Die Anzahl der Kinder und Jugendliche, die häufig Stress empfinden, übergewichtig, unkonzentriert und immer weniger fit sind, ist am Wachsen [3, 11, 12, 31, 35]. Sport fördert Gesundheit, Leistungsreserven und steigert Aufmerksamkeit, ein Plus im Schulalltag [15, 20]. Chancen einer langfristigen Prävention gegen Bewegungsdefizite und Konzentrationsmangel kann eine sportpraktische Intervention im Sommer-Biathlon (Bogen- und Lichtpunktschießen) bieten, wie das hier vorgestellte Forschungsprojekt zeigen soll.
Sommer-Biathlon kombiniert statisches Schießen und dynamisches Laufen. Die wenig praktizierte Disziplin lernten 18 Novizen (12 bis 14 Jahre) über zehn Wochen kennen. Eine zehnköpfige Kontrollgruppe durchlief ein klassisches Konditionstraining. Intention war die Analyse möglicher Effekte auf Konzentration und Kondition. Die 6 Mädchen und 22 Jungen waren sportaffin. Die Hälfte besuchte Schulsport-AGs. Das Training (90 Minuten) beinhaltete das Vermitteln von Schießtechniken sowie einen Konditionsteil [2, 16, 17, 23, 29, 32, 36]. Die Umfänge pro Einheit betrugen bis zu 140 Schuss, 260 Sprünge, 650 m Sprints, 110 Treppenstufen-Lauf, 40 m Kniehebe- und 1400 m Ausdauerlauf. Die Kontrollgruppe absolvierte nur den Konditions-Part. Die Konzentrationsleistung wurde mittels des Konzentrationstests d2 [5] betrachtet. Mit dem Deutschen Motorik-Tests (DMT) [6] wurden die motorischen Fähigkeiten der Teilnehmer untersucht. Aufgaben waren ein 20 m-Sprint, Rumpfbeugen, Standweitsprung, Liegestütz und Sit-ups, seitliches Hin- und Herspringen, Rückwärts-Balancieren sowie ein Sechs-Minutenlauf. Beide Verfahren wurden als Eingangs- und Ausgangstest angewandt.
Ergebnisse

In Bezug auf die die Anzahl der bearbeiteten Zielobjekte (Geschwindigkeitskriterium) hatten sich sowohl die Bogen – als auch die Lichtpunktschützen signifikant verbessert. Während die Bogenschützen (Mittelwert im Prätest 142,5 im Posttest einen Mittelwert von 159,7 erreichten, steigerten sich die Gewehrschützen in nur leicht geringerem Umfang (MW im Prätest 131,75) auf einen Wert von 147,50 im abschließenden Test. Die Kontrollgruppe kam im Prätest auf einen Mittelwert von 145,40 und im Posttest auf 163,71. Die Bogenschützen steigerten die Anzahl ihrer bearbeiteten d2-Objekte um 6,3 %. Die Gewehrschützen erreichten mit 6,9 Prozentwerten sogar einen minimal höheren Wert, während sich die Kontrollgruppe um 5,9 %verbesserte. Die Fehlerhäufigkeit markiert die Sorgfalt bzw. die Genauigkeit im d2-Test. Wiederum kamen die Bogenschützen (MW Prätest 9,76) auf signifikante Verbesserungen (MW Posttest = 5,34). Die Kontrollgruppe und die Gewehrschützen verbesserten sich hier jedoch nicht. Die Bogenschützen verminderten ihre eingangs gemessene Fehlerhäufigkeit von 7,5 Prozentpunkten auf nur noch 2,3 Prozentpunkte. Dagegen bewältigten die Gewehrschützen den abschließenden Test sogar etwas schlechter als den Eingangstest. Die Jungen und Mädchen der Kontrollgruppe wiesen eine Fehlerhäufigkeit von 9,6 % im Eingangstest auf 9,4 % im Ausgangstest auf. Korrespondierend mit den Ergebnissen aus dem d2-Test präsentierten die Bogenschützen auch beim DMT-Test bessere Resultate als die Gewehrschützen. Im Sechs-Minuten-Lauf steigerten sie sich sogar um 10 %, auch die Gewehrschützen schraubten ihre Leistung beim Abschluss der Intervention auf „überdurchschnittlich“. Dagegen erhöhten die Bogenschützen ihr Kraftniveau im seitlichen Hin- und Herspringen von einem schon überdurchschnittlichen Niveau (Prätest Z =119) auf den höchsten Einzelwert in Bezug auf ihre Leistungsfähigkeit (Posttest Z =130). Die Gewehrschützen blieben dagegen auf einem weit überdurchschnittlichen konstanten Wert (Prä- und Posttest Z =115), während die Kontrollgruppe in derselben Leistungskategorie nahezu konstant blieb (Prätest Z =112, Posttest Z =110).
Die Bogengruppe erreichte signifikante Leistungssteigerung in drei von sechs motorisch-konditionellen Sparten: dem seitlichen Hin- und Herspringen, den Liegestützen und den sit-ups. Die Lichtpunktschützen konnten sich dagegen auf signifikantem Niveau bei den sit-ups, im Balancieren sowie im Ausdauerlauf steigern. Dieses Lauf-Resultat ist besonders hoch einzustufen. Erfreulich waren individuelle Leistungssteigerungen an einzelnen Teststationen des DMT bei allen 28 Teilnehmern, unabhängig vom Leistungsstand.
Fazit
Sommer-Biathlon führt zu signifikanten Verbesserungen der Konzentrations- und Konditionsleistung (bei Bogen- noch stärker als bei Gewehrschützen). Der Kombinationssport verbessert vermutlich die individuelle Fähigkeit, Lösungsstrategien zu entwickeln, und zwar unabhängig vom körperlich-konditionellen Zustand. Das belegen die Eingangs-Leistungsniveaus aller Teilnehmer, welche sich im
Abschlusstest erhöhten. Ein langfristiges Training (zwei Mal pro Woche) könnte weitere effektive Leistungssteigerungen sicherstellen, welche den betrachteten Jahrgängen nicht zuletzt
Resistenz gegenüber aktuell hohen schulischen Beanspruchungen (u. a. Turbo-Abitur, Ganztagsbetrieb) böte. Die Disziplin stellt eine koedukative Alternative im Kanon schulischer und vereinsgebundener Sportarten dar. Zudem ist es ein gesundheitsfördernder Gegenvorschlag zum Medien- und Spielekonsum vieler junger Menschen.

Literatur
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Autoren
studierte Sportwissenschaft an der DSHS Köln und ist Lehrkraft an der Stiftung Universität Hildesheim für besondere Aufgaben. Ihre Lehrtätigkeit umfasst u.a. die Bereiche Leichtathletik, BGM und Geragogik. Seit 2016 leitet die Diplom-Sportlehrerin
das Forschungsprojekt „Sommerbiathlon ‒ Förderung von Konzentration und Ausdauer im
Schülerbereich“.