Immer mehr Menschen haben massive Probleme bei selbstverständlichen Alltagsbewegungen und natürlichen Bewegungsmustern. Viele klagen über Rücken- und Nackenschmerzen oder Schmerzen nach Ausführung einfacher Sportarten. Das alles sind Resultate von Alltagsroutinen, welche mit Bewegungsmangel, zu vielem Sitzen, Computerarbeit und stundenlangem Starren auf den kleinen Monitor des Smartphones einhergehen.
Wenn man die Mehrheit der Menschen in ihrem Alltag genauer beim Sitzen beobachtet, sind folgende Merkmale nicht zu übersehen: die Wirbelsäule ist zu einem extremen Rundrücken gekrümmt, die Schultern nach innen rotiert, die Hüfte meist seitlich verschoben und der Kopf schief und zu weit nach vorne geneigt. Würde man diese Menschen fragen, wie es ihnen geht, bekäme man vorwiegend dieselbe Antwort: „Mein Nacken ist total verspannt und mein unterer Rücken schmerzt.“ Leider sind diese Aussagen fast schon zur Normalität geworden. Laut BKK Gesundheitsreport sind Rückenschmerzen Deutschlands Volkskrankheit Nr. 1. Der Mensch verlernt immer mehr seine natürliche und über alle Entwicklungsstufen erlernten funktionellen Bewegungsmuster. Kurz gesagt: Der Mensch ist zum „eingerosteten Sitzathleten“ geworden!
Stellen wir uns einen normalen Alltag eines Büroangestellten vor. Der Weg morgens führt vom Frühstückstisch zum Auto, auf den Bürostuhl, vom Bürostuhl übers Auto eventuell noch ins Fitnessstudio – wo allerdings wieder sitzend an Fitnessgeräten trainiert wird, auf den Fernsehsessel und von dort aus ins Bett. Keine 3.000 Schritte werden hier absolviert – erschreckend, denn die Empfehlung der WHO liegt bei 10.000 Schritten am Tag. Kein Wunder, dass 7 von 10 Deutsche mindestens einmal im Jahr über Nacken- und Rückenschmerzen klagen, denn laut Experten ist exzessives Sitzen eine der Hauptursachen für Nacken- und Rückenschmerzen. Unsere Körper haben sich über Millionen Jahre entwickelt, um eine Sache zu tun: sich zu bewegen! Körperliche Unterforderung und langes Sitzen haben auf unseren ganzen Bewegungsapparat einen negativen Einfluss. Die Muskulatur bildet sich zurück, Bänder und Sehnen ziehen sich zusammen und die natürliche Bewegung wird immer mehr eingeschränkt. Zudem wird die Entstehung von Gelenksschmerzen durch Gelenkverschleiß und Rückbildung der Gelenkknorpel beschleunigt. Die „eingerosteten“ Gelenke führen dazu, dass wir unsere Biomechanik und Bewegungsökonomie einschränken – inklusive der Fehlhaltungen – und es können sportliche Bewegungen nur noch mit Ausweichbewegungen ausgeführt werden. Nur, „sich zu bewegen“ wird fast immer mit der Ausübung von Sport oder Sportarten interpretiert. Und genau hier liegt die „Krux“ – unser Körper ist für viele dieser Sportarten, in der Art und Weise wie wir sie ausführen, nicht konstruiert. Im guten Glauben „ich mach ja Sport“ werden dadurch pathologische Befunde wie Bandscheibenvorfälle oder Gelenksarthrosen noch schneller gefördert.
Sich wohlfühlen – Fit bis ins höchste Alter
In einem „fitten“ Körper lebt ein „fitter“ Geist und körperlich fit bedeutet nicht sportliche Höchstleistungen zu vollbringen. Fit heißt, sich schmerzfrei gemäß unserer als Mensch natürlichen Bewegungsfähigkeit bewegen zu können. Die Konsequenzen aus diesem neuen Körpergefühl „sich wohlfühlen“ ist eine neue Balance, die sich auch auf die geistigen Kapazitäten auswirkt. Wir Menschen sind für Bewegung konzipiert. Unser Körper reagiert immer mit einer Anpassung (Adaption), bei Nicht-Belastung als auch bei Belastung. Bei gezielter Belastung entwickelt sich der Körper weiter und versucht, sich der Belastung anzupassen (in allen systemischen Bereichen). Andersrum, wenn der Körper meistens nur noch sitzt und nicht belastet wird, adaptiert er sich negativ: d. h. sein Organsystem, Gelenk-, Muskel- und Wirbelsäulenstatus verschlechtert sich und passt sich der Bewegungsarmut an. Auch Alterungsprozesse wie z. B. der Hormonstatus, die Hautalterung oder die Regenerationsfähigkeit werden von Bewegungsarmut genährt. Es muss nicht Sport sein, jedoch sinnvolle regelmäßige Bewegungen schon.
Leistungsfähigkeit steigern
Es gibt Faktoren wie Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Psyche, die Einfluss auf die Leistungsfähigkeit nehmen. Jedoch bist du nur so stark wie das schwächste Glied in deiner Kette. Die andauernde „Sitzerei“ und Starren auf irgendein Gerät beeinträchtigt die natürliche Ausrichtung unseres Körpers. Das Ergebnis? Eine schlechte Haltung. Diese ist vor allem problematisch, wenn sie dauerhaft eingenommen wird und kein Ausgleich durch Bewegung erfolgt. Da die Muskulatur sich in Rumpf und Rücken zurückbildet, fehlt sie als Stütze und auch die Knochen werden stärker beansprucht. Eine bessere Haltung wirkt sich auf die Mechanik deines Körpers aus und ermöglicht effizientere Bewegungen. Eine schlechte Haltung hat Einfluss auf die Mobilität der Brustwirbelsäule, was gerade bei Rotationssportarten wichtig ist, um den Rumpf kraftvoll drehen zu können. Auch Läufer riskieren langwierige Verletzungen, vor allem wenn sich das Becken nicht in natürlicher Ausrichtung zur Wirbelsäule befindet. Dadurch werden Rücken und Knie übermäßig belastet. Wenn die Mobilität in einem Bereich deines Körpers eingeschränkt ist, versuchen die weniger kräftigen Muskeln und Gelenke in der Umgebung das auszugleichen. Dadurch steigt die Verletzungsgefahr und deine Leistung wird beeinträchtigt. Die Auswirkungen des zu vielen und ständigen Sitzens auf den Körper sind enorm.
„Steh jetzt auf“
Mein größtes Anliegen mit meinem Buch „Steh jetzt auf“ ist es, dem sitzenden Menschen – dem „Sitzathleten“ – mit all seinen Einschränkungen ein Hilfsmittel in die Hand zu geben, mit den Prinzipien:
- Verstehen – Welche Auswirkungen hat dieser Bewegungsmangel
- Erkennen – Tests und ReTests als Checkliste deiner Funktionalität
- Planvoll vorgehen
- Tipps wie zu Gelenkshygiene*, neurologische Übungen, Bewegungsmuster aus den Entwicklungsstufen des Kindes (Resetting) und Gefäßaktivierung
um einen Ausgleich zu schaffen und seine Funktionalität wiederzuerlangen. Können diese praxisbezogenen Hinweise schon in jungen Jahren, im Sinne der präventiven Bewegung, durchgeführt werden, gibt es erst gar keine Berührungspunkte mit den zahlreichen Zivilisationskrankheiten. Dem Älterwerden mit hoher Lebensqualität steht erstmal nichts im Wege. Es folgt ein Auszug aus dem Buch.
Gelenkshygiene* und optimales Aufwärmen der Gelenke
Leider gibt es heutzutage mehr Gelenksprobleme (bis zur Arthrose) aufgrund Unterbelastung (Bewegungsmangel) als Überbelastung, da die Versorgung der Knorpel mit wichtigen Nährstoffen und Sauerstoff über das Blut fehlt. Unsere Gelenke sind die Verbindungen zwischen zwei oder mehreren Knochen. Da gibt es Gelenke, z. B. zwischen den Schädelplatten, die bewegen sich normalerweise nicht. Andere gewähren große Bewegungsspielräume, wie z. B. das Kugelgelenk der Schulter, das Drehungen der Arme nach innen, außen, vorwärts, rückwärts und seitwärts ermöglicht. Hingegen z. B. Scharniergelenke (Finger, Zehen, oberes Sprunggelenk) lassen nur beugen (Flexion) und strecken (Extension) zu. Das Gelenk mit all seinen Bestandteilen gewährt uns in die Wiege gelegte, anatomisch vorgegebene Mobilität und sorgt für die Stabilität. Die Knochenenden (bilden das Gelenk) sind überzogen mit Knorpel (hartes, zähes, widerstandsfähiges Gewebe aus Wasser, Kollagen und Proteoglykanen) und die Gelenkkapsel (bindegewebige Hülle um echte Gelenke) umschließt die mit Gelenkflüssigkeit (Synovia) ausgefüllte Gelenkhöhle, um während der Bewegung (am besten ohne Fehlstellungen oder -belastungen) die Reibung zu verringern. Der passive, nur durch Bewegung (dadurch bessere Durchblutung) angetriebene Austausch und die Erneuerung in der Gelenkflüssigkeit sollten kontinuierlich stattfinden. Regelmäßige Bewegung treibt auch den Abtransport der Stoffwechselendprodukte an und ist der Motor für einen gesunden Stoffwechsel im Gelenk. Jeder kennt die Auswirkungen, z. B. durch Gipsverbände, bei der in Folge die Muskulatur rasant schnell verkümmert. Ein Vergleich mit einer weitgehend sitzenden Lebensweise ohne Bewegungsausgleich über Jahre hinweg hat ähnliche „verhungernde“ Auswirkungen auf die Gelenke.
Der beste Schutz für Gelenke ist und bleibt Bewegung. Um die Reibung im Gelenk zu vermindern, ist es äußerst sinnvoll, die Gelenkflüssigkeit zu aktivieren, aufzuwärmen, die Durchblutung zu fördern und vermehrt zu produzieren. Der Gelenkknorpel wird dicker, wodurch einwirkende Druck- und Scherkräfte besser absorbiert werden. Dies ist eine wichtige Regel, zur Abnutzungs- und Verletzungsprophylaxe, sowie zur Steigerung deiner Leistungsfähigkeit. Daher empfehle ich jeden Tag mindestens einmal die Gelenke durch aktive kreisende Bewegungen zu mobilisieren.
Autoren
ist Sportlehrer, Personal-, Athletik- und Mental Trainer, Dozent und Speaker. Er betreute die deutschen Olympiamannschaften in Albertville 1992, Lillehammer 1994 und die Weltranglisten Tennisspieler Stefan Koubek und Rainer Schüttler. In über 250 Workshops und Seminaren bildete er für Fitnessmarken wie u.a. DTB, MRS Sporty, PerformBetter, Sportlerei über 10.000 Trainer aus.