR. The elite athlete and strenuous exercise in pregnancy. Clin Obstet Gynecol 2016;59(3):613–9.
[11] Hogervorst E, Craig J, O’Donnell E. Cognition and mental health in menopause: A review. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol. 2022 May;81:69-84. doi: 10.1016/j.bpobgyn.2021.10.009. Epub 2021 Nov 30. PMID: 34969617.
[12] https://daten2.verwaltungsportal.de/dateien/seitengenerator/gynaekologischerfragebogen.pdf
[13] https://www.nada.de/medizin/digitale-beispielliste Zugegriffen:03.06.2023
Autoren
ist Fachärztin für Kardiologie, Innere Medizin, Sportmedizin/Sportkardiologie Level 3 mit eigener Praxis (KardioPro) in Düsseldorf. Sie ist Autorin des Buches „Sportherz und Herzsport“. Zusammen mit PD Dr. med. Pascal Bauer (Sprecher der AG32 Sportkardiologie der DGK) und Dr. med Katrin Esefeld (TUM München, Mitglied des Nucleus der AG 32) hat sie als Mandatstragende der Leitliniengruppe die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie-Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK) vertreten.
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