Die Thermographie wird bereits seit Jahrzehnten in der Tiermedizin, insbesondere zur Untersuchung von Funktionsstörungen beim Pferd, eingesetzt. In der Humanmedizin ist die Methode bislang noch nicht etabliert. Es existieren erste Erfahrungsberichte die sich im Wesentlichen auf die Sportorthopädie beschränken.
Die Thermographie ist ein bildgebendes Verfahren zur Bestimmung der Oberflächentemperatur. Dabei wird die von einem Punkt ausgehende Infrarotstrahlung als Mass für die Temperatur gedeutet und mittels einer speziellen Kamera in elektrische Signale umgewandelt. Zur Visualisierung der Temperaturverhältnisse wird eine Farbskala herangezogen (weiss-warm, blau-kalt). Über das Kameradisplay kann an definierten Punkten die Hauttemperatur mit einer Genauigkeit von 0,04 Grad bestimmt werden. Zur detaillierten Auswertung der Maximal-, Minimal- und Durchschnittstemperatur bestimmter umschriebener Hautareale empfiehlt sich die Verwendung einer speziellen Software. Die Datenübermittlung von Kamera zum PC erfolgt über eine USB Verbindung.
Verschleissprozesse und Verletzungen des Bewegungsapparates führen zu Entzündungsreaktionen. Der Entzündungsprozess führt zu einer Heilung des Gewebeschadens, gleichzeitig auch zu einer Durchblutungssteigerung und Temperaturerhöhung. Diese Temperaturerhöhung kann mit der Thermographiekamera erfasst werden sofern sie zu einer Erhöhung der Oberflächentemperatur > 0,3° führt.
Neben der Entzündungsreaktion des Gelenkes lösen Verletzungen und Verschleissprozesse auch reflektorische muskuläre Verspannungen aus welche zu schmerzhaften Triggerpunkten führen können. Im Bereich der Triggerpunkte entsteht eine lokale Hyperämie welche ebenfalls durch die Thermographie dargestellt werden kann. Muskuläre Hyperämien ohne strukturelle Schädigungen sind in der sonstigen üblichen Diagnostik (Sonographie, MRT) nicht darstellbar.
Die Thermographie ist ein zusätzliches diagnostisches Verfahren und erlaubt in Verbindung mit anderen Methoden (Röntgen, Sonographie, MRT, EMG, Sonoelastographie) eine Untersuchung der gesamten Funktionskette hinsichtlich aktiv entzündlicher Prozesse.
Referenzpunkte der Thermographie sind die korrespondierenden anatomischen Strukturen auf der Gegenseite. Die absoluten Temperaturwerte sind nicht aussagekräftig. Daher ist die Beschwerdefreiheit der Muskel- und Gelenkstrukturen auf der Gegenseite eine einschränkende Vorbedingung der Thermographie-Diagnostik.
Die Vorteile der Thermographie Untersuchung sind
- Nicht invasiv
- Keine Strahlenbelastung
- Beliebig oft wiederholbar
- Kostengünstig
- Sofortige Verfügbarkeit der Messwerte
- Verständliche Visualisierung des Schweregrades der Entzündung für den Patienten
- Untersuchung der gesamten Funktionskette
- Verlaufskontrollen zur Beurteilung des Behandlungseffektes
Die Thermographie ist eine nebenwirkungsfreie, nicht invasive, sofort verfügbare diagnostische Methode die beliebig oft zur Verlaufskontrolle der Behandlung wiederholt werden kann
Fehlerquellen können sich durch abstrahlende Wärmequellen in der Umgebung (z.B. Sonographie Gerät, PC), Verkippung der Kamera und lokale Behandlungen/Manipulationen der Haut ergeben. Einschränkende Vorbedingung ist wie bereits erwähnt die intakte, beschwerdefreie anatomische Struktur auf der Gegenseite. Die Untersuchung sollte vor einer neutralen Fläche im Abstand von etwa 1m senkrecht zur Körperoberfläche erfolgen
Die Thermographie wird im Rahmen der üblichen Standard Untersuchung des Gelenkes als zusätzliches diagnostisches Verfahren eingesetzt wobei der Fokus auf der Beurteilung des Schweregrades einer entzündlichen Reaktion liegt. In der Regel ist der Untersuchungsgang so, dass nach Anamnese, körperlicher Untersuchung und Sonographie die Thermographie zum Einsatz kommt bevor wir eine Röntgendiagnostik oder MRT Untersuchung veranlassen. Die isolierte Thermographie kann keinen anatomischen Gewebeschaden nachweisen sondern lediglich seine reaktive Entzündung. Daher ist immer eine Korrelation zwischen direkter anatomischer Bildgebung und Thermographie erforderlich.
Durch weitere Anwendungsbeobachtungen und klinische Studien müssen die Möglichkeiten und Grenzen der Methode herausgearbeitet werden.
Autoren
ist Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie. Seine Schwerpunkte sind Schulterchirurgie und Sporttraumatologie sowie die sportmedizinische Betreuung von Ausdauerathleten. Von 2007 bis 2018 war er leitender Arzt an den ARCUS Kliniken in Pforzheim, aktuell ist er Chefarzt Schulter- Ellenbogenchirurgie an der ATOS Klinik Stuttgart und wiss. Beirat der sportärztezeitung.