Die sportmedizinische Leistungsdiagnostik beinhaltet Untersuchungsverfahren, die Informationen über Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit eines Athleten liefern. Sie bildet die Basis für eine individualisierte Trainingsplanung und erlaubt eine optimierte Kontrolle des Trainingsverlaufs. Das Ziel dieser Studie war, die Ergebnisse leistungsdiagnostischer Tests bei nordischen Kombinierern der deutschen Nationalmannschaft untereinander zu vergleichen sowie die Leistungen der Athleten hinsichtlich ihrer Leistungsentwicklung zu evaluieren.
Aus den Ergebnissen sollten Konsequenzen für eine möglichst vereinfachte, jedoch genaue Leistungsdiagnostik abgeleitet werden.
Methodik
Die Studienpopulation bestand aus 24 nordischen Kombinierern des deutschen Nationalkaders. Diese wurden über einen Zeitraum von fünf Wintersaisons sportmedizinisch betreut. Zur Berechnung der Laktatkurve wurden die Laufgeschwindigkeiten in m / s auf dem Laufband bei Laktatwerten von 2, 3 und 4 mmol / l aus dem peripheren Blut ermittelt. Zur Bestimmung der individuellen anaeroben Schwelle wurde das Modell nach Dickhuth verwendet. In Analogie zum Laktatleistungstest auf dem Laufband wurde bei den Sportlern, die älter als 16 Jahre waren, auch ein Leistungstest auf Skirollern durchgeführt. Dazu wurde der Laktatwert aus dem peripheren Blut des Ohrläppchens in Ruhe und bei Geschwindigkeiten von 6, 8, 10, 12, 14, 16 und 18 km / h bestimmt. Zur Bestimmung der maximalen Sauerstoffaufnahme wurde ein Spiroergometriesystem benutzt und das VO2max in ml / (kg x min) bestimmt. Als statistische Verfahren kamen vor allem Spearman-Rangkorrelationsanalysen und multiple lineare Regressionsanalysen zum Einsatz.
Ergebnisse
Je höher die Laufleistung in Prozent ausfiel, desto eher konnte eine Topplatzierung erreicht werden. Die individuelle anaerobe Schwelle (IAS) und die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) erhöhten sich deutlich mit zunehmender Laufleistung in Prozent. Je höher die IAS der nordischen Kombinierer war, desto bessere Platzierungen konnten erreicht werden. Die maximale Sauerstoffkapazität und die individuelle anaerobe Schwelle waren positiv miteinander korreliert; mit zunehmender IAS nahm also auch das VO2max zu. Die relative maximale Sauerstoffaufnahme war schwach positiv mit einer verbesserten Platzierung in den Langlaufwettbewerben und im Gesamt-Weltcup assoziiert. Je älter die Athleten waren, umso besser schnitten sie im Gesamt-Weltcup ab. Mit zunehmendem Alter erhöhten sich die Laufgeschwindigkeit [m / s] bei Laktatwerten von 2, 3 und 4 mmol / l, die Laufleistung in Prozent, die maximale Sauerstoffaufnahme und die individuelle anaerobe Schwelle.
Den signifikantesten Einfluss auf die Platzierung in den Einzelwettbewerben zeigte die Laufgeschwindigkeit [m / s] bei 4 mmol / l Laktat, also die Laufgeschwindigkeit knapp über der individuellen anaeroben Schwelle. Ein höherer BMI erwies sich als günstig für die Platzierung in den Einzelwettkämpfen. Für die Langlaufwettbewerbe war die Laufleistung in Prozent der wichtigste Faktor. Die individuelle anaerobe Schwelle zeigte keine statistisch nachweisbare Beeinflussung der Platzierung in den Langlaufwettbewerben. Die Laufgeschwindigkeit [m / s] bei 4 mmol / l Laktat zeigte wie schon bei den Einzelwettkämpfen ebenfalls einen positiven Einfluss auf die finale Platzierung in den Langlaufwettbewerben. Neben dem Body Mass Index waren die Laufleistung in Prozent und die Laufgeschwindigkeit [m / s] bei 4 mmol / l Laktat die wichtigsten Faktoren für eine gute Platzierung im Gesamt-Weltcup. Die individuelle anaerobe Schwelle übte nach Adjustierung auf die übrigen in die Regressionsanalyse inkludierten Variablen keinen Einfluss auf die Gesamt-Weltcup-Platzierung aus. Die Laktatwerte auf den Skirollern zeigten kaum signifikante Assoziationen mit den Ergebnissen der sportlichen Wettbewerbe. Im Hinblick auf eine vereinfachte Leistungsdiagnostik könnte auf den Laktatleistungstest auf Skirollern am leichtesten verzichtet werden.
Fazit
In dieser Studie zeigte die Laufgeschwindigkeit am Laufband [m / s] bei mmol / l Laktat den stärksten und einen von anderen Parametern unabhängigen Einfluss auf die sportlichen Leistungen der nordischen Kombinierer. Unabhängig von der Art der Bestimmung der Laktatschwelle dürfte ein Laktatwert von 4 mmol / l fast immer oberhalb einer fiktiven anaeroben Schwelle liegen, sodass die Verwendung dieses Parameters sowohl physiologisch als auch mathematisch mehr Sinn ergibt als die Verwendung einer arbiträren individuellen Schwelle. In diesem Sinne kann also die Laufgeschwindigkeit bei 4 mmol / l Laktat als robuster, von mathematischen Modellen unabhängiger und physiologisch sinnvoller Parameter zur Leistungsdiagnostik bei Profisportlern empfohlen werden. Aufgrund dieser Daten wurden die Trainingspläne der Athleten des A-Kaders im Juni 2016 modifiziert. In Zusammenarbeit mit den Bundestrainern Hermann Weinbuch und Ronny Ackermann erstellte ich neue Pläne, bei welchen die forcierten Grundlagenausdauereinheiten (GA 2) in ihrer Intensität angehoben wurden. Die Athleten trainierten hier vermehrt Laufeinheiten und Skirollereinheiten in den Sommermonaten an den jeweiligen Herzfrequenzen ihrer individuellen 4mmol / l Laktatschwelle. Zudem wurden die Trainingseinheiten im unteren Grundlagenbereich (GA 1) in der Intensität vermindert, in der Dauer der jeweiligen Laufeinheit jedoch deutlich erhöht.
Ab der Weltcupsaison 2016 / 2017 wurden die besten jemals erreichten Ergebnisse der deutschen nordischen Kombinierer erzielt. Die Nationenwertung im Weltcup 2017 wurde von den deutschen Athleten mit einem nie bisher erreichten Vorsprung gewonnen. Bei der nordischen Skiweltmeisterschaft im Februar 2017 in Lahti (Finnland) gewannen die deutschen Athleten bei den zwei Einzelwettkämpfen jeweils die Goldmedaille, beim ersten Wettkampf errangen die Athleten sogar einen Vierfachsieg. Zudem wurden die beiden Teamwettbewerbe gewonnen. Bei den Olympischen Spielen 2018 gewannen die Athleten alle drei möglichen Goldmedaillen, im Einzelwettkampf errangen diese sogar eine Dreifachsieg.
Autoren
ist Facharzt für Chirurgie und Allgemeinmedizin. 2004 eröffnete er seine eigene Praxis in Fichtelberg. Als verantwortlicher Teamarzt der deutschen Ski-Nationalmannschaft betreut er seit 2004 das Weltcupteam im nordischen Skisport bei über 100 Weltcupveranstaltungen, 4 Olympischen Spielen und 10 Weltmeisterschaften.