Erstkontakt aufgrund von medialseitigen Kniebeschwerden während Belastung. Die Patientin berichtete über chronische Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenks seit ca. sechs Monaten. Unfall oder Voroperation konnten ausgeschlossen werden. Die Patientin war darüber hinaus beschwerdefrei. Bisherige konservative Maßnahmen konnten die Beschwerden nicht lindern.
In der Untersuchung zeigte sich ein blandes und frei bewegliches Kniegelenk. Das Kniegelenk war stabil sowie das patellofemorale Gelenk unauffällig. Der Außenmeniskus zeigte sich blande. Der Innenmeniskus war schmerzhaft in tiefer Flexion und Außenrotation. Keine Blockaden oder Krepitationen. Vermutlich haben repetitive tiefe Kniebeugen unter starker Belastung im Zuge sportartspezifischer Beübung trotz jungen Alters eine Meniskusläsion mit verursacht. Das MRT zeigte eine Separation / basisnahe Ablösung des Innenmeniskus-Hinterhorns im Bereich der roten Zone. Sonstiger MRT-Befund blande. Nach eingehender Aufklärung der Patientin Festlegung der operativen Versorgung bei frustran konservativem Verlauf. Im Folgenden wird die interdisziplinäre Versorgungskette zwischen Arzt, Physiotherapie und Sportwissenschaft beschrieben sowie der aktuell noch laufende Reha-Prozess dargestellt.
Prä-operative Diagnostik
In der präoperativen Phase erfolgte eine eingehende Leistungs- und Funktionsdiagnostik. Hier wurden die Systeme 4Dmotion Lab© (1), myoline (2) und EMG (3) (alle aufgeführten Geräte (auch 4–6): DIERS International GmbH, Schlangenbad, GER) verwendet. Zu (1): Unter Verwendung des Prinzips der Videorasterstereographie (VRS) wird ein lichtoptisch basiertes Triangulationsprinzip zur räumlichen Erfassung der Oberfläche des Rückens angewendet [1, 2], das in darauf aufbauenden Berechnungsschritten ein individuelles, dreidimensionales Wirbelsäulenmodell des Probanden generiert [3] (formetric III 4 D, 60 Hz). Die Synchronisierung mit zusätzlichen Aufnahmeeinheiten (leg axis, 60 Hz) und einer in ein Laufband integrierten Druckmessplattform (pedogait, 100 Hz) ermöglicht einen ganzheitlichen Eindruck der Interaktion zwischen Fußdruckverteilung, Beinachsenstellung, Becken und Wirbelsäule nach kranial bis hin zu C 7 unter statischen und v. a. dynamischen Bedingungen [4, 5]. Zu (2): Die Erfassung der isometrischen Maximalkraft von 15 verschiedenen Bewegungsrichtungen erfolgt am sitzenden Probanden über Scher- und Bi-Radialsensorik mit einer Samplerate von 100 Hz [6]. Zu (3): Hier kam ein kabelloses Oberflächen-EMG-System zum Einsatz, welches die muskuläre Innervationsqualität ausgewählter oberflächennaher Muskeln mit einer Aufnahmefrequenz von 2000 Hz aufzeichnet und quantifiziert.
Die prä-operative Diagnostikreihe wurde wie folgt beschritten:
- 1. Statische Pedobarographie (SPBG)
- 2. Dynamische Pedobarographie (DPBG) (Laufbandgeschwindigkeit: 3,0 km / h)
- 3. Statische VRS (SVRS)
- 4. Dynamische VRS (DVRS) (3,0 km / h)
- 5. Statische Beinachsenanalyse (SBA) (posterior & links)
- 6. Dynamische Beinachsenanalyse (DBA) (posterior & links) (3,0 km / h)
- 7. Statische Beinachsenanalyse (posterior & rechts)
- 8. Dynamische Beinachsenanalyse (posterior & rechts) (3,0 km / h)
- 9. Isometrie Knie (Extensoren / Flexoren), Hüfte (Ab- /Adduktoren)
- 10. Oberflächen-EMG m.vastus medialis bds.
Die Haltungs- und Bewegungsanalyse zeigte sowohl Fehlstellungen der Füße als auch der Wirbelsäule und des Beckens. Das Fußgewölbe war hohlfüßig und leicht nach medial einknickend mit einer initialen Rückfußbelastung von 58 % des Körpergewichts. Über die statische VRS wurden Auffälligkeiten in Form eines Beckenshifts (BS) in Höhe von 4 mm sowie eine durchschnittliche thorakale Dornfortsatzrotation (DFR) von 4 mm links festgestellt. Die dynamische VRS zeigt eine zum statischen Muster passende Rotationsasymmetrie auf Höhe von C 7 (7°L zu 3°R). Einhergehend mit der zuvor genannten beidseitigen Hohl-Knickfuß-Stellung, weist auch die Beinachse eine valgische Stellung aus. Schrittlänge / Schrittdauer links (über Standphasenaktivität der betroffenen Seite) wurde mit 50 cm / 572 ms gemessen. Die Spurbreite lag bei 13,5 cm. Die Analyse der lateralen Beinachse in der Dynamik ergab zum Ende der Loading Response rechts eine Hüftflexion von 11°, sowie eine Knieflexion von 7°. Die Analyse der Muskelkraft bezog sich auf eine Erhebung von isometrischen Maximalkraftwerten der unteren Extremitäten sowie der Rumpfmuskulatur. Zusammenfassend ist zu sagen, dass sich im Seitenvergleich und Agonist-Antagonist-Vergleich leichtes Kraftdefizit der rechten traumatisierten Seite ergab.
Die Analyse der Muskelfunktion über EMG ergab eine verminderte Ansteuerung des M. vastus medialis rechts. Hierauf wurden Übungen zur intermuskulären Koordination der Knieextensoren für den postoperativen Trainingsplan definiert. Zudem erfolgte die Ermittlung der MVC für das Ausstoßen und die Frontkniebeuge als Referenzgrundlage zur Evaluierung des Therapieverlaufs und der exakten Steuerung des Return to Sports unter Berücksichtigung eines möglichst geringen Rezidivrisikos. Als Konsequenz aus klinischer und apparativer Diagnostik wurde die Beübung und Kräftigung der kleinen Fußmuskulatur, Training der unteren Extremitäten sowie Rumpfkräftigung erstellt. Ein individueller Plan für die Medizinische Trainingstherapie sowie die Physiotherapeutisch Behandlung wurde in enger Absprache untereinander erstellt. Ergänzend sollte ausschließlich während sportlicher Betätigung aus präventiven Gründen eine Einlagenversorgung bereitgestellt werden, die im alltäglichen Leben aber als nicht notwendig erscheint.
Operation
Während eines arthroskopischen Eingriffs erfolgt zunächst die Inspektion des gesamten Gelenks. Abgesehen der Meniskusläsion wurden keine Pathologien gefunden. Explizit das vordere Kreuzband, die Innenmeniskuswurzeln sowie die „Rampe“ waren intakt. Im Bereich des Hinterhorns des Innenmeniskus zeigte sich die erwartete horizontale Rissbildung im Bereich der roten Zone. Diese wurde nach Anfrischung unter Zuhilfenahme von all-inside Nahtankersystemen fest verschlossen.
Rehabilitation und Nachbehandlungskonzept
Als Primärziel der Rehabilitation wurde zunächst die Schonung der Meniskusnaht definiert. Zudem Kontrolle der sportartspezifischen Bewegungsabläufe, gegebenenfalls Optimierung, um eine Re-läsion zu vermeiden. Die Nachbehandlung sah TB 15 kg (6 Wochen) vor, mit optionalem Anstieg zur VB in voller Extension ab der 3. Woche, falls Ergussbildung ausbleibt. Die Flexion wurde schrittweise bis 60° (Woche 1–3) und dann auf 90° (Woche 4–6) in einer Orthese limitiert. Postoperative Versorgung umfasste Physiotherapie, Ultraschall, Manueller Therapie, sowie Gangtraining unter Teilbelastung auf dem Alter G Anti Schwerkraft Laufband. Nach sechs Wochen erfolgte die erste postoperative Diagnostik, in der zunächst die prä-operative Messreihe 1.– 8. durchschritten wurde. SVRS: Der initial gemessene BS links reduzierte sich auf 2 mm, die durchschnittliche thorakale DFR auf 2°. Analog wurde in der DVRS eine deutliche Harmonisierung der C7-Rotation (4°L zu 4°R) erkennbar. Die SPBG zeigte eine verminderte Rückfußbelastung von nur noch 47 % des KG. In der DPBG wurden die Parameter Schrittlänge / Schrittdauer links mit 55 cm / 618 ms gemessen. Dies wird auf eine effizientere intermuskuläre Koordination in Terminal Stance zurückgeführt. Die Spurbreite lag mit 11,6 cm unter dem inital gemessenen Wert. Über die DBA rechts wurden zum Ende der Loading Response Flexionswerte in Höhe von 7° (Hüfte) und 3° (Knie). Verglichen mit den Ausgangswerten wird hier eine günstigere Kinematik zur Deckung der exzentrischen Anforderungen dieser Gangphase vermutet. Diagnostikinhalte 9. und 10. werden im späteren Verlauf der Reha-Maßnahmen erhoben.
Fazit & Ausblick
Weiteres Nachbehandlungskonzept: Ab Woche 7– 9 schrittweiser Aufbau zur Vollbelastung unter freier Beweglichkeit, zudem auch Kraulschwimmen und Fahrrad-Ergometer. Ab Woche 10 –12 Muskelaufbau unter Vollbelastung, um die freie Beweglichkeit sicher zu etablieren. Gezieltes Muskelaufbautraining und Gerätetraining, zudem Funktionsgewinn durch stabilisierende, propriozeptive Übungen. Rückkehr in den Sport ab dem 3. Monat sowie sportartspezifisches Training. Als Ziel das Erreichen einer regulären muskulär-funktionellen Kniefunktion durch sportartspezifischen Muskelaufbau bis zur normalen muskulären Funktion und Ausdauer. Final eine Return to Sport und Competition Testbatterie und Rückkehr in den Wettkampf ab dem. 4.– 6. Monat abhängig des Heilungsverlaufs und den Ergebnissen der klinischen und apparativen Diagnostik.
Zusammenfassend zeigte sich in der präoperativen Analyse der Bewegungsabläufe als auch Muskelfunktion diskrete Defizite und pathologische Bewegungsmuster.
Es ist das Ziel infolge der operativen Meniskusnaht durch eine optimale Nachbehandlung und Verbesserung der Bewegungsabläufe als auch Muskelfunktion eine Fehlbelastung des genähten Meniskus auszuschließen um eine Reruptur zu Vermeiden. Dies gilt als Voraussetzung für eine schmerzfreie und volle Funktion im Sport für die Patientin.
Als Co-Autoren haben an dem Artikel mitgewirkt: Michele Comparato, Prof. Dr. med. Gian Salzmann (beide Gelenktherapie Rhein Main, Hochheim/Wiesbaden) und Marco Sowa
(Diers International GmbH, Schlangenbad)
Literatur
1 Frobin, W.; Hierholzer, E. (1983). Automatic measurement of body surfaces using rasterstereography. Part I: Image scan and control point measurement. Photogramm Eng Rem S; 49(3); 377-384.
2 Frobin, W.; Hierholzer, E. (1983). Automatic measurement of body surfaces using rasterstereography. Part II: Analysis of the rasterstereographic line pattern and 3-D surface reconstruction. Photogramm Eng Rem S; 49(10); 1443-1452.
3 Turner-Smith, A.; Harris, J.; Houghton, G.; Jefferson, R. (1988). A method for analysis of back shape in scoliosis. J Biomech; 21(6); 497-509.
4 Betz, U.; Huthwelker, J.; Konradi, J.; Schmidtmann, I.; Bodem, F.; Heil, J.; Drees, P. (2017). First results of spinal segment-related motion analysis in human gait using rasterstereography. Gait Posture 57; 345-346.
5 Gipsman, A.; Rauschert, L.; Daneshvar, M.; Knott, P. (2014). Evaluating the Reproducibility of Motion Analysis Scanning of the Spine during Walking. Advances in Medicine; 2014; 1-9.
6 Schröder, J.; Schaar, H.; Simon, J.; Färber, I.; Reer, R.; Braumann, K.; Mattes, K. (2009). Zur Zuverlässigkeit der Testung der Rumpfmuskelkraft bei Rückenschmerzpatienten unter klinischen Bedingungen. M. Krüger, N. Neuber, M. Brach & K. Reinhart (Hrsg.), Bildungspotenziale im Sport. 19. Sportwissenschaftlicher Hochschultag der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft. Abstracts (S. 377). Schriften der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft. Bd. 191. Hamburg, 377-382
Autoren
ist Sportwissenschaftler (B.Sc.) und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Gesundheitszentrum Gelenktherapie Rhein-Main in Hochheim / Wiesbaden. Er ist dort Leiter des Bewegungslabors.